Reisen nach Tschechien bzw. in die CSSR

      Reisen nach Tschechien bzw. in die CSSR

      1966 zog unsere Familie mal wieder um, in die Nähe von Hof.
      Von dort waren es zu den Grenzen der ehemaligen DDR
      und der damaligen Tschechoslowakei :link: keine 20 km,
      und das war an einem langen Nachmittag mit dem Fahrrad gut zu schaffen,
      auch wenn's bei der buckligen Landschaft immer wieder Schiebestrecken gab.

      Ich bin also des öfteren hinter Rehau an der tschechischen Grenze entlang gefahren,
      wo man ganz im Gegensatz zur DDR keinen Stacheldraht sehen konnte -
      der war erst im Hinterland, mit Minenfeldern und allem was damals zu einer Ostblock-Grenze gehörte.
      Aber man konnte, wenn niemand in der Nähe war, ungestört um einen Grenzstein herummarschieren
      und hinterher sagen: "Ich war in der Tschechoslowakei !"

      Um richtig ins Land zu kommen, war ein größerer Aufwand nötig.
      Man musste entweder mit der Post ein Visum beantragen -das dauerte Wochen-
      oder nach Frankfurt (Main) in die damalige Handelsmission der CSSR fahren,
      zwei Stunden Schlange stehen und dann hatte man einen ganzseitigen Stempel im Pass,
      der zur Ein- und Ausreise innerhalb der nächsten 3 Monate berechtigte.
      Im Gegensatz zu DDR-Reisen musste man nicht angeben, wohin man wollte,
      sondern konnte dann frei reisen im ganzen Land.
      Draussen schlafen durfte man allerdings nicht - was ich woanders im Sommer oft gemacht hab,
      sondern man musste sich am Übernachtungsort anmelden,
      was meistens der Gastgeber bzw. die Pension/Jugendherberge für einen erledigte;
      einmal musste ich selber auf die entsprechende Behörde in Prag und wurde prompt gelobt:
      "Sährr gutt ausgefillt, das Formulahrr - altär Kundä, was ?"

      An der Grenze musste man (1971/72) 20 DM pro Tag in Kronen umtauschen
      zum Kurs 1:4 - auf der Straße bekam man 1:8 geboten, später noch mehr.
      Aber das Leben war für West-Touristen schon mit 1:4 billig.

      1972 hatte ich eine Brieffreundin Prag, die ich besuchte.
      Abends lernte ich in einer Touristenkneipe -U fleku- drei Ost-Berliner kennen,
      die für die Nacht noch keinen Schlafplatz hatten -
      im Gegensatz zu Westlern gab's für die keine Anmeldepflicht,
      sie hätten auch draussen schlafen können, aber es war April und nicht grad warm.
      Zu meiner Brieffreundin konnte ich sie schlecht hochschleppen,
      die hatte schon ihr kleines Zimmerchen für mich geräumt
      und schlief im elterlichen Wohnzimmer auf dem Sofa;
      da bot ich ihnen meinen VW-Käfer als enges, aber wenigstens trockenes Nachtquartier an.

      Morgens wurden sie von der Mutter des Hauses aufgesammelt und zum Frühstück eingeladen -
      ich bekam -milde- Vorhaltungen, warum ich sie nicht nachts mit hochgebracht hätte ...
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Damals standen noch jede Menge russische Truppen in der Tschechoslowakei, wobei sie für den Touristen nicht so sichtbar waren - weniger sichtbar jedenfalls als in der damaligen DDR.

      Damals durfte man kaum einen Tschechen auf Russisch ansprechen, dann verstand er nichts mehr - das war Teil des passiven Widerstands gegen die Okkupation 1968.
      Zwar sind beides slawische Sprachen, und manches ist ähnlich, manches aber auch nicht, wie einem in dem schönen Film Kolya klargemacht wird, wo es 1989 einen fünfjähriger Russenbub zu einem Prager Musiker hin verschlägt:

      Der Kleine sieht als erstes die Fähnchen im Fenster,
      die blau-weiss-rote tschechische und die rote sowjetische;
      er sagt: Nasch - wasch = Unsere - Eure.
      Der Tscheche ist erfreut, dass sie sich verstehen, denn im Tschechischen heisst dass genauso.
      Der Bub macht weiter: Nasch krasni = Unsere ist rot.
      Jetzt widerspricht der Tscheche: Ne, ne - nasch krasni ! = Unsere ist schön !
      "Eure ist nur rot, aber unsere ist bunt - blau, weiss und rot !" ...

      ... und so gibt es noch viele Missverständnisse (bis man sich doch einigermaßen zusammenfindet).


      Wer mehr über die tschechische Sprache wissen will,
      kann z.B. bei Radio Prag die seit Jahren erscheinende Rubrik Tschechisch gesagt studieren.
      Das Wichtigste auf Tschechisch findet Ihr hier:
      tschechien-online.org/modules.…ws&req=showcontent&id=306

      Na shledanou !
      Grizzly.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Posting vom 14.10.08
      Original von Grizzly
      Kutna Hora (Kuttenberg) liegt 70 km östlich von Prag, mit dem Zug ist man in ca. zwei Stunden da, ggf. mit Umsteigen in Kolin.

      Es gibt dort ein altes Silberbergwerk, das man auch besichtigen kann - nix für Klaustrophobiker:
      Es ist zum Teil so eng da drin, dass ich mich mit etwas Nachdruck durch einzelne Gänge zwängen müsste -
      jemand wie Helmut Kohl würde u.U. dort steckenbleiben ...
      Aber es lohnt sich, ebenso, v.a. für historisch Interessierte, der Dom der Hl. Barbara, der Schutzheiligen für die Bergleute.

      Das Interessanteste in Kutna Hora aber ist Kostnice, die Knochenkapelle.
      Der Wunsch, in besonders heiliger Erde zu liegen, führte schon im Mittelalter zu einer Überfüllung des Friedhofs,
      so dass Knochen in die Kapelle ausgelagert und dort erstmals 1511 zu Pyramiden aufgeschichtet wurden.
      Nach 1866 formte dann der Holzschnitzer Franticek Rint die Knochen zu Leuchtern und anderen Kunstwerken.

      Einzelne Schädel von Verletzten aus den Husittenkriegen sind in Vitrinen ausgestellt.
      Hier sieht man, wie selbst massive Kopfverletzungen überlebt werden können - denn die Knochendefekte sind nicht scharfkantig, was sie sein müssten, wenn der Betroffene die Verletzung nicht lang überlebt - sondern rund und wulstig, was bedeutet, dass sie die Leute über Jahre noch damit gelebt haben müssen, wenngleich wohl mit grausamen Kopfschmerzen :kopfauahab:
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Grizzly“ ()

      Original von COOLmann 18.1.15
      Vor 1989 gehörte Tschechien zum sozialistischen Weltsystem.
      Da es dorthin keine Reisebeschränkungen gab, war ich
      mehrmals mit dem Personalausweis dort. Ein bißchen
      hinderlich war der beschränkte Währungstausch. Aber wenn
      die Unterkunft schon vorher bezahlt war (zB. in einem
      Betriebsferienheim) war auch das easy.
      Bilder in verwertbaren Formaten gibt es leider nicht. Aber über die
      Jahre kommt schon einiges zusammen.
      Als Jugendlicher Familienausflug mit Raddampfer nach Usti und
      eine Busrundreise Karlsbad/Marienbad/Franzensbad/. Später mal `ne Woche
      Zelturlaub am Stadtrand von Prag als Abiturabschlußfahrt.
      In den 80igern ( im Studium mit der Seminargruppe) nach Cheb.
      Das nächste Ziel wäre das Betriebsferienheim meines damaligen
      Arbeitgebers in Spindlermühle (Hohe Tatra) gewesen.
      Doch dann wurde halt alles anders. Betrieb abgewickelt......
      Und seit dem hat es mich noch nicht wieder in die Tschechei
      verschlagen. Insgesamt fühlten wir uns den tschechischen Menschen
      aber sehr verbunden. Was ich nie verstanden habe ist der Umstand,
      daß sie das Land nach der "Wende" in 2 Teile spalteten. Erzählt uns doch heute
      in der EU jeder: Zusammenhalt ist besser. Die Menschen mit
      gegenteiliger Meinung werden als "Spielverderber" hingestellt. :schneebwurf:
      Besonderheiten damals:
      *Viele Menschen im grenznahen Gebiet konnten "Deutsch". Haben es aber
      oft verheimlicht......
      *Als deutschsprachiger Tourist gab es immer ein Prüfung:
      DDR oder BRD? Denn nur BRD-Deutsche waren eine Einnahmequelle für
      harte Währung DM (offiziell verboten) oder wegen des besseren Umtausch-
      kurses für Unmengen Kronen. Die entsprechenden Unterschiede in der
      Behandlung als Tourist brauche ich sicher nicht erläutern.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      @ COOLmann
      Als deutschsprachiger Tourist gab es immer ein Prüfung: DDR oder BRD? Denn nur BRD-Deutsche waren eine Einnahmequelle für harte Währung DM (offiziell verboten) oder wegen des besseren Umtausch- kurses für Unmengen Kronen. Die entsprechenden Unterschiede in der Behandlung als Tourist brauche ich sicher nicht erläutern.


      (aus meinem Eingangsposting)
      An der Grenze musste man als Westler (1971/72) 20 DM pro Tag in Kronen umtauschen zum Kurs 1:4 - auf der Straße bekam man 1:8 geboten, später noch mehr. Aber das Leben war für West-Touristen schon mit 1:4 billig.

      DDR-Bürger durften 1972 maximal 8 Mark der DDR pro Tag umtauschen, zum Kurs 1:3. Da für Bürger der Tschechoslowakei in der DDR eine ähnliche Regelung galt, und meine o.g. tschechische Gastgeberin demnächst dorthin wollte, ging dann doch noch ein Deal. So gesehen hatte die :ob: VW-Käfer-Übernachtung für die Beteiligten einen weiteren Vorteil.

      Übrigens wurde mir noch bei meinem letzten Prag-Aufenthalt 2001 von Straßenhändlern ein günstigerer Kronenkurs als offiziell (100€ für 4000 Kronen, offiziell damals etwa 100:2800). Irgendeine Hinterhältigkeit war sicher dabei, ich hab's nicht gemacht (alte tschechoslowakische Kronen dazwischen ???), zumal sich der Schwarzhändler weigerte, die einzutauschenden Scheine in einer Bank gegenchecken zu lassen.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Mal etwas in den alten Unterlagen geblättert...
      Also als DDR-Bürger gab es ab Ende der 70iger Jahre
      bis mindestens 1983 2 bedeutende Regelungen:
      1) für Menschen mit Tagesaufenthalt im "kleinen Grenzverkehr"
      durften 10 DDR-Mark pro Tag und Nase an der heimischen
      Bank umgetauscht werden. Weiterer Umtausch war nur "illegal" möglich.
      Es gab zwar Tschechen, die in die DDR einkaufen fuhren (zB. Kindersachen,
      Ersatzteile für Trabant-und Wartburg) und somit DDR-Mark brauchen konnten...
      die Zöllner schauten aber gern nach illegalen Bargeldtransfers.
      *ab 3 Tage Aufenthalt konnte man 30 DDR-Mark pro Tag tauschen.
      Dabei war es egal ob die Unterkunft/Verpflegung/Verkehrsmittel/Eintritts-
      gelder schon vorher anderweitig bezahlt wurde. (zB. Reisebüro, Ferienplatz
      FDGB,Betriebsferienheim....) Dies war für den normalen Urlauber mit einer
      vorher bezahlte Ferienunterkunft bei den damaligen Preisen völlig ausreichend.
      Viele DDR-Bürger tauschten sich auch mit tschechischen Freunden aus.
      Wohn ich mal dort wohnst Du mal hier... :sflocke_zwinkern:
      Der Umtauschkurs der Staatsbank war dabei fix
      1 DDR-Mark= 3 tschechische Kronen
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Für Westler mit vorgebuchtem Hotel gab's keinen Pflichtumtausch, allerdings musste man das Getauschte nachweisen, d.h. die Kronen, die man bei einer Kontrolle in der Tasche hatte, mussten irgendwie zu der Umtauschquittung passen. Für die andern galt in den 70ern: pro Tag 80 kcs für 20 DM war Pflicht, darüber hinaus durfte man "legal" tauschen. Den Pflichtumtausch durfte man weder zurücktauschen noch wieder ausführen, bei darüber hinaus Getauschtem war ein Rücktausch möglich, aber nur gegen Quittung. Und die hatte man bei einem Schwarztausch natürlich nicht.

      Ärger hab ich nie gehabt wg. meiner (geringen) Schwarztauschaktionen, hab auch gehört, dass das eigentlich nur dann passierte, wenn sie einen wegen anderen Sachen drankriegen wollte und nicht so einfach konnten.

      Mehr dazu hier:
      geschichtsbausteine.uni-passau…rmationen/wie-man-reiste/

      Es gab noch eine andere Schote bei CSSR-Reisen. Das männliche Haupt- und Barthaar musste der im Pass gezeigten Tracht gleichen, d.h. wenn da kein Bart dran war, in Natura aber schon, dann musste der ab. Fliegende Frisöre auf deutscher Seite machten gute Geschäfte. Ich hingegen schuf, etwas zum Ärger meiner Eltern damals, 1971 Fakten und liess mir einen neuen Pass ausstellen, mit Bart. Dann musste der dranbleiben.
      Bei Frauen waren sie m.W. konzilianter.
      Zum Thema Einreise in die CSSR mit Bart bei bartlosem Passphoto hab ich nur diese amüsante Geschichte gefunden: books.google.de/books?id=1Uxmg…20in%20die%20cssr&f=false


      P.S.
      Pflichtumtausch bei DDR-Reisen gab's übrigens auch, bis zum 24.12.1989, zuletzt waren das 25 DM.
      Für unseren Thread zum Thema DDR-Reisen bitte hier auf die Flagge klicken:

      Dieses Bild stellt die Flagge einer deutschen Körperschaft des öffentlichen Rechts dar.
      Nach § 5 Abs. 1 UrhG (Deutschland) sind amtliche Werke wie Flaggen gemeinfrei ("public domain").
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Danke grizzly für die interessanten Infos, mal betrachtet
      von der "anderen Seite". Beim Lesen war mir plötzlich
      ein Grinsen auf`s Gesicht gemalt. Da war es wieder,
      ein Beispiel für die Sprache- Inhalt- Dialektik. Welche
      Bilder erzeugt eine sprachliche Umsetzung im Kopf
      des Lesers?
      Assoziationsspiel:
      Bei Frauen waren sie m.W. konzilianter.


      => Bei Frauen durfte der Bart dranbleiben. :schneebwurf:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()