Fluechtlingsbetreuung/Containertagebuch

      Containertagebuch Nr. 14 Teil 2

      Von einer syrischen Mutter hab ich heute erfahren, dass man auch dort Schlümpfe kennt, oder zumindestens die Namen einzelner Figuren (die mir, da kinderlos und erst im Erwachsenenalter mit der Welt der blauen Männchen konfrontiert, unbekannt geblieben sind). Den Sammelbegriff auf arabisch konnte sie mir nicht nennen, bzw. reichte dazu ihr Bröselenglisch und mein noch rudimentäreres Arabisch nicht.

      Immer wieder kommen Menschen zu uns, die misshandelt wurden. Zufälligerweise entdecken wir (H. schneller als ich) beim Lungeabhören kleine Striemen quer zum Rücken wie von Peitschenschlägen, was der Begleiter des 17jährigen afghanischen Patienten auch bestätigt. Mehr sagen möchten beide nicht.

      Was der junge Syrer hinter sich hat, der heute gegen Ende der Sprechstunde wild gestikulierend zu uns hereinkommt, bekommt auch H. nicht heraus, dafür erkenne ich bald auch ohne ausreichende Sprachkenntnisse, dass der Mann eine böse Psychose hat. Er erklärt umständlich, dass man ihm übel mitgespielt habe, auch hier in Deutschland, und wir sollten ihm ein Zimmer mit einem Bett besorgen, wo er seine Ruhe habe. Ich lasse ihm erklären, dass ich als Arzt ihm ein solches Zimmer nur im Krankenhaus besorgen könne, und damit ist er einverstanden.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      An Striemen auf dem Rücken müssen wir uns im Zusammenhang
      mit muslimischen Migranten wohl gewöhnen. Denn in Staaten mit
      dem Koran als Rechtsgrundlage sind Stockschläge Teil der staatlichen
      Rechtsprechung und wohl die gnädigste Bestrafung. Alle anderen
      "Körperstrafen" gehen einher mit dem Verlust einzelner Körperteile.....
      mitunter selbst des Kopfes. Der erste instinktive Gedanke "Folter" aus
      politischen oder religiösen Gründen kann aber muß nicht zutreffen.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      Der erste instinktive Gedanke "Folter" aus politischen oder religiösen Gründen kann aber muß nicht zutreffen.

      Also ich seh das so und nicht so wie manche CSU-etc.-Politiker nach dem Motto "Dös tut der gern, der Muslim".
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Original von COOLmann
      94. Geburtstag...das ist echt `ne stolze Zahl.
      Hoffentlich ermöglicht ihm die Gesundheit noch
      eine aktive Teilnahme am Leben.
      Dann viel Freude bei den Feierlichkeiten.

      Dankschön, lieber COOLmann.
      Also hinsichtlich Gehv- und Merkvermögen ist der alte Herr doch schon erheblich einfeschränkt. Aber wir werden trotzdem eine schöne Feier haben.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Tagebuch 15 - Rückblick zum 30.12.2015

      Schnuppi, die mein Engagement unterstützt und aufmerksam verfolgt, hat mir eingeschärft, ich solle die Flüchtlinge auf die zu erwartende Sylvesterknallerei aufmerksam machen, damit die nicht in Panik ausbrechen und denken es sei jetzt Krieg. Das tun Dometscherin H. und ich auch, wobei nicht nur Schnuppi auf diese Idee gekommen ist - irgendwann geht ein Helfer durch die Bieberhaus-Etage und klebt ein fünfsprachiges Infoblatt an die Wände, auf dem genau das steht.



      Der NDR hat sich ebenfalls dazu Gedanken gemacht -
      ndr.de/nachrichten/mecklenburg…des,fluechtlinge5514.html
      in Teilen des Sendegebiets wurde die Knallerei in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften verboten. Den umgekehrten Weg geht die Gemeinde Reichenberg bei Würzburg, die nach vorheriger Information der Betroffenen ein Probeböllern vor einer Unterkunft veranstaltet:
      tagesspiegel.de/weltspiegel/re…r-silvester/12772558.html

      Ansonsten kehrt so langsam Routine bei uns ein. Dazu gehört auch der Umgang mit dem Geräteschwund - von ursprünglich drei Stethoskopen ist inzwischen nur noch eines da (das was ich da um den Hals drapiert hab ist inzwischen auch weg).



      Ich vermute keine Bereicherungsabsicht dahinter, sondern Schusseligkeit von Kollegen, die bei Dienstschluss vergessen haben, es wieder abzunehmen und mit diesem "Halsschmuck" heimgefahren sind - vielleicht wird es ja in irgendeinem Waschkorb entdeckt und wieder zurückgebracht, bevor uns jemand ein neues spendiert.

      Insgesamt hat der Publikumsverkehr jetzt nachgelassen, wohl aufgrund der kälteren Temperaturen und der schärferen Grenzkontrollen, aber es stranden immer noch täglich Hunderte Flüchtlinge hier in Hamburg und nicht nur hier - in Uelzen schlagen sich z.B. täglich engagierte Helfer die Nächte um die Ohren, um die aus dort endenden Zügen kommenden zehn bis fünfzig Flüchtlinge über die Nacht zu versorgen:
      taz.de/!5259879/

      Vereinzelt nehmen Flüchtlinge auch den Weg zurück nach Süden, zum Beispiel eine Familie, die wegen Erkältung unsere Sprechstunde aufsuchen. Die hatten in der Türkei eine Einreise nach Kanada beantragt und waren irgendwann hierher aufgebrochen, weil sie von den Kanadiern nicht mehr hörten und die Verhältnisse in der Türkei unerträglich wurden. Jetzt bekamen sie Nachricht, dass sie nach Kanada einreisen dürften, aber nur von der Türkei aus ... Da kann man nur noch eine gute Reise wünschen und die Familie mit dem dafür Nötigen ausstatten.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Jaja...manchmal geht das Schicksal eben keine geraden Wege.
      Das Leben ist ein einziger Schlängellauf.
      Ich kenne zB. ein Rentner-Ehepaar das sich mit dem Gedanken der
      Auswanderung nach Schweden trägt.
      Grund: Deutschland wird von Migranten überrannt
      Ich konnte sie nicht von ihren Ansichten abbringen.
      Immerhin wissen sie jetzt, daß Schweden auch ein bevorzugtes
      Migrationsziel ist.
      Ich böser ich... :floet1:

      Bei uns hängen mittlerweile auch Aushänge in Englisch/Arabisch
      an den Läden. Meist steht da aber nur solch Dinge wie:
      "No handy-shop" oder beim Frisör "No barber-shop".
      Bei uns wird eben beim Frisör nur noch in den seltensten Fällen
      rasiert oder die Ohrenhaare geflammt.

      Apropo Asylzielland Kanada....Dort tat man sich bisher schwer
      größere Migrantenzahlen bei der aktuellen Fluchtwelle aufzunehmen.
      Doch mittlerweile kommt auch da etwas in Bewegung. Wie sich das
      staatliche Gesundheitssystem darauf vorbereitet könnt ihr in folgender
      Doku lesen. Bei Bedarf eben mal durch den google-Translator schicken. :icon_thumbsup:

      aljazeera.com/indepth/features…gees-151222055338796.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Mit der verdeckten Kriegserklärung an den Iran und einem
      Eklat gegenüber der schiitischen Bevölkerung des Landes
      hat unser "Freund" das Tor für eine weitere Eskalation aufgestoßen.
      König Salman aus der Dynastie der Saud hat persönlich dafür gesorgt, daß
      ein religiöser Führer des arabischen Frühlings (Al-Nimr) geköpft wurde.
      Damit hat er eine rote Linie überschritten, die uns letztendlich in einer zusätzlichen
      Welle von Migranten erreicht. Besonders interessiert mich in diesem Zusammenhang,
      ob das Schwert auch seinen Neffen erwischt hat. Denn der Junge stand auch
      mit auf der Todesliste und wurde für die Teilnahme an Demonstrationen (inclusive
      ein paar zusätzlicher nicht bewiesener Vergehen) zum Tode verurteilt.
      spiegel.de/politik/ausland/sau…-kreuzigen-a-1054464.html

      Und mal abgesehen davon sollte sich jeder den Ablauf der Akte "Badawi" anschauen. Dort geht
      es "nur" um die öffentliche (mitunter kritische) Meinungsäußerung. Die verhängte Strafe von
      10 Jahren Haft, Geldstrafe und 1000 Stockhieben (die nach unbestätigten Angaben inzwischen
      aufgehoben wurden, aber nur die Stockhiebe!) sind letztendlich das Ergebnis einer lange Liste von
      ausländischen Bittstellern für Badawi. Denn am Anfang des Gerichtsverfahrens stand der Antrag
      auf die Todesstrafe. Wenn man das bedenkt hatte der Appell von Badawis Frau aus dem kanadischen
      Exil "Macht dem Leiden meines Mannes ein Ende" (Sie meinte: begnadigt ihn) einen ganz anderen
      Inhalt. Denn zu Neujahr wurde das Leiden der Gefangenen beendet so wie es sich das sunnitische
      Königshaus vorstellt. :muede_traurig:
      Gerade bei focus.de gefunden:
      Nicht auf der Liste war al-Nimrs ebenfalls zum Tode verurteilter Neffe, der zur Zeit seiner
      Festnahme während der Proteste erst 17 Jahre alt war.

      Das Urteil hat ja noch Bestand. Ist er beim nächsten Mal dran.


      PS: Ich habe diesen Beitrag gerade hier eingestellt, weil er uns zu einer Wurzel des
      Migrationsstromes führt, bei dessen Bewältigung grizzly gerade so angagiert tätig ist. :blreich:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 5 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Damit nicht wieder dieser ärgerliche Hinweis d`runtersteht
      "Thema verfehlt. 5 ....Setzen!"
      jetzt aber eine 100%ig passende Quelle. Hier kann man lesen
      (sofern man den Acrobat Reader besitzt) wie die Ärztekammer
      offiziell damit umgeht. Wobei ich schon beim Durchlesen wieder
      2 Warnlampen auf ON habe.
      * Montgomery bezeichnete die Migranten vor Tagen als "überdurch-
      schnittlich" gesund. Böse Zungen sagen auch "unnormal gesund".
      Dies entspricht überhaupt nicht den Erfahrungen der kanadischen
      Ärzte aus dem Beitrag weiter oben. Da kommt nämlich noch
      "the mental illness" dazu. Für den Chef der Ärtzekammer reicht es
      völlig, wenn es bei den Migranten wenig "chronisch Kranke" gibt.
      Naja...untersucht die erst mal alle. Ein befreundetr Arzt hat mir mal gesagt:
      Wenn Du gründlich genug suchst findest Du bei fast jedem was.
      * Bei der verzweifelten Suche nach "Staatssicherheit" ist der Verweis auf
      die ärztliche Schweigepflicht im Bezug auf nicht registrierte Migranten nur
      eine Nebelkerze. Diese (und gerade diese) Personen stehen besonders
      im Visier der höchsten Organisationen des Staatsschutzes. Noch Fragen? :floet1:
      Braucht nur mal die Verlautbarungen zum Anschlagsalarm in München verfolgen.
      Und die Personen die gesucht werden und nicht aufzufinden sind...oder doch?
      Hier erst mal der Flyer der Ärztekammer. :winkewinke: grizzly
      Hast Du den auch schon an die Wand gepinnt?
      Informationen für Ärztinnen und Ärzte
      Behandlung von Patientinnen und Patienten ohne gesicherten Aufenthaltsstatus

      webcache.googleusercontent.com…ei=fAeIVouxHaHqyQOEybeICA[/URL]
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Und mal so neben bei....die Aufnahme (und vielleicht auch Integration)
      von Migranten ist selbst in Hamburg nicht unproblematisch. Da braucht es
      keine stereotypen Vorwürfe wie: Millionäre wollen nicht oder Rechtsradikale
      wehren sich
      Dieser Prozeß greift tief in das Alltagsleben des normalen Bürgers ein.
      Und in einer Demokratie muß es möglich sein die eigenen Wünsche und Interessen
      zu artikulieren. Und wenn die regierenden Parteien auf legalem Weg an der Macht
      bleiben wollen müssen sie darauf auch eingehen. Sonst passieren solche Dinge
      wie in Polen. :haarerauf:
      Dann schaut mal das Video an.
      ndr.de/nachrichten/hamburg/Gro…hlossen,oejendorf102.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      Stellt sich die Frage ob diese Wünsche angemessen sind. Z.B. angesichts des Klimawandels (der auch mit Fluchtursache ist und in steigendem Umfang werden wird) sind unpopuläre Maßnahmen unvermeidbar. Natürlich ist es sinnvoll die Bürger beim Bau von Flüchjtlingsunterkünften "mitzunehmen", das wae ja auch in Hamburg-Kleinborstel so, es hatte sich bereits eine Willkommensgruppe gebildet. Aber ausschliesslich auf sich bezogene Dumpfbacken sind halt nur in beschränktem Umfang integrierbar, die müssen dann halt fressen was kommt.

      Zumal diese Herrschaften sich nur in Masse, anonym (Hetzmails) oder garnicht an die Öffentlichkeit trauen. Mir selber geht es im Moment so, dass ich auch bei Zufallsbekanntschaften zzB im Zugabteil ausschliesslich auf Menschen treffe, die entweden selbst in der Flüchtlingshilfe aktiv sind oder dem zumindestens positiv gegenüber stehen. Die Zweigler oder Dumpfbacken laufen mir gar nicht über den Weg, es sei denn sie stehen mir als AFD/NPD-Hetzdemonstranten hinter einer Polizeikette (für die ich in dem Fall nicht undankbar bin) gegenüber.

      Entschuldige bitte bzw entschuldigt (falls ausser COOLmann noch jemand hier auftaucht) meine aktuelle Forumsabstinenz. Ich bin wie bekannt viel unterwegs, und am Smartphone geht das mit dem Forum schlecht bis garnicht.
      Am Sonntag versuche ich eine neues Containertagebuch fertig zu stellen, am Samstag muss ich nach Hannover.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Dann viel Erfolg in Hannover (das wäre in dem Fall Wissenszuwachs
      und neue Verbindungen knüpfen).
      Und ansonsten: Laß Dich nicht "Antanzen".
      Mein Tip: "Antanzen" Wird Unwort des Jahres 2016 und meint "Warnung vor Taschendieben!" :zwinker2:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Original von COOLmann
      Und ansonsten: Laß Dich nicht "Antanzen".
      Mein Tip: "Antanzen" Wird Unwort des Jahres 2016 und meint "Warnung vor Taschendieben!" :zwinker2:

      Sowas ähnliches ist mir vor 3 Jahren selber passiert, auf dem Hamburger Hauptbahnhof übrigens :haarerauf:
      Will damit auch sagen, sowas gibt's schon länger, aber das was in Köln und anderswo passiert ist, war richtig Scheisse. Die Tochter einer Freundin konnte auf St. Pauli grad noch rechtzeitig in ein Taxi springen.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Nicht nur in Hamburg, sondern auch an anderen Bahnhöfen stranden jede Nacht Flüchtlinge und wissen nicht weiter. So auch an dem berühmten Hundertwasserbahnhof in Uelzen, in und um den sich ein engagiertes Team jetzt die 50. Nacht um die Ohren gehauen hat.
      Hier der Bericht eines Aktivisten (Abdruck mit dessen Genehmigung):
      Bericht Fluchtlingszuflucht Hundertwasserbahnhof Uelzen. Die Nacht vom 08.01.2016 ist unsere 50. Nacht in Folge, :) die wir in der Zuflucht verbringen. Es sind wieder HelferInnen von weit her angereist, um hier die Nachschicht an der Seite der hiesigen zu wuppen. Heute sind es 93 km von HH hierher.Gestern kam eine Helferin aus 220 km Entfernung. Danke Allen, die ermöglichen, daß wir nachts Flüchtlinge vom Bahnsteig holen und in warmen Räumen mit frisch gekochtem Essen, heißem süßen Tee, Obst, Keksen, Datteln, Schokolade, Brot, Margarine, Marmelade, Zahnbürsten, Zahnpasta, Duschgel, Kämmen, Rasierern, Unterhosen, BHs, Socken, Handschuhen, dicken Jacken, festen Schuhen, warmen Babyoveralls, Babynahrung, Windeln, . . . und sicheren, sauberen kuscheligwarmen Schlafplätzen versorgen können.

      Heute ging es früh los - schon vor dem offiziellen Start um 23.46 Uhr liefen mir - oder ich ihnen - eine Gruppe zitternde Menschen auf dem Bahnsteig über den Weg. Zwei bibbernde junge Männer mit einem zitternden kleinen Mädchen auf dem Arm. Zwei zitternde junge Frauen mit noch einem frierenden kleinen Kind auf dem Arm. Drumrum drei kleine bis mittlere Jungs, die sich durch Umherlaufen und Faxen machen warm halten. Also nix wie hoch in die Zuflucht, den Deckenrucksack holen, dicke Jacken, ein Paket Datteln, Wasser in die Tasche und wieder runter. Als erstes hole ich das zitternde kleine Mädchen in einen warmen Kinderschlafsack. Es hebt den Kopf von der Schulter des genauso zitternden Mannes und guckt mich scheu an. Ein über und über mit verschorften Narben übersätes Gesichtchen wendet sich mir zu. Die Kleine hat Windpocken und gehört in ein warmes Bett. Die Männer freuen sich über die warmen Jacken. Die Frauen über das Wasser und die Datteln. Alle gucken dankbar. Eine gemeinsame gesprochene Sprache sprechen wir nicht.
      Eine junge Spanierin, die ein wenig Persisch spricht, packt überraschend eine gerade gekaufte (der Kassenzettel flatterte zu Boden) Riesenpackung feinster Pralinen aus der Einkaufstasche und reicht sie großzügig rüber. Sie ist in Nullkommanix leergegessen. Das sieht nach Schmacht aus. Dann kommt auch schon der Anschlusszug. Gute Fahrt!

      Der 23.46er Zug - eigentlich durchgehend von Göttingen nach Hamburg, beschert uns 19 Menschen in die Zuflucht. Der Zug kommt mit qualmender Lokomotive im Uelzener Bahnhof an und alle Fahrgäste werden auf den Bahnsteig geschickt. Dabei zwei weinende Kleinkinder auf Mütterarmen, die Fieber haben und husten. In der Zuflucht beruhigen sie sich schnell, wollen aber nicht angesehen werden und halten sich ein kleines Stofftier ins Gesicht. Dabei sind auch. 2 junge Mütter, 2 mittlere Kinder, 12 Männer und zwei Farsiübersetzer. Alle Essen und trinken heißen Tee und werden zum Ersatzzug begleitet.
      Mit dem nächsten Zug aus Hamburg kommt ein junger Sudanese, der so müde ist, daß er sich lieber sofort hinlegt, bevor er auch nur ein Fitzelchen gegessen oder getrunken hat. Er wird, weil alleinreisend, in unserem winzigen Lagerraum geparkt und sägt dort tief schlafend alles zusammen. Puh, gut, daß er hier alleine schläft.
      Denn schon geht es weiter. Mit der ersten Gruppe wurde der vorbereitete Topf Essen schon fast leer. Egal - ruckezucke neues Wasser aufgesetzt. Und neben Tee ausschenken und kochen, koche ich mal eben noch einen großen Topf Reis. Als hätte ich es geahnt. Da purzelt auch schon die nächste afghanische Familie aus dem Zug. Gut, daß Naafee Mu unser irakischer Helfer hier ist. Er übersetzt und schnell ist geklärt, die Familie will weiter Richtung Braunschweig. Eine halbe Stunde Recherche und mehrere Telefonate weiter ist klar, daß das von der Reiseauskunft angegebene Ruftaxi keine Kinderwagen und schon gar nicht gemeinsam mit 4 Erwachsenen und zwei Kleinkindern, mitnimmt.
      Was gut, daß wir die Isomatten und die Decken haben. Es gibt zu Essen und dann liegen alle und schlafen in sekundschnelle ein. Anvisiertes Wecken erst gg. 6.40 Uhr. Puh, daß wird ne lange Schicht.

      Wir finden aus den verschiedenen Zügen, die hier ihre nächtliche Endstation haben, bis sie weiterfahren können, noch 6 weitere Flüchtende. Es wird gegessen, gelacht, gescherzt und dann ziehen sich drei jüngeren Männer zum Schlafen zurück. Drei verschwinden unauffällig, was wir erst am Morgen bemerken, als wir alle rechtzeitig wecken wollen und drei schon weg sind. Da bleiben doch glatt ne Tüte Reisegepäck und ein Handy über. Eine Helferin spurtet in Rekordgeschwindigkeit zum Bahnsteig, um beides an den richtigen Mann zu bringen. Erfolglos. Erst zwei Minuten vor Zugabfahrt kommt der Besitzer kleinlaut sich vielmals entschuldigen angesprintet und sammelt seine Habseligkeiten ein. Gerettet.
      Ausnahmsweise sind wir noch da und länger geblieben, für die Familie mit den kleinen Kindern, die erst kurz nach 7 Uhr weiter kann.
      Zwischendurch ruft mitten in der Nacht einer unserer Helfer an und entschuldigt vielmals sein Verschlafen. Es dauert bis ich verstehe daß er mitten in der Nacht erwacht ist und mit Schrecken meinte, seinen Nachtdienst verpasst zu haben. Na Glück gehabt. Er, ihn nicht verpasst zu haben und wir, nicht ohne ihn da gestanden zu haben. Hoffentlich kann er wieder schlafen.

      Die ersten Betten sind abgezogen, die Bezüge und Laken durch die Waschmaschine geschwommen und hüpfen nun munter durch den Trockner.
      Evtl. nochmal draußen unsere Zuwegung streuen. - der angetaute Schnee war über Nacht zu spiegelglatter Eisbahn gefroren.
      Wir haben die 7. Schüssel Abwasch hinter uns. :)
      Alles ist wieder aufgeräumt. Die Kisten mit den neuen Unterhosen sind aufgefüllt - jetzt starten wir das Wecken - und in spätestens einer Stunde können wir uns auf den Weg nach Hause machen.

      Wir suchen tatkräftige HelferInnen, die den einen oder anderen Nachtdienst übernehmen, um dieses vollständig ehrenamtlich und spendenfinanzierte Angebot am Hundertwasserbahnhof Uelzen aufrecht zu erhalten.
      Dieser Bahnhof gehört zwar angeblich zu den zehn schönsten in Europa - verfügt aber nicht über so etwas banales, wie einen geheizten nächtlichen Warteraum für Reisende, deren Züge hier zwischen 23.46 Uhr und 1.46 Uhr enden und frühestens um 4.13 Uhr oder 05.01 oder 7.08 Uhr Anschluss haben.


      Anmerkung:
      In anderen Ländern sind Bahnhofsübernachtungen gang und gäbe, in Mbeya/Tansania hab ich selber die vorgehaltenen Kinderbettchen in der Bahnhofshalle gesehen, und wie ich eben ergoogeln konnte, sind sie noch immer da , hier die dazugehörige Seite: bue.li/reisen/alben/MT/index3.html (2. Bild von oben, vergrößern durch drauf klicken).
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Als erstes erst einmal vielen Dank und eine Verbeugung für die
      vielen Helfer die sich um das Wohl der Migranten kümmern. :bravotoll:

      Aufwühlend diese Berichte aus der Realität des Migrationsstromes.
      Das sind Dinge die neu sind in der erträumten Sicherheit
      unserer Vaterlandes. Es wir ein langer beschwerlicher Weg
      sein sich daran zu gewöhnen, Und damit meine ich nicht nur die
      notwendige Emphatie für die Migranten und die Organisation
      der notwendigen Unterstützung. Mit diesen Menschenmassen
      kommen auch Dinge jenseits von frierenden Kindern und
      eingeschüchterten Frauen zu uns. Und die Reaktion des Staates
      darauf erfordert neues Rechtsordnungspotential, das den Druck
      im Topf reguliert. Und wir finden uns wieder...mitten im Schnellkoch-
      topf der Nationalitäten.
      Ich verweise an dieser Stelle nochmals an einen literarischen Profi,
      die Kolumne der Schweizerin Sibylle Berg.
      spiegel.de/kultur/gesellschaft…en-kolumne-a-1070749.html
      Und zur Erinnerung:
      Nach Schätzungen sind erst 10% der zu erwartenden Migranten bei uns angekommen.
      noz.de/deutschland-welt/politi…rosseren-fluchtbewegungen
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Containertagebuch Nr. 16

      Nach dem Tod der Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel zog das Ohnsorg-Theater in den linken Seitenflügel des Bieberhauses, dazu wurde 2011 ein Tel des Hachmannplatzes, der, benannt nach dem ehemaligen Hamburger Bürgermeister Gerhard Hachmann (1838 bis 1904), in Heidi-Kabel-Platz umgetauft.



      Das ist wichtig für den Fall, dass ich einen Rettungswagen ins Bieberhaus bestellen muss, denn dann weiss vielleicht der Feuerwehrzentralist, wo das Bieberhaus ist, kann es aber nicht in seinen Computer eingeben, denn der kennt nur Straßen und Hausnummern. Und ohne Computereintrag kann er keinen Wagen losschicken.
      Also Heidi-Kabel-Platz - aber Hausnummer steht unten keine dran ... Ich erfand beim ersten Einsatz die Nummer 1, der Rettungswagen kam auch pünktlich. Später hab ich herausgegoogelt, dass die Nummer 1 für das Ohnsorg-Theater steht,



      Gestatten, [URL=http://www.ndr.de/kultur/geschichte/koepfe/Heidi-Kabel-Die-Buehne-war-ihr-Leben,kabel100.html]Heidi Kabel[/URL]

      und wir sind die Nummer 2.
      Einer ordnungsgemäßen Rettungswagenanforderung steht also nichts mehr im Weg.

      1. Januarwoche

      Die verschärften Grenzregimes der skandinavischen Länder haben sich insofern bemerkbar gemacht, dass immer mehr Leute kommen, die nicht wissen, wie es weiter geht. Der Vater ist vielleicht schon in Norwegen, Schweden oder Finnland, und die Restfamilie kampiert hier tagsüber im Bieberhaus, nachts in einer Kirchengemeinde, Moschee oder auch im gegenüberliegenden Schauspielhaus, wenn der Theaterbetrieb zu Ende ist.

      So eine unglückliche Familie hatte ich am Mittwoch wieder vor mir, Kurden aus der Nähe von Suleymaniya, denen der IS das Haus abgebrannt hat - die Mutter hat davon üble Brandnarben zurückbehalten, der Rest der Familie kam unverletzt raus. Vater bereits in Norwegen, die siebenjährige Tochter ist jetzt durch einen Infekt so geschwächt, dass sie getragen werden muss und ich sie ins Krankenhaus einweise, mit Rettungswagen (siehe oben). Derweil legt mir der junge Onkel einen Wust Papier vor, winzige eingeschweisste irakische Identitätskarten in Arabisch und einen Stapel Registrationsdokumente aus Griechenland, Mazedonien und Serbien (wo sie vor vier Tagen noch waren). Und fragt mich, wie sie damit jetzt nach Norwegen kommen. Das weiss ich natürlich auch nicht, und verweise ihn an die Sozialberatung, die den aufgelösten Infotisch ersetzt hat. In Einzelfällen stellen Hamburger Behörden dann Ersatzdokumente aus, aber das dauert.

      Dann gibt's eine neue Komplikation, nämlich die RTW-Besatzung darf nur eine Begleitung mitnehmen. Ich beschliesse, den Onkel mitzuschicken, der ein bissl englisch spricht, und die Mutter samt kleinem Bruder einer Helferin anzuvertrauen, die sie mit dem HVV hinterher bringt. Das Fahrgeld legen wir zusammen, denn unsere Sozialberatung hat noch kein Geld.
      Später ruft die Helferin aus dem Krankenhaus nochmal an, unter welchem Familiennamen ich das Kind eingewiesen hab, denn in kurdischen Familien haben die Frauen oft andere Familiennamen als die Ehemänner (und die Kinder). Da kann ich helfen, und zwei Tage später meldet sich das Krankenhaus, wir könnten die Familie wieder abholen, dem Kind geht's gut.

      P.S.
      Gehhilfen haben wir inzwischen genug also bitte erstmal keine mehr spenden.
      Was wir brauchen, ist GELD, Kohle, Penunzen ...
      Ohne Moos nix los, der PARITÄTISCHE hat zwar bundesweit vor Weihnachten mit Hilfe des NDR 2.25 Millionen an Spenden zusammengekratzt, das geht aber eben nicht nur nach Hamburg (mW. bekamen wir hier 300.000 €). Und davon müssen nicht nur die inzwischen vier hauptamtlichen Helfer/innen (zu denen ich NICHT gehöre, mich bezahlt die ärztliche Rentenversicherung) finanziert werden, sondern auch der Medikamentennachschub, der ständig schrumpft, und diverses andere, was ich nicht überschaue.

      Also bittschön:
      Bank für Sozialwirtschaft
      Kontonummer: 637 637 015
      BLZ: 251 205 10
      IBAN: DE11 2512 0510 0637 6370 15
      BIC: BFSWDE33HAN
      Empfänger:
      Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband, Gesamtverband e.V.

      Verwendungszweck: Flüchtlingshilfe Hamburg Hauptbahnhof könnte man noch draufschreiben.

      Dankschön, shukran, tashakor :winkewinke:
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Obwohl ich noch nie in Hamburg war (und übrigens auch noch
      nie in N.Y. :zwinker2:) macht es beim Stichwort Ohnesorg-Theater
      -Klick-. Diese Aufführungen wurden in meiner Jugend regelmäßig
      im West-Fernsehen (damals noch scharz/weiß) übertragen.
      Damals war es der Hit, heute eher ein Grund für ein müdes Lächeln.
      Jaja, so ändert sich der Zeitgeschmack.
      Die Situationsbeschreibungen von den Migranten vor Ort sind so
      plastisch, daß ich sie c@t zum Lesen vorlege.

      PS: Ach ja und wenn ihr den Dolmetschern mal `nen Tip geben könnt. :icon_thumbsup:
      Wenn Frauen, die ohne Begleitung (nicht nackig!) jenseits der 12 Jahre
      auf deutschen Straßen unterwegs sind bedeutet das nicht
      * sie sind "überfällig" zur Verheiratung
      *sie suchen sexuelle Abenteuer
      *sie sind von ihren Familien verstoßen
      und ...wer eine deutsche Frau schwängert erhält dadurch nicht das Recht/ die Pflicht
      zur Heirat und damit einen sicheren Weg zur dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung.
      Aber für diesen Hinweis mußte schon ein leitender Pädagoge seinen
      Diensthut nehmen. Schämt euch Aufsichtsbehörde!

      Link von mir (Grizzly) gelöscht und durch diesen ersetzt, zwecks Verständnis des Sachverhalts:
      welt.de/politik/deutschland/ar…-Sex-Warnung-zurueck.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 6 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Also so wie dieser "Pädagoge" das gemacht hat, war es eindeutig rassistisch. Zu warnen sind nicht die Mädchen und dies auch noch plakativ, sondern es sind so, wie Du richtig gesagt hast, die jugendlichen Migranten in geeigneter Form immer wieder daraufhin anzusprechen. Was bei uns im Bieberhaus anfängt, insofern jugendliche Helfer, die Anweisungen von Frauen nicht beachten, von mir oder anderen Männern "auf den Pott gesetzt" werden.

      Diese unsägliche Tafel ("In Finnland ist Vergewaltigung erlaubt" - ich hatte den Link erstmal gelöscht, weil ich so einen rechten frauenfeindlichen Dreck auch als Link nicht in unserem Forum haben will) ist nicht aus Syrien oder Afghanistan, sondern eine Fälschung.
      mimikama.at/allgemein/rape-rap…you-can-do-it-in-finland/
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -