Streit um "Tatort Internet"

      Streit um "Tatort Internet"

      (aus spiegel.de)
      Stephanie zu Guttenberg hilft RTL 2 bei der Panikmache: In der Show "Tatort Internet" werden potentielle Kinderschänder in die Fernsehfalle gelockt. Doch statt Eltern und Kinder ernsthaft aufzuklären, setzt das skandalöse Format auf billige Schockeffekte.

      ( ... ) "Tatort Internet" will auf die Gefahr hinweisen, dass Kinder und Jugendliche online auf erwachsene Männer stoßen können, die sie sexuell bedrängen. Dafür hat RTL 2 ein Team um die freie Journalistin Beate Krafft-Schöning engagiert. Ihre Recherchemethode: Die 45-Jährige gibt sich in Chats und Social Networks als 13-Jährige samt Foto und Fake-Profil aus. Wenn erwachsene Männer sie kontaktieren, chattet sie unter Pseudonym mit ihnen. Machen diese sexuelle Anspielungen, reagiert sie zögerlich-neugierig ("was meinst du damit?") oder direkt ermunternd. Dabei kommen Dialoge heraus, die einem den Magen umdrehen - wegen ihres Inhalts, aber auch wegen ihrer Aufbereitung im TV. Vorgelesen werden sie nämlich von professionellen Sprechern, und da trieft die männliche Stimme so vor Anzüglichkeit und piepst die weibliche Stimme so vor Unschuld, dass man sich fragen muss, wie ernst die Sendungsmacher ihren Gegenstand wirklich nehmen. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass man sich das im Verlauf der Sendung fragt.

      ( ... ) RTL 2 nennt dazu keine Zahlen, weil es keine verlässlichen gibt - jedenfalls zu Übergriffen, die über das Internet angebahnt wurden. Was es an verlässlichen Zahlen gibt, nennt RTL 2 aber auch nicht. Wahrscheinlich, weil man weiß, dass sie eine ganz andere Sprache sprechen: 80 bis 90 Prozent aller Fälle von Missbrauch finden nämlich im sozialen Umfeld des Kindes statt, durch Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde der Familie: "Tatort Familie" - wer Kindesmissbrauch ernst nimmt, müsste hier ansetzen.

      ( ... ) Das eigentlich Schlimme bei der Kampagne rund um "Tatort Internet" aber ist: Mit diesem Ansatz wird kein Kind und kein Jugendlicher vor Übergriffen geschützt. Die Sendung stürzt sich auf die Täter und vergisst zu zeigen, wie man erst gar nicht zum Opfer wird. Informationen darüber, welche Chats und Social Networks vergleichsweise sicher sind? Fehlanzeige. Ein Gesprächsleitfaden, wie Eltern ihre Kinder über mögliche Gefahren aufklären können? Fehlanzeige. Ein Verhaltenskodex für Kinder, was sie online von sich preisgeben sollten und wie sie auf zweifelhafte Kontaktaufnahmen reagieren sollten? Fehlanzeige.

      Bei Social Networks wie SchülerVZ oder Jappy finden sich aber genau solche Informationen - für Eltern und für Kinder. Dass man sie bei einem vermeintlich aufklärerischen Format unterschlägt, kann man nicht anders als fahrlässig bezeichnen.
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      - Kurt Tucholsky -