Lumumba und der Glühweinstand/Sprachrassismus

      Lumumba und der Glühweinstand/Sprachrassismus

      Alle Jahre wieder ...
      gibt's auf den Weihnachtsmärkten Glühwein mit und ohne Schuss, das Ganze auch ohne Alkohol und - Lumumba. Das soll eine Mischung aus Rum und Kakao sein, wahlweise mit Sahne oder ohne. Und mich regt das jedes Mal tierisch auf, dass der durchschnittliche Bundesbürger den Namen des kongolesischen Freiheitskämpfers Patrice Lumumba, der 1962 auf Befehl des CIA und der belgischen Geheimdiensts ermordet wurde, hierzulande nur noch als dubioses Mischgetränk bekannt ist.

      Fast nur noch.
      Ich frag jedes Jahr an den Glühweinständen nach. Die meisten Verkäuferi/innen wissen das tatsächlich nicht, höeren aber interessiert zu und reagieren nachdenklich. Bei den Kunden gibts manchmal welche, die den Namen noch kennen, bei gelernten DDR-Bürgern sieht's ein bissl besser aus als bei Westlern.

      Und, das ist neu, die Bezeichnung verschwindet langsam. Etwa an der Hälfte der Stände der Stände um die Hamburger Mönckebergstraße steht nicht mehr der Name, sondern neutral "Kakao mit ...". Ähnlich wie es zum Glück kaum noch Mohrenköpfe oder Negerküsse mehr gibt, die heissen jetzt meistens Schokoküsse.
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      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Nach meinem letzten Containertagebuch, der Nr. 60, wurde ich wegen meiner Ausdrucksweise von "Pro Bleiberecht Mecklenburg-Vorpommern" kritisiert (ist im Internet bereits korrigiert).

      Zum einen hatte ich geschrieben, dass der tschetschenische Flüchtling "bei Nacht und Nebel" aus seinem Bett gerissen und gefesselt und verblindet in den Hamburger Abschiebeknast gekarrt wurde. Wollte sagen, zur nachtschlafenden Zeit, bzw. zur völligen Unzeit, wo man die Leute normalerweise schalfen lässt. Jetzt ist "Nacht und Nebel" ein Nazi-Ausdruck, der von einem Terrorerlass herrührt, dem Tausende zum Opfer gefallen sind.
      Adolf Hitlers NN-Erlass (später oft mit «Nacht-und-Nebel» übersetzt) vom 7. Dezember 1941 richtete sich gegen Zivilpersonen in den von Deutschland besetzten Ländern. Die Wehrmacht bekam den Auftrag, Menschen, die des Widerstands gegen die Besatzungsmacht verdächtigt wurden, nach Deutschland zu verschleppen. Zur Abschreckung liess man die Angehörigen im Ungewissen über das Schicksal der Verhafteten. Gegen 7000 Menschen verschwanden auf diese Art; viele starben in der Haft.

      Was nach dem Krieg als «Nacht-und-Nebel»-Erlass bezeichnet wurde, war ein Führererlass vom 7. Dezember 1941 mit dem langen Namen «Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten». Darin beauftragte Hitler den Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel, gegen «kommunistische Elemente und andere deutschfeindliche Kreise» in den besetzen Gebieten vorzugehen. Für Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht sei «grundsätzlich die Todesstrafe angebracht». Nach Möglichkeit sollten die Täter aber zur Aburteilung nach Deutschland gebracht werden. Für das Verfahren ordnete Hitler Geheimhaltung an: «Deutschen und ausländischen Dienststellen ist auf Fragen nach solchen Tätern zu erklären, sie seien festgenommen worden, der Stand des Verfahrens erlaube keine weiteren Mitteillungen.»

      Bald schon erkannte die nationalsozialistische Führung, dass das geheime Verschleppen verdächtiger Personen ein geeignetes Einschüchterungsmittel war. Im Februar 1942 ordnete Keitel an: «Die abschreckende Wirkung dieser Massnahmen liegt a) in dem spurlosen Verschwindenlassen der Beschuldigten, b) darin, dass über ihren Verbleib und ihr Schicksal keinerlei Auskunft gegeben werden darf.» Die Nazis erfanden damit ein Terrorinstrument, das bis heute von Militär- und anderen Diktaturen angewandt wird.

      Im amtlichen Verkehr nannten die nationalsozialistischen Behörden die Verschleppten «NN-Häftlinge», ihr Geheimprozess hiess «NN-Verfahren» oder «NN-Sache». Die Abkürzung NN stand wohl für «nomen nescio» (lateinisch: «den Namen weiss ich nicht» = Name unbekannt), was zur Geheimhaltung passen könnte. Doch schon in Nazi-Deutschland wurde NN teilweise mit «Nacht und Nebel» übersetzt – was ebenfalls das Vorgehen schwülstig versinnbildlichte. Erst nach dem Krieg, mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen von 1946, wurde der Führererlass vom 7. Dezember 1941 allgemein «Nacht-und-Nebel»-Erlass genannt.

      Der «Nacht-und-Nebel»-Erlass galt bis August 1944. In dieser Zeit verschleppten die Nationalsozialisten rund 7000 Zivilpersonen aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen nach Deutschland. Bis Ende April 1944 wurden mindestens 340 von ihnen zum Tod verurteilt. Wie viele der übrigen Deportierten im Gefängnis und in Konzentrationslagern starben, liess sich nach dem Krieg nicht mehr feststellen.

      Quelle: gra.ch/bildung/gra-glossar/beg…s/nacht-und-nebel-erlass/

      Natürlich könnte man einwenden, der Umgang mit Geflüchteten durch entmenschte Ausländeramtsbürokraten erinnert schon sehr an diese Verbrechen. Aber man sollte zumindestens wissen, dass es ein Nazi-Unwort ist.
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      - Kurt Tucholsky -
      Zum andern ist zumindestens bei Teilen der Linken in diesem Bundesland der Ausdruck "Meck-Pomm" unbeliebt. Er suggeriert, es gäbe ein Land Mecklenburg-Pommern, was die polnischen Provinzen Pommern und West-Pommern (um Stettin/Swindemünde) einschliesst. Was natürlich falsch ist. Solche Versuche gab es immer wieder, wzB die Wetterkarte der ARD, die bis 1970 Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigte, dh BRD, DDR und die polnisch/sowjetischen Gebiete östlich von Oder und Neisse zeigten, oder die "Ostzonenverzeichnis" für Autokennzeichen, das im Bundesarchiv entdeckt wurde, entwickelt von nationalisitschen Bürokraten für den Fall der "Wiedereroberung der Ostgebiete".

      Wobei im Netz für einen derartigen Sprachmissbrauch nichts zu finden ist, von mir jedenfalls nicht.
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      - Kurt Tucholsky -
      Diese Sprachverwirrung ist zwar lästig aber allenfalls von
      untergeordneter Bedeutung. Denn es werden sich immer
      wieder im Sprachgebrauch Formulierungen finden die
      gewollt oder ungewollt bei Individuen ablehnende Wertungen
      erfahren. An einer Bezeichnung wie zB. "Lumumba" für ein
      Getränk aus Zutaten dieser Region kann ich nichts Kultur-
      zerstörerisches finden.
      "Meck-Pomm" ist eine traditionelle Abkürzung für das
      Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Und ihr seht schon,
      das fehlende "Vor" bei "Meck-Pomm" ist einzig und allein der
      Faulheit der Leute beim Reden geschuldet. Wer daraus einen
      revanchistischen Hintergedanken konstruiert der kriminalisiert
      die Benutzer der regionalen Sprachkultur.
      Ein Beispiel für ein internationales Opfer der ideologischen Sprachbeugung:
      "Cuba libre" (Spanisch für "Freies Kuba")
      Quelle: wikipedia
      Der Name soll entstanden sein, als nach Ende des Spanisch-
      Amerikanischen Krieges US-amerikanische Soldaten mit der Kombination
      aus Coca-Cola, Rum und Limettensaft auf die Befreiung Kubas von der
      spanischen Kolonialherrschaft anstießen (Viva Cuba libre, zu deutsch: „Es
      lebe das freie Kuba“). Der Drink gewann in Europa nach dem Ende des
      Zweiten Weltkrieges an Popularität, als der Ohrwurm Rum and Coca-Cola
      der Andrews Sisters im Radio gespielt wurde. Nach der kubanischen
      Revolution und der Flucht vieler kubanischer Gegner Fidel Castros nach
      Florida gewann die Kombination aufgrund ihres politische Assoziationen
      weckenden Namens wieder an Brisanz. In Anspielung auf das ehemalige
      und gegenwärtige Regierungssystem unter Fidel Castro und Raúl Castro
      seit der Kubanischen Revolution wird das Getränk insbesondere von
      Exilkubanern auch Mentirita (spanisch für „kleine Lüge“) genannt.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.