Der Daumen - ein fast ausgestorbenes Fortbewegungsmittel

      Der Daumen - ein fast ausgestorbenes Fortbewegungsmittel

      Wenn ich früher (70er, 80er) mit dem Auto unterwegs war,
      traf ich sie häufig, zum Teil in ganzen Menschentrauben -
      manchmal, v.a. wenn ich nachts allein unterwegs war
      und, schon um nicht am Steuer einzuschlafen, nach Gesellschaft gesucht hab,
      brauchte ich nur eine Raststätte anzufahren und wurde meistens fündig;
      aber in den letzten Jahren sind sie hierzuland fast ausgestorben:
      Die Tramper.

      Warum man kaum noch welche sieht, dafür gibt's verschiedene Gründe.
      Zum einen haben anscheinend viel mehr Leute schon in jungen Jahren Autos.
      Zum andern gibt's m.W. flächendeckend Mitfahrzentralen
      (wobei ich das nicht mehr genau weiss,
      weil ich lange Strecken allein fast immer mit der Bahn fahre,
      und im Gegensatz zu früher von MFZ keinen Gebrauch mehr mache),
      weiterhin sind Leute, die früher getrampt sind,
      heut oft mit Billigangeboten der Bahn
      oder auch diverser Fluglinien unterwegs.

      Anfang der 70er bin ich oft selber mit dem Rucksack an der Straße gestanden,
      mit einem Pappdeckel oder einem selbstgebastelten Schild,
      auf das ich mein nächstes Reiseziel mit Kreide draufschreiben konnte.
      Zum letzten Mal bin ich 1994 getrampt,
      von Büchen (Schleswig-Holstein) nach Zarrentin (Mecklenburg),
      weil grad kein Bus fuhr.
      Witzig fand ich, dass die Leute, die mich mitgenommen haben, mich alle duzten,
      obwohl ich zum Teil doppelt so alt war wie sie.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Ja, leider fast ausgestorben diese Möglichkeit - obwohl, ein wenig scheint es wieder aufzuleben... Vielleicht durch die horrenden Benzinpreise....

      Dennoch, z.Zt.leider fast ausgestorben diese Möglichkeit.
      Warum...

      Ich denke es hat bei Frauen etwas mit Angst zu tun, doch allgemein wohl auch mit Veränderungen der Verkehrsregeln und, ganz wichtig, unserer Gesellschaftsstruktur.

      Deutschland, ein Land, das immer ärmer wird... ?(

      Was denkt Ihr und würdet Ihr per Daumen versuchen Euer Reiseziel zu erreichen?
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      Kürzlich hab ich am Rand von Regensburg ein Pärchen gesehen mit einem Pappdeckel,
      auf dem stand: EINFACH WEG ...

      Leider konnten wir ihnen nicht helfen, da wir zu viert im Auto waren.
      *************************************************************

      1971 wollte ich mal von Düsseldorf aus zu meiner Schwester in Berlin-Spandau.
      An einer völlig verlassenen Ausfahrt östlich des Kamener Kreuzes blieb ich hängen.
      Stellte dann fest, dass 3 km weiter eine Raststätte war (Rhynern ?),
      hängte mein Schild mit der aAufschrift "Berlin" hinten auf den Rucksack
      und marschierte, die Autobahn entlang, los.

      Plötzlich sah ich einen alten Mercedes stehen,
      mit Warnblinker und offener Motorhaube.
      Dachte mir nix weiter dabei ausser, der hat wohl eine Panne.
      Plötzlich tauchte hinter dem Auto ein Mann auf und winkte:
      "Mach schnell, ich hab nicht so viel Zeit !"

      Hat der Gute,
      um einen Grund zu haben, verbotenerweise auf der Autobahn zu halten,
      eine Panne vorgetäuscht -
      und mich bis nach Spandau vor die Haustür gefahren ...

      Das letzte Mal hab ich's vor etwas mehr als einem Jahr in Kroatien versucht,
      als dauernd voll besetzte Busse an mir vorbeibretterten,
      und ich dann, um nicht den Totalfrust zu bekommen, meinen Daumen reaktivierte -
      hat aber nix gebracht.
      Und nach vier Stunden Wartezeit hat dann doch noch ein Bus gehalten
      und mich mitgenommen.

      Nachdem ich in den 70ern und frühen 80ern so gereist bin,
      hatte ich mir, aufgrund meiner im Regelfall guten Erfahrungen,
      eine Mentalität angeeignet, alles auf sich zukommen zu lassen -
      man stand sich zwar manchmal die Beine in den Bauch,
      aber irgendwann kam man richtig gut weg ...

      Ich konnte mir sicher sein,
      morgens z.B. in Hamburg, Berlin oder Heidelberg mich hinzustellen
      und dann abends an meinem Ziel anzukommen,
      nach dem Motto:
      "Und wenn Du meinst, es geht nicht mehr,
      dann kommt von irgendwo ein Auto her" ;)
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Original von Schnuppi (übernommen aus dem alten Forum) Stimmt ja auch. Nur ob das Auto anhält.... :denken:

      Wie dem auch sei, ich bin irgendwann auf den Trip der Mitfahrzentrale gekommen (eine, m.E., gute Alternative).


      Doch, Mitfahrzentrale ist nicht schlecht.

      Ich hab sie meistens als Fahrer genutzt.
      Z.B. damals, als Schnuppi und ich noch 400 km auseinander wohnten.
      Einmal fuhr ich abends todmüde los,
      holte den Menschen vor der Kasseler Mitfahrzentrale ab,
      fragte ihn, ob er fahren konnte,
      überzeugte mich noch ein paar Minuten davon, dass er auch gescheit fuhr,
      drehte meinen Sitz herunter und sagte ihm, er möge in Stellingen herunterfahren.

      Im Elbtunnel wurde ich wieder wach ...


      P.S.
      Ich hab jetzt einen eigenen Thread über Mitfahrzentralen gemacht.

      Dein o.g. Beitrag, Schnuppi, war übrigens grad an 1. Stelle bei Google,
      als ich "Mitfahrzentralen" eingegeben hab ...
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Einmal war's allerdings auch mir mulmig ... 8o

      Ich war ewig lang an der Raststätte Würzburg gestanden,
      bis ich ein Pärchen mit Fahrziel Speyer überreden konnte,
      mich bis Heidelberg mitzunehmen.
      Im Auto musste ich dann feststellen,
      dass der Fahrer einen religiösen Wahn hatte
      und sich für so eine Art Ersatzmessias hielt ... :evil:
      In einer Tour predigte er vor sich hin,
      seine Frau -deren Bemerkungen zu entnehmen war,
      dass das Drama erst ein paar Tage ging- war völlig fertig.

      Irgendwann, auf der Landstaße (!!), fing er an,
      auf der linken Spur zu fahren.
      Meine Bitte, mal wieder rechts zu fahren, beschied er mit
      "Gott hat mir befohlen, auf der linken Seite zu fahren -
      legen Sie Ihr Leben vertrauensvoll in Gottes Hände."

      Nun, soviel Gottvertrauen hatte ich nicht,
      so fragte ich ihn, ob er nicht etwas müde wär,
      und ob nicht ich weiter fahren sollte.
      Nachdem ich ihn so eine Zeitlang genervt hatte,
      blieb er stehen, mitten auf der dunklen Straße,
      und ich dachte, jetzt schmeisst er mich raus.
      Aber ich hatte Glück:
      "Wenn Sie in mich kein Vertrauen haben, dann fahren Sie selbst."
      Sprach's, verzog sich auf den Rücksitz und schmollte.

      Ich fuhr mit dem Auto bis vor meine Haustür in Heidelberg,
      dann übernahm er das Steuer wieder
      und ist, so hoffe ich, mit seiner Frau in Speyer heil angekommen.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Ob ich die Nerven gehabt hätte mich so zu verhalten. Ich bezweifel es.
      Spätestens wenn der Wagen zum stehen kam, wäre ich wohl abgehauen - hätte aber wohl die Polizei informiert.
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)