Norderstedt, irgendwann im September
werde ich zu einem Hausbesuch gerufen, Mutter und zwei Kleinkinder haben Fieber und schniefen, sind auch krankenversichert, soweit also keine Herausforderung. Allerdings hab ich mir beim Eintreffen mit zwei Polizisten die Klinke in die Hand gegeben, und die Mutter schnieft nicht nur, weil sie Schnupfen hat.
Sie ist vor ihrem Ex geflüchtet, der im Knast sitzt und sie regelmäßig misshandelt (deshalb sitzt er nicht) und das von ihm Geklaute in der gemeinsamen Wohnung deponiert hat. Deshalb hat sie, in Abwesenheit, ein Gericht wegen Mittäterschaft zu einer Geldstrafe verurteilt, die sie jetzt bezahlen soll, oder 46 Tage "Ersatzfreiheitsstrafe" absitzen (siehe Photo). Rechtsmittel sind nicht mehr durchführbar, zumindestens nicht mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Frau - übermorgen soll sie einfahren, wenn sie bis dahin nicht zahlt.
Jeder 68er, und ich denke, nicht nur der/die, weiss, dass Justiz nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.
Aber was tun ?
So einen Schrieb hatte ich schon mal in der Hand, Adressat war ich.
1975 hab ich mit Tausenden anderen in Heidelberg aus Protest gegen Fahrpreiserhöhungen die Straßenbahn blockiert, Folge: Eine Serie von Prozessen, in meinem Fall 1800 DM Geldstrafe wegen "Nötigung" (des Straßenbahnfahrers, der im Prozess nicht gefragt wurde bzw gar nicht geladen war). Die stotterte ich ab, bis ich 1980 für meine Famulatur (medizinisches Praktikum) in Tansania jede Mark brauchte und die Raten stoppte.
Irgendwann, ich war längst zurück, flatterte mir eine "Ladung zum Antritt einer Restersatzfreiheitsstrafe" ins Haus, 10 Tage sollte ich absitzen. Der Text entbehrte nicht einer gewissen Komik, so hätte ich mit einer Abweisung rechnen müssen, falls ich betrunken oder unter Drogen stehend einrücken sollte, ausserdem wurde genau aufgelistet, was ich mitbringen dürfe (Photos von nahestehenden Personen) und was nicht (z.B. feststehende Messer).
Auf dem Weg zur Uni lief mir meine Kommilitonin und Mitstreiterin Frauke übern Weg. Die meinte: "Das geht ja gar nicht", kopierte den Schrieb und fing an, bei den Kommilitonen zu sammeln. Innerhalb von einer Stunde waren die 200 DM da.
In Erinnerung daran streckte ich der Frau die 460€ vor und schickte an die etwa hundert Abonnenten meines "Containertagebuchs" eine Rundmail, indem ich die o.g. Situation beschrieb und die Empfänger, großenteils Freunde und Verwandte, bat, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten ein bissl was zu spenden, damit ich das wieder reinbekäme. Nannte meine Kontonummer, bat um die Überweisung des gespendeten Betrags hierhin, mit dem Kennwort "Calamity Jane" (das war eine Frau aus einem Western, die alles Unglück an sich zog) und einer Kurznachricht über den Betrag.
Fast im Minutentakt gingen die Nachrichten ein.
Keine zwei Stunden später stoppte ich die Aktion, weil bereits mehr Geld zusammen war als ich der Frau gegeben hatte. Ich sagte ihr das, wies sie aber darauf hin, dass so eine Aktion nicht nochmal geht und sie dringend einen Anwalt braucht, um den Rest an Problemen die sie in dieser Richtung am Hals hat, und das ist wohl noch einiges, zu regeln. Das hat sie dann auch gemacht.
Das überschüssige Geld werde ich für die Versorgung von nicht versicherten Obdachlosen oder Geflüchteten verwenden, z.B. falls mal dringens Medikamente gekauft werden müssen.
werde ich zu einem Hausbesuch gerufen, Mutter und zwei Kleinkinder haben Fieber und schniefen, sind auch krankenversichert, soweit also keine Herausforderung. Allerdings hab ich mir beim Eintreffen mit zwei Polizisten die Klinke in die Hand gegeben, und die Mutter schnieft nicht nur, weil sie Schnupfen hat.
Sie ist vor ihrem Ex geflüchtet, der im Knast sitzt und sie regelmäßig misshandelt (deshalb sitzt er nicht) und das von ihm Geklaute in der gemeinsamen Wohnung deponiert hat. Deshalb hat sie, in Abwesenheit, ein Gericht wegen Mittäterschaft zu einer Geldstrafe verurteilt, die sie jetzt bezahlen soll, oder 46 Tage "Ersatzfreiheitsstrafe" absitzen (siehe Photo). Rechtsmittel sind nicht mehr durchführbar, zumindestens nicht mit den eingeschränkten Möglichkeiten der Frau - übermorgen soll sie einfahren, wenn sie bis dahin nicht zahlt.
Jeder 68er, und ich denke, nicht nur der/die, weiss, dass Justiz nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat.
Aber was tun ?
So einen Schrieb hatte ich schon mal in der Hand, Adressat war ich.
1975 hab ich mit Tausenden anderen in Heidelberg aus Protest gegen Fahrpreiserhöhungen die Straßenbahn blockiert, Folge: Eine Serie von Prozessen, in meinem Fall 1800 DM Geldstrafe wegen "Nötigung" (des Straßenbahnfahrers, der im Prozess nicht gefragt wurde bzw gar nicht geladen war). Die stotterte ich ab, bis ich 1980 für meine Famulatur (medizinisches Praktikum) in Tansania jede Mark brauchte und die Raten stoppte.
Irgendwann, ich war längst zurück, flatterte mir eine "Ladung zum Antritt einer Restersatzfreiheitsstrafe" ins Haus, 10 Tage sollte ich absitzen. Der Text entbehrte nicht einer gewissen Komik, so hätte ich mit einer Abweisung rechnen müssen, falls ich betrunken oder unter Drogen stehend einrücken sollte, ausserdem wurde genau aufgelistet, was ich mitbringen dürfe (Photos von nahestehenden Personen) und was nicht (z.B. feststehende Messer).
Auf dem Weg zur Uni lief mir meine Kommilitonin und Mitstreiterin Frauke übern Weg. Die meinte: "Das geht ja gar nicht", kopierte den Schrieb und fing an, bei den Kommilitonen zu sammeln. Innerhalb von einer Stunde waren die 200 DM da.
In Erinnerung daran streckte ich der Frau die 460€ vor und schickte an die etwa hundert Abonnenten meines "Containertagebuchs" eine Rundmail, indem ich die o.g. Situation beschrieb und die Empfänger, großenteils Freunde und Verwandte, bat, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten ein bissl was zu spenden, damit ich das wieder reinbekäme. Nannte meine Kontonummer, bat um die Überweisung des gespendeten Betrags hierhin, mit dem Kennwort "Calamity Jane" (das war eine Frau aus einem Western, die alles Unglück an sich zog) und einer Kurznachricht über den Betrag.
Fast im Minutentakt gingen die Nachrichten ein.
Keine zwei Stunden später stoppte ich die Aktion, weil bereits mehr Geld zusammen war als ich der Frau gegeben hatte. Ich sagte ihr das, wies sie aber darauf hin, dass so eine Aktion nicht nochmal geht und sie dringend einen Anwalt braucht, um den Rest an Problemen die sie in dieser Richtung am Hals hat, und das ist wohl noch einiges, zu regeln. Das hat sie dann auch gemacht.
Das überschüssige Geld werde ich für die Versorgung von nicht versicherten Obdachlosen oder Geflüchteten verwenden, z.B. falls mal dringens Medikamente gekauft werden müssen.