Grizzly erfüllt die Maastricht-Kriterien

      Grizzly erfüllt die Maastricht-Kriterien

      ... zumindestens indem er zweimal diese wunderschöne Stadt besucht hat.

      27.10.2017
      Der aus dem ehemaligen Zwergstaat Neutral-Moresnet kommende Bus schraubt sich über in dieser Region un übliche Serpentinen erst hoch, vorbei am höchsten Berg der kontinentalen Niederlande, dem Vaalser Berg (322m ü.NN) - höher ist nur noch der Vulkan Mount Scenery auf der Karibikinsel Saba, die als "besondere Gemeinde" ebenfalls zu den Niederlanden gehört. Dann geht's runter nach Vaals.

      Da sich mein für diesen Tag erworbenes Euroregio-Ticket sonst nicht rentieren würde, nehm ich den nächsten Bus nach Maastricht, der von Aachen kommend meist alle halbe Stunde fährt. Am dortigen Bahnhof "Maastricht Centraal" muss ich, wie könnte es anders sein, eine Riesenbaustelle (für eine unterirdische Fahrradgarage) überqueren. Inzwischen haben wir fortgeschrittenen Nachmittag.



      Ich bin vollkommen ohne Plan hier angekommen und frage zwei junge Frauen, was man hier anschauen könnte. Sie sind übrigend Deutsche, wie hier viele, vor allem Student/inn/en:
      "Die Altstadt." Hinter der Baustelle rechts und dann geradeaus, bis über die Brücke.

      Also erstmal über den Kreisel mit der Mariensäule,


      dann über die Brücke,






      und schon sind wir in der Altstadt.


      Die Straßenschilder, wie auch die Ortstafeln seit der Grenze, sind zweisprachig. Oben in offiziellem Niederländisch, unten im Limburg-Maastrichter Dialekt.



      Dann kommt man auf einen großen Platz mit zwei Kirchen, auf dem eine Mädchengruppe Fußball spielt und eine Gruppe bunter Figuren steht. Ich dachte zuerst, das ist der Markt, der in Maastricht auch so heisst (irgendwo hab ich einen Ministadtplan ergattert), aber nein, der ist woanders, und dieser Platz heisst Vrijthof. Das hört sich zwar wie "Friedhof" an, aber wie Wikipedia/NL sagt (eine passende deutsche Erklärung gibt's nicht, die sagen einfach "Friedhof"), ist das ein Platz um oder vor einer Kirche, auf dem Gräber gewesen sein mögen oder nicht - vriten, aus dem das Wort Vrijthof entstanden ist, heisst "begünstigen", dh das war der Platz für die Begünstigten, und man möge das Wort niet verwarren mit kerkhof, dem niederländischen Wort für Friedhof.




      Die Figuren sind den Karnevalsbläsern nachempfunden, die hier in den tollen Tagen u.v.a. am Faschingsdienstag auftreten und mit allem, was bei Hineinblasen und -tröten Töne macht, solche hervorrufen, Melodie zweitrangig, so steht's jedenfalls im Stadtführer.

      Am Rand des Vrijthof stehen zwei Kirchen nebeneinander - was hat das zu bedeuten ? Normalerweise wird angebaut, wenn eine Kirche zu klein wird, mit entsprechendem Baustilsalat, wie schon beim Aachener Dom deutlich zu sehen ist. Die erste Antwort, die ich bekomme, klingt logisch: "Die ältere ist für die Katholiken, die neuere für die Protestanten".



      Grübel :kratz:
      Die romanische Sint Servaasbasiliek ist zweifellos die ältere, es gibt Berichte über sie aus dem 4. Jahrhundert.





      Aber Sint Jan mit dem markanten roten Turm
      ist auch schon im 13. Jahrhundert erwähnt, da gab's noch keinen Luther, Calvin o.ä.
      Auf der Infotafel am Turm steht, es war eine Taufkirche. Deshalb auch Johannes dem Täufer geweiht. Hintergrund der Taufkirchen: Ungetaufte durften nicht in die Kirche. Aber zum Taufen mussten sie dorthin. Was tun ?
      Deshalb gab's, vor Einführung der Kindertaufe, extra Taufkirchen, wo man diesen Makel beseitigen konnte. Zudem wurden die Täuflinge gelegentlich auch weitgehend unbekleidet in Ganzkörpertaufbecken getaucht (ob hier, weiss ich nicht). Und nackt in einer offiziellen Kirche ? Das geht ja gar nicht.

      1618, als in den Niederlanden die Religionsfreiheit eingeführt wurde, brauchte man keine Taufkirchen mehr, weshalb die Maastrichter Protestanten die Sint Janskerk "erbten".

      Neben der Sint Servaasbasiliek steht ein rathausähnliche Gebäude,
      aber es ist wieder mal kein Rathaus, sondern die frühere Stadtwache.



      Auf dem Glockenturm des Dinghuis hatte früher Brandwächter seinen Beobachtungsposten, heute ist die Touristeninformation dort untergebracht. Dort soll grad Feierabend gemacht werden, da erbarmt sich der gute Unformator eines neugierigen Touristen und verkauft ihm einen Stadtführer, damit der bei seinem nächsten Besuch nicht mehr so ahnungslos herumtappt.

      Für heute isses erstmal gut, der Magen will gefüllt sein, gemäß der Maastricht-Kriterien, die Füße tun weh, zum Photographieren wird's eh zu dunkel und beim Essen kann man den Stadtführer studieren.


      Den Rückweg danach zum Bahnhof finde ich inzwischen, und der nächste Bus nach Aachen (Nr. 350) ist meiner. Aber die Stadt sieht mich während dieses Urlaub nochmal wieder, so viel ist schon klar.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      29.10.2017

      Irgendwie isses schon wieder Mittag geworden, bis ich bei Nieselwetter die einstündige Busfahrt über die Grenze angetreten habe. Im Bahnhof angekommen, ertönt Klaviermusik, nicht mal so schlecht, von einem Instrument, das mitten im Bahnhof steht und auf dem jeder, der sich dazu berufen fühlt, herumklimpern kann.



      Dann gleich über die Sint Servaas Brug, rein in die Altstadt-Fußgängerzone.


      Fiets ist ein Fahrrad, ein Bromfiets eines das brummt, aber was ist ein Snorfiets ? Eins das schnurrt ?
      Ein E-Bike ?
      Internet hab ich im Ausland nicht, das Rätsel musste ich mit über die Grenze mitnehmen.
      Google erklärt's:
      Ein Bromfiets ist ein Moped mit erlaubten 45 km/h, mit dem Snorfiets darf man nur 25, ein Mofa also.

      Stolpersteine auch hier - von 180.000 Juden, die während der Nazibesatzung in den Niederlanden lebten, wurden 110.000 deportiert. Von ihnen kamen nur 6000 zurück.


      Unweit der Stadtmauer,


      zum Teil unterirdisch, fliesst die Jeker, die mitten in der Stadt die Bisschopsmolen antreibt. Diese Mühle ist noch vollkommen intakt, das Mehl wird in der angeschlossenen Bäckerei verbacken. Auf dem Weg durch die Innenstadt kann man sie leicht übersehen.









      Bevor die Jeker dann in die Maass mündet, fliesst sie durch einen Teil des Frontenpark - Reste der alten Stadtbefestigung.













      Das war eine Salutkanone für einlaufende Schiffe, da passierte nix.



      Vor Ort wird das Salutschiessen als praktische Maßnahme erklärt, nämlich dass die Schiffe ohne geladene Kanone einlaufen und diese deshalb abschiessen sollten, damit's innerhalb der Mauern nicht auf einmal rumst - aus Versehen.
      Und der Schuss landseitig signalisierte: Verstanden.

      Irgendwie hab ich mich dann doch wieder ins Zentrum vorgearbeitet, auf den Markt mit dem Rathaus.
      Dort hat grad ein solcher stattgefunden, die Bauern und Händler bauen eben die Stände ab.



      Hinter dem Rathaus steht ein Denkmal mit einer brennenden Fackel, die plötzlich erlischt. Daneben ein Automat,



      den man mit einem Euro füttert und damit die Fackel wieder zum Leuchten bringt.



      Das Ganze ist Jan Pieter Minckeleer gewidmet, der im 18. Jahrhundert u.a. die Brennbarkeit von Gasen entdeckte.



      Langsam wird's dunkel, ich bin hungrig und irgendwann fährt der Bus.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Bin anhand der Fotos mit durch die Stadt gebummelt.
      Muß schon sagen...sieht alles sehr aufgeräumt aus.
      Also richtig fein gemacht für die Touristen. :icon_thumbsup:
      Was mir so in den Sinn kam: In welchen Gebäude war
      eigentlich heute vor 26 Jahren die Unterzeichnung der
      Maastricht-Verträge?
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.