Bihac in Bosnien 2009

      Bihac in Bosnien 2009

      Am letzten Samstag bin ich in Bihac eingelaufen (Bilder ab 5. Posting = 6.9.10/ erg. Grizzly)
      Mit dem :zug1: schoen langsam, polako, wie das hier heisst.
      Aber der Reihe nach:

      Von Zagreb aus bekommt man nur Tickets bis Novi Grad (2. Station hinter der kroatischen Grenze), nicht bis Bihac.
      In quaelender Langsamkeit schleicht der Zug bis zur kroatischen Grenzstation, dann werden die Loks umgespannt. In Doboj, hab ich gehoert, passiert das dann nochmal, weil man dann das Gebiet der Republika Srpska verlaesst und wieder in die FBiH kommt(kroatisch/muslimisch-bosnischer Teil von BiH, wozu auch Bihac gehoert).

      Gute Nachricht fuer alle Raucher:
      Sobald sich der Zug Richtung Bosnien in Bewegung setzt, darf gequarzt werden, was das Zeug haelt.

      In Bosanski Novi/Novi Grad (die Kroaten und muslimischen Bosnier sagen Bosanski Novi, die Serben Novi Grad, wobei Novi Grad im serbischen Teil Bosniens liegt) verlaesst man den Zug, der in einer ueber 400 km langen Schleife ueber Banja Luka, Sarajevo und Mostar (Bosnien) bis Ploce (Kroatien/Adria) geht, und wird auf einen uralten Waggon hingewiesen, der da einsam in der Landschaft herumsteht und erst 10 Minuten spaeter eine laermende Dieselrangierlok vorgespannt bekommt. Dort kriegt man auch die Fahrkarte nach Bihac.

      Der Waggon, d.h. unser Zug nach Bihac, ist uebrigens ein etwa 60 Jahre alter ehemaliger Liegewagen der Schweizer Bundesbahn mit vielen Rostloechern. D.h. wer muede ist, kann sich lang legen, und wer trotz offenen Fenstern usw. immer noch zu wenig Frischluft hat, kann auch bei offener Tuer fahren - stoert niemanden.

      Diese Kombination setzt sich irgendwann in Bewegung und zuckelt in ca. 90 Minuten die ca. 40 km von Bosanski Novi bis Bihac. Vor jeden der zahlreichen Bahnuebergaenge geht der Zug auf Schrittgeschwindigkeit herunter und die Lok laesst ein ohrenbetaebendes Getoese hoeren, bevor sie wieder Fahrt aufnimmt - natuerlich nicht allzuviel, schliesslich will man waehrend der Fahrt ja auch das wunderschoene Una-Tal gebuehrend bewundern. Fuer Fotofreunde ist das eine Super-Strecke !

      Es gibt uebrigens Geruechte, dass die derzeit ab Bihac stillgelegte Linie irgendwann wieder weitergefuehrt wird. Bis Ripac gibts immerhin schon Gueterverkehr.


      Mein Hotel ist mitten im Stadtzentrum (krachmaessig gehts), die Leute sind supernett, und es kostet grad mal 27€ die Nacht.

      Gestern war ich, ausser in Bihac im Kapitaensturm-Museum (bzw. was halt davon uebrig geblieben ist), ca. 20 km entfernt auf der Burg Ostrozac und bin von den dort herumbastelnden Kuenstlern zum Bier eingeladen worden. Stimmungsmaessig war das der krasse Gegensatz zu vorgestern :link:

      Bis Donnerstag bleib ich noch hier. Urspruenglich wollte ich mir ein Auto mieten, aber das war mir zu teuer, fuer die verlangten 100 Mark plus Benzin kann ich auch 100 km Taxi fahren und zwischendrin gibts Busse.

      Heute war ich wieder auf einer Burgruine (Sokolac) mit einer Wahnsinnsaussicht.

      Am Donnerstag gehts heim. Um 13h faehrt ein Bus nach Muenchen, der braucht ca. 12 Stunden bis dorthin, fuer 52€.
      Und mein Schulfreund aus dem nahegelegenen Petershausen hat mich trotz der spaeten Stunde noch zur Uebernachtung eingeladen :icon_thumbsup:

      Do vidjenja :winkewinke: und guts Naechtle !
      Lefteri :hut:


      P.S.
      Ist jetzt, glaube ich, etwas konfus geworden. Aber ich muss ins Bett.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      danke für deine Ausführung zur Fahrt mit dem Zug,

      weiterhin wünsch ich dir morgen eine gute Fahrt mit dem Bus nach München.
      auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann - 12 Stunden im Bus, ohne dass man sich bewegen kann :(
      erzähle bitte, wie es ist, so lange im Bus zu fahren...
      Sie haben gesagt, es gibt Pausen, an Raststaetten oder Restaurants. Und natuerlich nehme ich mir eine grosse Flasche Wasser mit.

      Ich bin in den letzten Jahren gelegentlich mit Fernbussen gefahren und hab es noch nie erlebt, dass sie keine Pausen machen. An den Grenzen zu Kroatien (naja, die kommt bald ...) u.v.a. Slowenien - das wird laenger dauern, da EU-Aussengrenze und fuer Bosnier im Gegensatz zu Kroaten und Serben unverstaendlicherweise visumpflichtig - wirds auf jeden Fall laengere Aufenthalte geben.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Auf die Fotos bei der Zugfahrt freue ich mich, nachdem ich den Bericht gehört und nun auch gelesen habe, sehr.

      Zur Busfahrt weiß ich gerade gar nix zu sagen, denn mit mir wollte Grizzly freiwillig sowas nie machen (ich wollte auf die Art schon gelegentlich mal Wochenendfahrten o.ä. machen, wenns auch ne Weile her ist) :nachfragen:
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      (8.8.09)

      Keine hundert Kilometer hinter Zagreb, der Zug ist schon fast zwei Stunden unterwegs, ist Kroatien zu Ende. Am Grenzbahnhof Volinja hält er eine Ewigkeit, wovon der Lokwechsel nur einen Bruchteil der Zeit in Anspruch nimmt.
      Zunächst wird mir bedeutet, dass ich die Loks nicht photographieren darf, auf meine Frage warum weiss keiner so recht zu antworten, es gibt - ohne meine Beteilung - eine längere Debatte zwischen kroatischen oder bosnischen Fahrgästen und den Uniformierten, und irgendwann kommt ein junger Mann zu mir, sicher kein Offizieller (kurzes Hose, T-Shirt, Badelatschen) und sagt nur ein Wort:
      "Slikate", machen Sie Bilder.

      Auf dieses Zauberwort hin klettere ich aus dem Zug (Bahnsteigkante fehlt) und lege los.


      Bahnhof Volinja


      Das ist die kroatische Lok, die fährt grad weg,


      und die wird uns jetzt weiterziehen. "Eisenbahnen der serbischen Republik" steht auf der Seite.


      Wie schon angekündigt, ab jetzt darf geraucht werden - sobald der Zug fährt :detective:

      Wir überqueren die Una, die hier die Grenze bildet und mich auf dem Rest meiner Bosnienreise begleiten wird.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Sowohl die kroatischen als auch die bosnischen (serbischen) Grenzkontrollen waren freundlich und beschränkten sich auf einen Blick in den Pass bzw. auf die Frage, ob man etwas zu verzollen habe - wahrscheinlich würde es die ganze Routine durcheinander bringen, wenn man etwas anmelden wollte. Nach einem Schweinegrippefreiheitsattest hat niemand gefragt ...

      In Bosanski Novi/Novi Grad muss ich umsteigen.
      Mit den Worten "Ihr Zug" verweist man mich auf einen einsamen Waggon, an den sich während der nächsten Minuten eine altersschwache Diesellok heranschiebt.



      Auch hier, offiziell: Feuer frei !



      Aus der Einrichtung sowie der Beschilderung in Französisch, Deutsch und Italienisch (die in der Landessprache ist erkennbar nachträglich eingefügt) kombiniere ich, dass es sich bei dem "Zug" um einen ausgedienten Liegewagen der Schweizerischen Bundesbahn handeln dürfte, Baujahr relativ kurz nach dem 2. Weltkrieg.


      Für Lüftung ist gesorgt (by the way: Die Toilette hab ich nicht aufgenommen, man will ja nicht unhöflich sein) ...


      und wer mehr Luft braucht, öffnet die Tür und hängt die Beine raus.


      Vor jeden der zahlreichen Bahnübergänge geht der Zug auf Schrittgeschwindigkeit herunter, die Lok laesst ein ohrenbetäubendes Getöse hören, bevor sie wieder Fahrt aufnimmt - natuerlich nicht allzuviel, schliesslich will man während der Fahrt ja auch das wunderschöne Una-Tal gebührend bewundern. Für Photofreunde ist das eine Super-Strecke !
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Hier hab ich einen interessanten Link über die Una gefunden - man kann auch alles mögliche andere
      über bosnische Städte/Flüsse/Sehenswürdigkeiten finden :link:


      Aber jetzt zu meiner Reise (Stand: 8.8.09)

      Der Bahnhof von Bosanska Krupa sieht ziemlich fertig aus,
      und die hellgrauen Güterwagen werden irgendwann im Gestrüpp verschwinden ...






      Nach ca. 45 km und knapp zwei Stunden fährt der Zug pünktlich in Bihac ein;
      der Bahnhof sieht nicht viel besser aus als die unterwegs, aber man baut dran.




      Alles was sich hier derzeit an Persondenverkehr bewegt, ist dieser "Zug", der zweimal täglich nach Bosanski Novi fährt, um den Anschluss an den "Trans-Bosnien-Express" zu gewährleisten. Allein ein verdächtig neu aussehendes
      (nachgedrucktes ?) Plakat erinnert an bessere Zeiten, indem es die Abfahrzeiten der Züge aus Bihac nach Split an die Adria, nach Zagreb, nach Belgrad und bis an die österreichische Grenze wiedergibt ...
      Oben ist die Gültigkeit dieses Plans angegeben: 1. Juni 1991 bis 31. Mai 1992.



      Vor dem Bahnhof ist tote Hose, kein Taxi, kein Bus, nicht mal ein alter Mann, der sich als Gepäckträger anbieten würde (was man an anderen Städten gelegentlich antrifft). Die Entfernung Bahnhof - Innenstadt variiert auf Frage zwischen einem und drei Kilometern, die Wahrheit liegt etwa in der Mitte.

      Auf dem Busbahnhof, an dem man vorbei kommt, ist deutlich mehr los. Da bin ich aber schon so nah an der Innenstadt, dass sich ein Taxi nicht mehr lohnt. Dort in der Nähe bekomme ich auch meine erste Mahlzeit in Bosnien, ein Pizza mit fast allen üblichen Zutaten drauf, die "kleine" für sechs Mark reicht vollkommen für mich.

      Dann rumpelte ich mit meinem Rollkoffer auch schon über die hölzerne Fußgängerbrücke (Achtung Autofahrer: Die Autobrücke zur Innenstadt ist wegen Bauarbeiten gesperrt und wird es wohl nicht eine Weile bleiben !), überquere den Platz, der bis vor kurzen Trg Marsala Tita (Marschall-Tito-Platz) hiess und jetzt in Trg Slobode (Freiheitsplatz) umgetauft wurde, an dessen oberem Ende sich mein Hotel (rotes Gebäude) befindet.



      Wenn man davon absieht, dass die Hotelzimmer im 2. Stock sind, ohne Aufzug, war das Avlija eine Superempfehlung (von Alen aus dem Balkan/Bosnienforum). Preis pro Nacht incl. Frühstück 52 Mark oder 27€, die Leute total nett, wuschen mir sogar meine Wäsche. Dusche und Klo auf dem Zimmer, und als besonderes Extra ein paar Filzpantoffeln im Zimmer.

      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      (9.8.09)

      Hab bei geschlossenem Fenster geschlafen, wegen des Diskolärms vom anderen Una-Ufer. Den gibt's übrigens jeden Tag, nicht nur am Wochenende. Vielleicht ist es im Winter leiser. Die Hotelfenster sind aber so gut isoliert, dass man bei schlossenem Fenster gut schläft.

      Von meinem Fenster aus sieht man die Una,


      wenn man den Platz überquert hat, steht man schon fast an der Brücke




      und mein "Stammlokal", das Gurman, in dem es keine Speisekarte gibt,
      sondern die Wirtin sagt was sie hat, ist auch nur ein paar Schritte weiter weg.


      Den Turm der Kirche Sveti Ante (St. Anton) sieht man schon von weitem, wenn man auf die Stadt zukommt. Mehr als der Turm ist allerdings seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr übrig. Damals war Bihac zeitweise Hauptstadt der von den Partisanen Titos befreiten Gebiete Jugoslawiens, wurde aber später von deutschen Truppen besetzt und weitgehend zwerstört.


      Besser hat die Fethija-Moschee die letzten drei Kriege überlebt.




      Die Einschläge aus dem letzten Krieg, in dem Bihac vier Jahre lang belagert und beschossen wurde,
      sind, auch wenn man schon vieles repariert hat, noch deutlich zu sehen.


      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Scheinbar nur wenige Kilometer entfernt von Bihac liegt die Burgruine Sokolac.
      Mein Taxifahrer fährt trotzdem ca. 20 Minuten und verlangt 15 Mark, d.h. es werden 12-14 km sein, und es ist eine ordentliche Kurverei. Unterwegs kommen wir an einem neu angelegten großen Friedhof vorbei, das ist der Extrafriedhof für die Kriegsopfer 1992-95, als Bihac belagert wurde. Zeitweise seien serbische Truppen bis zur Burg Sokolac vorgedrungen sein und hätten von dort aus mit ihrer Artillerie auf Bihac geschossen, erzählt der Fahrer - da ist es vielleicht doch gut, dass die Ruine etwas weiter weg von Bihac gelegen ist.


      An einem steilen Fußweg werde ich herausgelassen - kaum bin ich ausgestiegen, kommt ein alter Mann und zeigt mir einen besser begehbaren d.h. breiteren und nicht so steilen Weg.


      Der Weg könnte von einem Traktor oder Geländewagen befahren werden und man kann ihn gut wandern - da ich nicht weiss, ob hier einmal Minen waren, achte ich darauf, den Weg nicht zu verlassen, weil ich denke, auf einem Weg werden in den 14 Jahren seit Kriegsende so viele Leute gegangen sein, dass zumindestens auf dem Weg keine Minen mehr sind. Zumal mir der Taxifahrer oder der Alte sonst etwas gesagt hätten, denke ich mal.


      Die Aussicht ist beeindruckend.




      Daran, dass die Burg Sokolac eine Ruine ist, sind ausnahmsweise weder die Nazis noch die Serben oder eine andere Balkankriegspartei schuld - das ist schon ein paar Jahrhunderte früher passiert - aber wer oder wann das war, hab ich bisher nicht herausbekommen.

      Auf jeden Fall geht's hier rein.








      Inzwischen bin ich wieder den Burgberg hinabgeklettert, jetzt über den schmalen und steilen Weg, den mir der Taxifahrer gezeigt hat. Das Dorf am Fuß der Burg heisst ebenfalls Sokolac.


      Die im Krieg zerstörte Moschee ist wieder aufgebaut - daneben steht ein Denkmal für die Kriegsopfer aus dem Dorf,
      wie an vielen Orten in Bosnien oder Kroatien - Serbien wohl auch, da habe ich's nur nicht selbst gesehen.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Aufgrund meines Gastspiels in dieser Region 1975 wollte ich doch einmal nach Ripac, dem Dorf, in dem ich zwei Tage zugebracht hatte, als deutscher Tourist für die Dorfkinder die Attraktion war, und von wo ich mit einheimischen Bekannten, zu denen ich leider auch den Kontakt verloren habe, per Schlauchboot die Una hinunter geschippert bin, über Bihac bis Bosanska Krupa.
      Der Taxifahrer, dem ich das erzähle, fragt nach: "Ah - Rafting ?"

      Rafting - im Prinzip ja.
      Heute sieht man immer wieder Kanufahrer auf der Una. Nur damals war das total unüblich, unsere beiden Boote waren die einzigen weit und breit, und das Wort Rafting kannte niemand.

      Wir fahren also nach Ripac - ca. 10 km von Bihac entfernt - und stoppen an einer Bushaltestelle. Der Fahrer fragt, ob die jungen Männer, die neben dem Kiosk ihr Bier trinken, jemand aus dem Ort kennen, der schon vor 35 Jahren in Ripac gewohnt hat. Schliesslich fällt mir der Name Meho Dupanovic ein, bei dem ich übernachten durfte, und der mit mir und zwei deutschen Campern Bier, Slivovitz und Kruskovaca trinkend in gebrochenem Deutsch seiner- und gebrochenem Kroatisch meinerseits diese Nacht zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht hatte.

      Meho Dupanovic - den gibt's noch, sagen sie, und laden mich zu einem Bier ein.
      Du musst über drei Brücken gehen und dann links.
      Der Taxifahrer hat mir seine Handynummer hinterlassen und ist inzwischen weg.

      Erstmal verpasse ich die Abzweigung und lande an der wieder aufgebauten Moschee. Dort findet sich an der Gedenktafel für die Kriegsopfer der Name Dupanovic viermal, Meho ist nicht dabei.



      Neben der Una geht ein Fußweg die Una hinunter. Ruinen sieht man nur noch vereinzelt, die Bautätigkeit ist enorm, und viele Häuser sehen (schon wieder ?) richtig schmuck aus.





      Zwischen den Inseln gibt es ein Restaurant - wie ich später erfahre, stand dort früher die alte Wassermühle, in deren Ruine ich damals beinahe übernachtet hätte.




      Hinter der zweiten Brücke frage ich einen alten Mann nach Mehos Haus, er kommt mit, und nach einigem Suchen haben wir es gefunden. Er klingelt, und schliesslich kommt ein Mann Mitte siebzig heraus.
      Ich stelle mich vor und erkläre, dass ich vor 34 Jahren einmal seine Gastfreundschaft geniessen durfte.
      Er erinnert sich an nichts, und schliesslich stellt sich heraus, dass er zu dem fraglichen Zeitpunkt nicht in Ripac war.
      Es gibt noch einen Meho, das heisst, es gab ihn.
      Mein Begleiter meint, er sei zu Beginn des Krieges erschossen worden, wie so viele in Ripac.

      Ich verabschiede mich von den beiden und gehe in gedrückter Stimmung Richtung Restaurant zurück. Die Schönheit der Umgebung kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht so recht geniessen.





      Ich komme mir vor wie einer, der 1925 eine Nacht in der Dresdener Innenstadt verbracht hat, und 1959 wieder kommt,
      um seinen Gastgeber zu suchen - da wo kein Stein mehr auf dem andern geblieben ist.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Dankschön für die :blreich: lieber Hälsing.
      Es hat schon seinen besonderen Reiz, in Länder zu reisen, in denen man als Tourist noch Seltenheitswert hat, und das ist in Bosnien, Sarajevo und Mostar vielleicht ausgenommen, ja der Fall - ich bilde mir ein, dass ich aktuell in Bihac der einzige Tourist ohne Migrations- oder UNO/EU-Verwaltungshintergrund war. Jedenfalls war ich zeitweise der einzige Gast im Avlija, und das Hahn-im-Korb-Gefühl ist ein schönes, find ich jedenfalls
      :grins:


      Drei Tage später war ich wieder in Ripac.
      Ich wollte in dem wunderschönen Restaurant essen, slap=Wasserfall heisst es, und um ein bissl durchs Dorf über die Inseln spazieren zu gehen. Der Bus geht nur dreimal am Tag, also ist wieder mal das Taxi dran.

      Im Slap kämpfte ich mich durch die Speisekarte, als ich auf englisch angesprochen wurde, ob ich Hilfe brauche. Wär zwar nicht unbedingt nötig gewesen, aber einem netten Gesprächsangebot gehe ich nie aus dem Weg, und so landete ich bei einer kroatisch-bosnischen Gruppe am Tisch.

      Erzählte zum x-ten Mal meine Ripac-Geschichte, und als ich den Namen Meho Dupanovic erwähnte, meinte einer:
      "Das war mein Cousin !"
      Ich beschrieb seiner Gastfreundschaft und die durchzechte Nacht - "ja, das war Meho."
      Tatsächlich war er noch vor Kriegsbeginn gestorben, an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

      Es wurde noch eine lange Unterhaltung. Ich hatte das Gefühl, dass er, auch wenn ich kaum etwas von ihm weiss,
      durch meine Suche und das Ergebnis derselben wieder zum Leben erweckt worden ist - wenigstens ein bisschen.

      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Ich bin noch ein bissl in Ripac herumspaziert. Vieles ist inzwischen wieder auf- oder dazugebaut, aber manches muss noch reaktiviert werden, wie die Bahn zum Beispiel. Nach Kriegsende 1995 sind hier einige Züge gefahren, aber seit einem Grenzkonflikt mit Kroatien 1998 ist hier erstmal dicht. Früher war das die Hauptstrecke von Zagreb nach Split an die Adria, über Bihac - Martin Brod - Knin.



      Dabei sehen die Bahnübergangsschilder noch relaitv neu aus ...


      ... während die Warnung, den Oberleitungsdraht nicht zu berühren, da sonst Lebensgefahr,
      nicht mehr ganz zeitgemäß ist, mangels Strom.


      Der Bahnhof von Ripac gehört den Hühnern und Katzen,






      Immerhin zeigen holzbeladene Güterwagen und eine fahrende Lok, dass sich
      zumindestens zwischen Bihac und Ripac bahntechnisch ein bissl was tut :icon_thumbsup:


      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Ich weiß immer noch nicht so recht, was ich zu diesem Bericht sagen kann - er beschäftigt mich sehr!

      Merkwürdigerweise habe ich diese 2 Fotos :un:





      sehr in meinem Kopf, obwohl sie mit Sicherheit für die meisten wohl "Bedeutungsloser" sind, als die anderen Aufnahmen.

      Irgendwie ist dieser Thread für mich ein Abtauchen in eine ganz andere Welt und da brauche ich Zeit um mich zu sortieren und äußern zu können - zumindest so, das es nicht völlig konfus ist.
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      (10.8.09)

      ... "Reise in die Verlorengegangenheit" ...


      In Ostrozac ist auch einiges verloren gegangen, aber nicht nur. Dort muss ich aber erstmal hinkommen.
      Dazu gehe ich zum Busbahnhof , der sich seit 2005 herausgemacht. hat Der Platz ist geteert, es gibt eine Abfahrhalle mit relativ übersichtlichem Fahrplan, und die Gastronomie in der Umgebung ist OK.
      2005 war ich schon einmal für ein paar Stunden in Bihac (von Slunj/Kroatien aus) und es sah trostlos aus hier. Der Busbahnhof ein Schotterplatz, kein Abfertigungsgebäude (jedenfalls habe ich keines gesehen), bettelnde Kinder, kein auffindbarer Busfahrplan - die Abfahrzeiten musste man von den Fahrern des jeweiligen Busses erfragen.

      Nach Cazin fahren relativ oft Busse, und ich erwische grad noch einen, die Fahrkarte kostet 4 Mark. Bis kurz vor der Bahnstation Cazin/Srbljanje gehts durchs malerische Una-Tal, danach schraubt sich der Bus die Serpentinen hoch, bis Ostrozac, da will ich hin. Denn die dortige Burg war mir schon bei der Anfahrt vom Zug aus aufgefallen.











      Je näher man der Burg kommt, desto schauriger sieht sie aus, weil die Kriegsspuren immer unübersehbarer werden.


      Kein Verbotsschild und keine verschlossene Tür hindert einen, sich die Verwüstung anzusehen.


      Zum Teil sind ganze Decken eingestürzt.




      Man bekommt widersprüchliche Bilder in Ostrozac. Im Kontrast zu dem Trümmerhaufen, den das Schloss bietet, stehen die Künstler im Burghof, die hier seit über 40 Jahren aktiv sind, und deren Werke nicht nur dort, sondern auch in Bihac und anderswo zu sehen sind. Man kann ihnen bei der Arbeit zugucken, und man wird mitunter auch zu einem Bier eingeladen.







      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -