Ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden/Drewitz

      Ehemaliger Kontrollpunkt Dreilinden/Drewitz

      12. Mai 2015, ca. 19 Uhr

      Am 1. Juli 1990 wurde in der DDR die D-Mark eingeführt und die Grenzkontrollen nach der BRD abgeschafft - bekanntlich kamen DDR-Bürger bereits ohne größere Probleme seit dem 9.11.1989 über die Grenze, BRD-Bürger ohne den bisher notwendigen Pflichtumtausch seit dem 24.12.1989. Mit Ablauf des 30.6.1990 verloren also alle innerdeutschen Grenzkontrollstationen ihre Funktion. Seither brettern die Autos am Stadtrand von Berlin einfach weiter - aber was ist aus dem riesigen Kontrollplatz geworden ?

      Ohne Auto ist es nicht ganz leicht hinzukommen, andererseits wäre ein solches, wenn man genauer hinschauen will, eher hinderlich. Ich steige einfach am Bahnhof Wannsee aus der S-Bahn und laufe los - inzwischen weiss ich, dass zwischen den Bahnhöfen Wannsee und Teltow der Bus 620 verkehrt. Von Wannsee aus hätte ich fast bis zum Autobahnkreuz, Haltestelle Isoldenstraße, fahren können; eine Station weiter - Heinrich-Hertz-Straße - wäre ich mitten auf dem alten Kontrollplatz gewesen.


      Damals, d.h. vor der Grenzöffnung, wäre hier Parken nicht nur nicht verboten gewesen, sondern man musste es oft genug zwangsweise - es war der Rückstauparkplatz für diejenigen, die West-Berlin verlassen wollten und staubedingt noch nicht konnten. Jetzt ist dort ein Campingplatz.

      Die alte Raststätte Dreilinden ist verlassen, die Tankstelle ebenso.





      Aus mir unerfindlichen Gründen gibt es hier noch einen Zollabfertigungsplatz, der manchmal geöffnet ist, aktuell aber nicht.



      An diesem Parkplatz standen damals die zahlreichen Tramper, oft mit Schildern z.B. "Helmstadt" oder "Hof", manchmal auch "Herleshausen" - das waren die westdeutschen Grenzübergänge - oder mit der Angabe ihres Zielorts. Die Transitfahrer mussten hier eh langsam fahren, manchmal machten sie noch ein kleines Päuschen, und sie waren weitaus mehr als üblich bereit, einen wildfremden Menschen in ihr Auto zu lassen, um auf der für viele unheimlichen DDR-Durchquerung nicht allein sein zu müssen.
      Ich war hier oft, als Fahrer und als Tramper.


      Zu dieser Brücke muss ich jetzt irgendwie hoch,



      um die Autobahn zu überqueren - damals wär das auch zu Fuß gegangen. Der überdachte Übergang war und ist dem Zoll vorbehalten.

      Also nix wie die Böschung hoch
      ich war offensichtlich nicht der Erste.

      Das Brückenschild ...

      ... irritiert mich jetzt etwa, denn diese Brücke war schon damals da.


      Des Rätsels Lösung:
      Die Königswegbrücke führt den Königsweg über die A 115. Die ursprünglich 1938–1940 erbaute Brücke wurde 1998 durch einen Neubau, der aufgrund einer Fahrbahnverbreiterung der Autobahn notwendig wurde, ersetzt. Zu Mauerzeiten lief die DDR-Grenze längs inmitten der Brücke. Zeitweise verschmälerte eine Absperrung die Radfahrer- und Fußgängerbrücke in eine begehbare nördliche Hälfte und eine südliche auf DDR-Territorium.

      de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Br%C3%BCcken_in_Berlin/K

      Hier geht's nach Berlin


      und hier ging's in die DDR.


      So sah das 1961 kurz nach dem Mauerbau aus -

      Eine US-Militärkolonne hat die DDR passiert und erreicht Westberlin.

      und so in den Achtzigern.


      Ab 1988 hatten der Westberliner Zoll dann noch die rechte Spur für Fahrzeuge aus Polen reserviert, die im Gegensatz zu den Deutschen eine Zollkontrolle über sich ergehen lassen mussten.
      1988 erlaubte Warschau seinen Bürgern Reisefreiheit. Und die nutzten diese Möglichkeit zu Hunderten, zu Tausenden, um in die visumfreie Stadt Berlin zu fahren. Im Juni 1989 waren es 40.000, die kamen - jeden Tag. Sie reisten mit der Eisenbahn an - 1,80 Mark kostete das Ticket für Berlin-Stettin und zurück -, mit Autos und in Bussen, die an der Straße des 17. Juni parkten, einer hinter dem anderen wie heute die Touristenautos.

      Die Polen aber wollten sich nicht die Stadt anschauen. Sie wollten Waren verkaufen. Zum Beispiel T-Shirts, die in Polen umgerechnet 5 Pfennig kosteten. Die Rechnung war einfach: Wenn man in Berlin 20 Shirts für 2 Mark das Stück verkaufte, dann hatte man einen Monatsverdienst in Polen zusammen.

      Für ausländische Korrespondenten war der Polenmarkt das große Medienereignis im Frühsommer des Jahres 1989. Bilder, die kurz darauf nur vom Fall der Mauer übertrumpft wurden. Egal ob junge Männer, ältere Frauen, ob Lehrer oder Ärzte - sie alle breiteten am Reichpietschufer und später am Potsdamer Platz unweit der Philharmonie ihre Decken aus und boten darauf polnische Würste an, eingelegte Pilze, Kristall, Zigaretten, Schnaps. Es waren Bilder vom Handel in seiner Urform.

      taz.de/1/archiv/print-archiv/p…9ac03dce2a41d0fbd0bf65a5c

      Ich erinnere mich noch an die Kolonnen Ladas und Polski-Fiats, auf deren Dächern sich das Gepäck türmte, so dass das Auto oft doppelt so hoch war wie vorher.

      (wird fortgesetzt)
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Nice nice.....
      Ja, da kommen wieder alte Erinnerungen hoch.
      Die Berliner Grenzübergänge waren ja hunderte Kilometer
      entfernt. Aber der Transitverkehr Berlin Richtung Herleshausen
      oder Rudolphstein ging ja quasi an unserer Haustür vorbei.
      Mal schauen ob ich auch noch ein paar alte Bilder in der
      Kommode habe.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      @ COOLmann:
      Das wär nett. Vor allem nach Rudophstein komm ich ja ohne Auto kaum hin (bei Herleshausen müsste die Bahnstrecke
      Bad Hersfeld-Eisenach daneben durchgehen).


      Weiter geht's. Das Panzerdenkmal müsste noch vorhanden sein, wenngleich ohne Panzer, den haben die abziehenden russischen Truppen mitgenommen, auch damit er nicht pink oder rosa angemalt wird wie in Prag (inzwischen ist er auch dort weg). Der Weg ist ausgeschildert und geht auf der anderen, östlichen Seite in Richtung ehemalige DDR, d.h. wir sind, natürlich vollkommen unkontrolliert, schon drin. Den Blick auf die Autobahn versperrt wieder mal ein Zaun, diesmal aus Lärmschutzgründen.

      Und da isser schon, d.h. nicht der Panzer, sondern der stehen gelassene Sockel,

      mit einem rosa Schneepflug drauf (das ist irgendwie Kunst), und eingezäunt, damit er nicht wieder umgefärbt
      oder sonstwie verändert wird.

      Der Panzer, ursprünglich Teil eines Gefallenendenkmals für die zehn Toten der 4. Gardepanzerarmee, stand ursprünglich auf einem einfachen Klotz und wurde zweimal umgesetzt, zuletzt 1969 wegen der Verlegung der Autobahn auf DDR-Seite.



      So, das Panzerdenkmal ist jetzt abgehakt - weiter südwärts ist noch ein Grenzmuseum ausgeschildert, also weiter entlang an Autobahn und Zaun, bis eine Brücke den Weg versperrt und ich mühsam die steile Böschung hochklettere. Jetzt hat man einen guten Blick auf die ehemalige Kontrollanlage.

      So sah das mal aus (laut Gedenktafel, geschätzt Mitte 80er):

      Am oberen Bildrand in der Mitte steht ein viereckiger Kontrollturm, der ist als einziges Bauwerk übrig geblieben. Zwischen den Autos sieht man die überdachten Fliessbänder, auf denen die Pässe eines jeden Fahrzeugs mit Kfz-Schein in einer roten Hülle Richtung Abfertigungsschalter transportiert wurden. Der NVA-Grenztruppenmensch las die Nummer des ankommenden Fahrzeugs ab und winkte dann das Auto heran, kontrollierte die Gesichter und gab das Bündel zurück. Dabei lag ein Kontrollzettel, den man bei Ausreise unbedingt wieder abzugeben hatte.

      Das obige Bild ist wohl von einem 1990 demolierten Wachturm aus gemacht worden.


      Und so sieht das heute aus:


      Der Turm beherbergt das angekündigte Grenzmuseum, ist allerdings nur sonntags geöffnet. Die braunen Infotafeln geben einen kleinen Einblick und mir die Möglichkeit, Vergleichsbilder von "damals" einzubauen, denn damals dachte ich nicht daran, das Ganze aufzunehmen, zumal es strengstens verboten gewesen wäre.
      Und manchmal hält sich sogar ein Grizzly an Verbote :grins:
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Genau das ist der Punkt grizzly. In der DDR war das Fotografieren
      von militärischen Anlagen (insbesondere Grenzsicherungsanlagen)
      Objekten der Reichsbahn (besonders Bahnhöfe) und von wichtigen
      Industrieanlagen verboten. Diese Paranoia gegenüber vermeindlichen
      Spionen, Saboteuren und Terroristen kann man heute nur mit dem
      "Patriots act" in den USA vergleichen, wo selbst der Kauf eines
      Schnellkochtopfes ins gesellschaftliche Abseits führen kann.
      Also habe ich leider keine verwertbaren Fotos zu dem Thema in meinem
      Schrank gefunden.
      Die Grenze war für uns damals ein "unbekanntes" Wesen...
      verboten spannend, permanent tödlich aber trotzdem Teil unseres Weltbildes.
      Mit der "Harzquerbahn" sind wir damals mit Gänsehaut am 1. Grenzzaun
      entlanggefahren. (Mehrere hundert Meter vor der realen Grenze)
      DDR-typisch waren da immer Bahnpolizisten (Trapo) mit, die aufgepaßt haben,
      das keiner während der Fahrt austeigt. :zwinker2:
      Ansonsten war es gar nicht so einfach sich der Grenze zu nähern.
      Besuch in (west)-grenznahen Dörfern und Städtchen, selbst als Besucher
      von Freunden, Verwandten, FDGB- Ferienheimen oder medizinischen Kur-
      einrichtungen brauchten eine Sondererlaubnis oder als Einwohner einen
      Sichtvermerk im Personalausweis. So konnte ich in Nordhausen ohne
      Sondererlaubnis zB. keine Bahnfahrkarte nach Ellrich erwerben. Und unvergeßlich
      sind die Doppelstreifen der Trapo die alle Fernzüge Richtung Westgrenze schon
      zig Kilometer vor der Endstation auf eventuell verdächtige Subjekte (Republikflüchtlinge)
      gefilzt haben. Nach Nordhausen: aus Richtung Halle gleich hinter Sangerhausen beginnend,
      aus Erfurt war Sondershausen Startpunkt. Was sich zwar im Nachhinein etwas gruselig
      anhört hatte aber einen Nebeneffekt, den ich heute schmerzlich vermisse. Da viel
      "Sicherheitspersonal" unterwegs war gab es wenig Angst vor Straftaten in der Bahn.
      Als nächste Anstriche merke ich mal vor:
      * der Wahnsinn Begrüßungsgeld (Rudolphstein im Massenstau)
      * Kulturschock Einkaufscentrum (Supergau >Reizüberflutung<)
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Gag am Rande:
      Während ich die braunen Infotafeln neben dem Grenzturm studierte, kamen zwei junge Jogger an, der eine fragte mich was da sei. Ich erklärte es so gut ich konnte und reicherte das Ganze mit meinen eigenen Grenzerfahrungen an. Die beiden hörten interessiert zu - als sie geboren wurden, gab's die DDR nicht mehr.

      Der eine meinte, in der DDR sei sowieso alles viel besser gewesen, man hätte mehr für die Jugend getan und jeder hätte ein Auto gehabt ... Ich warf noch ein, dass man meines Wissens auf einen Trabbi mehrere Jahre hätte warten müssen, dann verhinderte einsetzender Regen eine Fortsetzung der Diskussion.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -