Fluechtlingsbetreuung/Containertagebuch

      Damit machen sie Terrorgruppen wie IS oder Boko Haram stark. Es ist die Wut über die Arroganz der Industriestaaten bzw. deren Elite, die derartigen Gruppen Kämpfer zutreibt - Propaganda zB durch religiöse Gruppen ist sekundär und liefert den Betreffenden nur ein Erklärmodell, dass ihr Handeln richtig ist, entscheidend ist die Wut, und dagegen könnte man etwas machen, indem man sie durch menschlicheres Handeln erst gar nicht hochkochen lässt.
      Leider erwischt es bei den Terrorüberfällen in aller Regel nicht die Richtigen, sondern die Falschen.
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      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Ein Einzelschicksal als Beispiel für einen Teil des
      Migrationsproblems. Zwischen die Fronten von
      brutalen Schleusern, klammen Einwanderungs-
      staaten am EU-Rand, unsolidarischen EU Zentralstaaten
      und einem Rechtsstaat, der sogar die Gesetze beugt um
      die Fremden loszuwerden, geraten.
      Trotzdem bleibt nur die realistische Einschätzung: Kein
      Land der Welt kann den Tsunami der Wirtschaftsflüchtlinge
      absorbieren. Und über so einen berichten die Autoren.

      Quelle:
      spiegel.de/panorama/gesellscha…der-willen-a-1214478.html

      "Ich habe mein Leben riskiert, um nach Italien zu kommen und meiner Frau und meinen zwei Töchtern zu helfen."
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

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      Als Tsunami würde ich das nicht bezeichnen. Vor allem: Die Reichen haben die Pflicht, in den Herkunftsländern der Geflüchteten Verhältnisse zu schaffen, die die Bewohner/innen nicht mehr oder nicht mehr in nennenswertem Umfang zu Flucht zwingen. So, und ausschliesslich so, kann das Fluchtproblem bearbeitet werden. Wer abschottet oder deportiert ist ein Verbrecher. So wie IM Seehofer.
      zeit.de/gesellschaft/zeitgesch…9-geburtstag-fluechtlinge
      bento.de/today/horst-seehofer-…ht-zuruecktreten-2607137/
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      - Kurt Tucholsky -
      Zu spät....
      Dafür hätte die progressive westliche Welt schon eher
      ihre Stimme (und ihren fetten Hintern) heben müssen.
      Nun ist der Punkt überschritten, ab dem die "Schurken-Supermacht"
      USA den Takt vorgibt. Und wir (das Volk) hat und wird sich durch die
      Untätigkeit unserer Regierung als willenloses Kanonenfutter
      für diesen Weg mißbrauchen lassen. Die Angst vor links-sozialen
      Tendenzen und die Mähr vorm "Erzfeind" Rußland ist einfach so
      stark, daß sie die Hirne schmelzen läßt.

      PS: Jetzt nicht wundern. Die Einschätzung "Schurken-Supermacht"
      kommt von us-amerikanischen Politikwissenschaftlern der konser-
      vativen Ecke selbst.

      t-online.de/nachrichten/auslan…schurken-supermacht-.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

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      Horst/Mecklenburg, 3.8.2018
      Die ärztliche Versorgung dort war noch nie berauschend, aber jetzt finden nur noch sporadisch Sprechstunden des Medizinischen Dienstes dort statt. Der letzte Arzt, der da regelmäßig Dienst zu tun versuchte, kam selber ins Krankenhaus, und zeitgleich wurden Fehlbestände
      im Medikamentenschrank festgestellt. Das ist kein böses von linken Flüchtlingsfreunden in die Welt gesetztes Gerücht, sondern das stand in der örtlichen Presse:
      svz.de/regionales/mecklenburg-…-verletzt-id19294851.html

      Eigentlich hat Hamburg "seinen" Geflüchteten ja freie Arztwahl eingeräumt (Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen auch), so dass die auf "Hamburger Ticket" in Horst Untergebrachten eigentlich Versicherungskarten der AOK Bremen (die das bundesweit erledigt) bekommen müssten. Bisher haben wir dort noch keine gesehen, die Arztversorgung gleicht einem Lotteriespiel, und wir lesen immer wieder Krankenhausbriefe auch von Schwerkranken, wo Kontrolltermine eingefordert sind, die schon wieder in der Vergangenheit liegen. In so einem Fall schreibe ich ein Attest, dass dem Arzt (so mal anwesend) oder der Sozialarbeiterin vorgelegt werden soll, in der Hoffnung, dass dann etwas passiert.

      Wen es als Diabetiker nach Horst verschlägt, der hat Pech. Diabeteskost "is nich", der muss gucken wie er mit der kartoffel- und nudellastigen Normalkost zurecht kommt. Im Krankenhaus werden die Betroffenen auf Insulin eingestellt, bekommen ein Zuckermessgerät und Teststreifen und werden nach Horst entlassen, sobald sie mit Gerät und Spritzplan leidlich zurecht kommen. In Horst, da Diät nicht möglich und alle das gleiche Essen bekommen, bringt das Insulin nicht mehr viel, und die Blutzuckerwerte sind entsprechend katastrophal. Und das liegt nicht an der Messtechnik oder am Blutzuckergerät, die von mir gemessenen Werte sind auch nicht besser.
      Abhilfe könnte nur durch Unterbringung der betroffenen Familien in einer eigenen Wohnung schaffen, mit der Möglichkeit, die Ernährung selber zu organisieren.

      Hamburg-Wandsbek, ein paar Tage später
      Die Kinder sind übersät mit Insektenbissen, es juckt sie gottserbärmlich. Die Übeltäter sind bereits ausgemacht, es sind Bettwanzen, der Vater hat sowohl welche in einer Tupperdose mitgebracht, die rühren sich nicht mehr, aber die er per Handyvideo auf seiner Bettdecke erwischt hat, sind umso lebendiger. Das Problem besteht bereits seit einem halben Jahr, der Kammerjäger war schon dreimal da, gestern wieder. Unmittelbar danach bekam die Familie Verwandtenbesuch, heute hat es deren vierjährigen Buben voll erwischt. Kleider und Bettwäsche sind komplett gewechselt, womöglich ist die Matratze dran schult, die aus eineer stilgelegten Erstaufnahmeunterkunft stammt und nicht ausgewechselt wurde.

      Das Asylverfahren hat die Familie erfolgreich durch, sie leben in einem Container, einer sogenannten Folgeunterkunft. Das Team des Integrationskurses fordert die Unterkunftsleitung auf, die Familie woanders unterzubringen, bis die Zimmer komplett saniert sind. Der zuständige Verwaltungsmensch erklärt daraufhin, die Familie sei über drei Jahre hier und habe gar keinen Anspruch mehr auf eine Folgeunterkunft, sie solle sich eine Wohnung suchen.
      Jetzt find mal in Hamburg eine Wohnung. Der Flurfunk verrät uns, dass der eben erwähnte Sesselfurzer seit zwei Jahren selber auf Wohnungssuche ist. Beamten und Realität ...
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      - Kurt Tucholsky -
      TAS Norderstedt
      Marek und Jola (Namen geändert) sind alkoholkrank und leben auf der Straße, unter anderem vom Verkauf des Straßenmagazins Hinz und Kunzt. Jola ist trocken und krankenversichert, Marek nicht. Deshalb ist es auch nicht möglich, ihn stationär entgiften zu lassen, weil das kein Notfall ist. Immerhin ist er, nachdem er immer elender aussah, im Krankenhaus als Notfall untersucht worden, Ergebnis: Der erwartete Lebenschaden, aber keine bösartige Erkrankung wie befürchtet.

      Entgiften muss er also allein, und das wird schwierig. Gestern hat er angefangen und nichts mehr getrunken, jetzt sitzt er zitternd vor mir. Immerhin hat er noch keinen Krampfanfall gehabt. Im Krankenhaus gibt man den Leuten Beruhigungsmittel wie Diazepam, gegen das Zittern, die Unruhe und zur Vorbeugung von Krampfanfällen. Aber die kriegt man nicht so einfach.

      Da trifft es sich gut, dass mir ein regelmäßiger Containertagebuch-Leser kürzlich 50 Euro in die Hand gedrückt hat, "für deine Arbeit". Ich gehe also in die nächste Apotheke, lege meinen Arztausweis vor und kaufe die Tabletten. erkläre der Apothekerin auch, was ich damit will. Vorher habe ich mich in der zuständigen Psychiatrie erkundigt, wie man die Dinger bei einem Entzug dosiert. Wobei das nicht so einfach ist, wenn man den Menschen nicht ganztags unter Kontrolle hat, und ich deshalb nicht bei weitem so hoch dosieren kann wie in der Klinik.

      Zurück in der TAS, bekommt der zitternde Marek eine Tablette zum Einnehmen - schon bald wird er ruhiger und zieht sich auf ein Sofa zurück. Eine Stunde kann ich ihn noch beobachten, dann ist meine Sprechstunde zu Ende. In der Stunde passiert nichts, Jola bekommt drei Tabletten von mir mit dem Auftrag, ihm die nach und nach zu geben, und auf jeden Fall eine für abends vorm Schlafengehen aufzuheben. Morgen wollen wir uns wieder in der TAS treffen, dann sehen wir weiter. Für Notfälle hat die TAS meine Mobilnummer.

      Ob das klappt, weiss ich nicht. Weil so eine Entgiftung während der Obdachlosigkeit schwieriger ist als in einer Wohnung. Aber Marek hat bessere Chancen als andere "Kollegen", weil er eine Freundin hat, die sich um ihn kümmert. Das haben nicht viele Männer in dieser Lage. Und eine die sich mit Alkoholentgiftung auskennt. Weil sie das schon selber durchgemacht hat, und nicht nur einmal.
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      - Kurt Tucholsky -
      Ich habe selbst Bekannte in meinem Umfeld die zwar
      arbeiten (einzel-selbstständig), die aber bei der medizinischen
      Versorgung keinerlei Unterstützung vom Staat oder einer Kasse
      bekommen. Sollten sie vielleicht einen Asylantrag im eigenen
      Land stellen? Oder die Familien mit einer Bescheinigung für eine
      Sozialwohnung, die sie sich an die Wand nageln können?
      Alternativ die Hartz4 Bezieher, die zum Umzug in eine "billigere"
      Wohnung innerhalb von 3 Monaten verpflichtet werden. Finden sie
      diese nicht wird auch der Mietzuschuß für die alte Wohnung
      gestrichen. Sozusagen eine kalte Entmietung mit Zwischenparken
      in einem Obdachlosenheim. Wenn es denn genug Obdachlosen-
      wohnungen gäbe.... aber Asylheime wachsen wie Pilze aus dem
      Boden.
      Man kann sich dem "rechten Wutbürger" anschließen oder aber
      einer neuen Idee folgen: "Aufstehen"
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

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      Lieber COOLmann, das stimmt nicht.
      Asylheime wachsen nicht wie Pilze aus dem Boden, auch da gibt es noch jede Menge Bedarf, ich sitz an der Quelle für Asylbewerber wie für Obdachlose.

      Das Problem der kleinen Selbständigen, die sich keine Krankkenkasse leisten können, kenne ich auch. Wir bräuchten eine staatliche Pflichtversicherung für alle ähnlich der geforderten Bürgerversicherung (Grüne/Linke, zT SPD), aber da schreien die Konservativen und die Liberalen sowieso. Die AfD-Faschisten haben das übrigens auch nicht im Programm.

      Generell gibt es natürlich zu wenig Wohnungen, und die es gibt, werden oft luxussaniert und sind dann nicht mehr bezahlbar. Immobilienspekulanten gehören drakonisch bestraft, und ihre Immobilien konfisziert. Die Wut der Wutbürger muss umgelenkt werden - wenn sie sich gegen die Schwächsten der Schwachen dh die Flüchtlinge wenden, dann sind sie nur noch feig, und das muss ihnen so auch ins Gesicht geklatscht werden, so lang bis sie's merken oder die Knochen kaputt sind.
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      - Kurt Tucholsky -
      TAS Norderstedt an einem Mittwoch
      Ich hab an diesem Tag keine Sprechstunde, bin aber telefonisch ansprechbar. Eben bekomme einen Hilferuf von dort, es sitzt da einer mit blutendem Auge. Da ich kein Augenarzt bin, sag ich, der soll sofort in die nächste Augenambulanz gehen, die TAS organisiert eine Begleitung, weil der Mann gehbehindert ist und schlecht Deutsch spricht. Die Krankenhäuser in unserer Umgebung kenne ich inzwischen so gut, dass ich mich darauf verlasse, dass sie einen gefährlichen Notfall wie diesen auch dann behandelt, wenn der Betroffene, wie hier, nicht krankenversichert ist.

      Donnerstag
      Der Mann war dort, wurde auch behandelt, das Auge ist aufgrund einer alten Verletzung dick entzündet. Wenn er nicht bald operiert wird und bis dahin nicht regelmäßig Antibiotika nimmt, droht eine Hirnhautentzündung, die oft tödlich ausgeht. Das entnehme ich dem Arztbrief und der telefonischen Erklärung der Oberärztin. Nur, dass die aus fachlichen Gründen in einem anderen Krankenhaus passieren muss. Bis ich das so weit zusammen habe, ist es Abend und (fast) alles hat zu.

      Freitag
      Ich muss nach Kiel, Fortbildung. von unterwegs rufe ich in der TAS an und sag denen, sie sollen den Mann, so bald er auftaucht, mit Begleitung in das betrffende Krankenhaus schicken. Auf den Arztbrief sollen sie noch meinen Namen plus Mobilnummer schreiben. Irgendwann am Vormittag kommt er, seine Begleitung (eine regelmäßige TAS-Besucherin) und er bekommen Geld für die HVV-Fahrkarten und ziehen los. Den Verwaltungsmenschen in dem betreffenden Krankenhaus, mit dem ich wegen der Nicht-Krankenversicherung sprechen wollte, habe ich leider rnicht erreicht.

      Irgendwann mittags, ich sitze im Vortrag, geht mein Telefon, die Nummer des Krankenhauses wird angezeigt. ich vertröste leise den Anrufer, verlasse den Saal und höre, dass er von der Krankenhausverwaltung ist. Ich erkläre die Sachlage und der Mann sichert zu, dass der Patient auf Risiko des Krankenhauses in der Augenklinik aufgenommen wird.

      TAS, nächster Mittwoch
      Als ich zu meiner regulären Sprechstunde komme, drückt mir die Leiterin einen Zettel in die Hand, ich möge diese Durchwahlnummer anrufen. Am anderen Ende ist eine Sozialarbeiterin des "Entlassungsmanagements" des betreffenden Krankenhauses.

      Fortsetzung folgt, ich muss frühstücken und zur Praxis :winkewinke:
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      - Kurt Tucholsky -
      Es gibt eine Krankenstube für Obdachlose, d.h. eine Art Kurzzeitpflegestation, im ehemaligen Hafenkrankenhaus auf St. Pauli. Ich kenne die Einrichtung, eine der dortigen Krankenschwestern gehörte zu unserem Medizin-Team beim Papst-Besuch. Allerdings hatte ich die momentan gar nicht auf dem Schirm, weil ich wusste dass es dort eine Warteliste gibt, d.h. ich vermutete, dass dort fast immer ausgebucht ist.

      Umso erstaunter war ich, dass die Krankenhaus-Sozialarbeiterin für unseren Patienten dort ein Bett ergattert hatte, wenn er voraussichtlich nächsten Montag nach der Op. entlassen wird. Denn eine Entlassung in die Obdachlosigkeit würde die Wundheilung und damit den Op-Erfolg gefährden, das seh ich auch so.

      Ich bin beeindruckt. Und das in einem Krankenhaus mit privatem Träger.
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      - Kurt Tucholsky -
      PS
      Natürlich sucht die Krankenhausverwaltung nach einen fiskalischen Kostenträger, das ist ihr gutes Recht. Das wird in solchen Fällen immer so gemacht, mal mit Erfolg, mal ohne. Aber damit hab ich nix mehr zu tun, denn die Angaben, die ich dazu machen kann, hab ich gemacht.
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      - Kurt Tucholsky -
      Passend zum Thema ein Beitrag von bento in dem
      vor Ort in Hamburg die Situation von verschiedenen
      Blickwinkeln beschrieben wird. U.a. auch die zunehmende
      Zahl von "Osteuropäern", die auf der Suche nach einer
      Existenz nach Deutschland kommen. Und immer wieder
      die entscheidende Frage: Sind sie legal in Deutschland?
      Wenn nicht, bleibt wirklich nur noch die "ehrenamtliche" Hilfe.
      bento.de/politik/suechtig-auf-…46e-e97663c1f42e#refsponi
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

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      Sorry, lieber COOLmann,
      ich bin zur Zeit ausser Landes dh auf Vollhorst/Söder-Territorium und kriege nicht alles mit, was im Netz abgeht.
      ALSO:
      Osteuropäer wie Polen, Tschechen, Rumänen und Bulgaren sind alles EU-Ausländer und halten sich hier legal auf. Andererseits sind sie oft nicht krankenversichert bzw ihre einheimische Versicherung zahlt hier nicht. Es gibt ein paar Möglichkeiten zB der Suchthilfe un Polen, die aber so schikanös sind, dass sie unter wahrgenommen werden.
      Ausserdem war der oben Genannte (der inzwischen in der Caritas-Krankenstube für Obdachlose liegt) wirklich ein Notfall, der wär auf dem Weg nach Polen in eine ungesicherte Versorgung womöglich gestorben.
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      - Kurt Tucholsky -
      FREITAGABEND 16.11.18
      Über ein paar Ecken werde ich angefragt, ob ich einen im Hamburger Flughafenknast einsitzenden Mann begutachten könne, ob er "gesund" genug sei für die Abschiebung nach Russland/Tschetschenien. Es liegt bereits ein ausführliches Attest einer Psychiaterin vor, wonach der Mann schwer traumatisiert ist und keinesfalls abgeschoben werden darf. Zudem hat er Frau und drei Kleinkinder, von denen er durch die Bundespolizei gewaltsam getrennt wurde.

      SAMSTAG 11.00
      Es gelingt mir, mit dem Mann zu telefonieren (Handys sind im Abschiebeknast anscheinend erlaubt), er möchte, dass wir kommen.
      Franz von Flüchtlingsrat Hamburg und ich treffen uns in Niendorf am "Rahmoor", der Eingang zum "Ausreisegewahrsam" ist hinter der Tarpenbekbrücke. Dort stoppt uns ein meterhoher Zaun. Den Knast sieht man da noch gar nicht.

      Es gibt dort keine Klingel. Nach Handyanruf werden Franz und ich mit 3 Mann abgeholt. Noch ein verschlossenes Tor, dann wird die nach aussen durch Sichtblende "geschützte" und von NATO-Draht gekrönte Anlage - ein paar Container - sichtbar. Noch 2x aufsperren, dann sind wir drin. Müssen unsere Taschen leeren, werden einzeln abgetastet, Russisch-Wörterbuch darf ich mitnehmen - brauch ich dann nicht, Ruslan spricht verständlich Deutsch. Rest bleibt draussen (Handy, Geldbeutel etc.). Die Arzt-Atteste darf Franz mitnehmen und Ruslan geben.

      Ich hatte mich als Arzt angekündigt. "Wenn er einen Arzt braucht, kommt der von uns. Wenn sie ihn untersuchen wollen oder das Thema auf ärztliche Inhalte kommt, brechen wir den Besuch ab". Ein Arztbesuch von aussen z.B. durch mich dürfte nur auf Anwältinnenantrag und Gerichtsbeschluss erfolgen.

      Wir werden in einen etwa 6x6m großen Raum geführt, wackeliger Tisch, 4 Stühle und das mal 4. Bekommen Getränke angeboten, Wasser, Kaffee oder Tee. 4 oder 5 Wachleute wachen über jedes gesprochene Wort.

      Ruslan kommt herein. Er klagt über Brustschmerzen und Herzrasen. Ich darf ihm nicht mal den Puls messen. Ein Arzt, evtl Psychiater (der von Herz keine Ahnung hat) käme heute noch, wann ist unbekannt. Anwesenheit von Vertrauenspersonen während der Arztuntersuchung sei nicht gestattet. Die vom Krankenhaus verschriebenen Tabletten gegen Hochdruck u.a. bekommt er nicht, die liegen noch in MeckPomm.

      Ruslan vermisst seine Familie - wenn schon Abschiebung nach Russland oder Tschetschenien, dann wenigstens zusammen, mit Frau die kaum Deutsch spricht und 3 Kindern (7j, 5j und 5 Mon.). Aber das ginge nicht, "dauert zu lange". Stattdessen wurde er zu Hause aus dem Bett gerissen und mit einer schwarzen Brille, mit der er nichts sehen konnte, von MeckPomm nach Hamburg gekarrt. Abgeschoben werden soll er von Berlin aus, dort wollen sie ihn Montagfrüh hinbringen.

      Ruslan hat ein psychiatrisches Gutachten, wonach er nicht abgeschoben werden darf, andernfalls schwere gesundheitliche Risiken. Die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht interessiert das nicht.

      Um 12:00 werden wir, nach ca. 15-20 Minuten, hinausgebeten, da Mittagessen und Besuchszeit zu Ende. Erst wird er rausgeführt und verschwindet hinter einer Tür, dann dürfen wir raus. Wir lassen ihm 40€ da (ein paar € hat er noch), d.h. die bekommt die Wache und wird sie ihm geben, wenn er abgeholt wird. Was über 50€ ist, konfisziert die Hamburger Ausländerbehörde, zwecks "Deckung der Abschiebekosten". Nachdem die Quittung fertig ist und wir unsere Sachen wieder eingesammelt haben, eskortiert uns das uniformierte Trio wieder durch die drei Zäune.
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      - Kurt Tucholsky -
      MONTAG (gestern)
      Ruslan wird nach Berlin gekarrt, in einen Charterflieger gesetzt und in Moskau auf die Landbahn gekippt. Wie es ihm jetzt geht, wissen wir nicht.

      Erklärung von Pro Bleiberecht zu diesem Verbrechen

      Das Innenministerium (IM) MV rechtfertigte heute die Abschiebung und wies die Kritik des Flüchtlingsrat Hamburg zurück. Eine recht dürftige Erklärung für eine grausame Abschiebung.

      In seiner Argumentation verwechselt Herr Caffier zwei Details: Rechtmäßig (zulässig gemäß geltener Rechtslage, Formulierung des IM-MV) und menschenrechtswirdrig (unzumutbare Bedingungen während der Abschiebung, Formulierung des Flüchtlingsrats Hamburg). In der Pressemitteilung geht das IM mit keinem Wort darauf ein, ob die durchgeführten "Zwangsmaßnahmen" dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprachen. Ein Folteropfer mit "verbundenen Augen" (blickdichte Brille) mehrere Stunden in einem Auto irgendwo hinzufahren, löst mit recht großer Wahrscheinlichkeit Erinnerungen an Entführungen in (Folter-)Knäste aus. Kaputte Menschen noch kaputter machen - christdemokratische Politik 2018.

      Auch zur inhaltlichen Legitimität des amtsärztlichen Gutachtens nimmt das IM keine Stellung: Handelte es sich bei dem Gutachten um ein ebenso qualifizierten Fach-Ärzt*in wie bei der Einschätzung der akuten Siuizidalität? Wie kann eine einmalige Begutachtung ein in einer Therapie entstandenes Attest ersetzen?

      Auch die Antwort auf die Frage, wie eine medizinisch begleitete Abschiebung einen Suizid in Tschetschenien verhindern soll, bleibt offen. Ein ähnlicher Fall geschah 2018 bereits in Afghanistan. Ein junger Mann nahm sich das Leben, nachdem er dorthin abgeschoben wurde. Seehofer bedauerte - Konsequenzen so etwas zu verhindern scheinen die CDU/CSU-Hardliner nicht ziehen zu wollen.
      Ausländerbehörde Stralsund und LaiV MV nehmen möglichen Suizid in Kauf
      Durch den Hamburger Flüchtlingsrat erhielt PRO BLEIBERECHT am Sonntagabend Kenntnis von der anstehenden Abschiebung eines Tschetschenen, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt. Er soll trotz bestehender ärztlicher Atteste, die eine akute Suizidgefahr bescheinigen, am Montag den 19. November nach Tschetschenien (Russische Föderation) abgeschoben werden. Ehefrau und Kinder verbleiben unterdes in Stralsund.
      PRO BLEIBERECHT fordert den sofortigen Abbruch der Maßnahme und dass der Mann unverzüglich aus der Abschiebehaft in Hamburg zurück nach Stralsund gebracht wird.

      "Es gibt immer wieder Momente, in denen die Gefühlskälte deutscher Bürokraten schockiert", so eine Aktivistin von PRO BLEIBERECHT. "Als wir aus Hamburg die Nachricht erhielten, dass sich Herr A. in Abschiebehaft dort befindet und unter welchen Umständen er dort hin kam, waren wir fassungslos. Die Behörden müssen hier sofort einlenken!"

      Bei einem Besuch durch einen Vertreter des Hamburger Flüchtlingsrats und eines Allgemeinmediziners in der Abschiebehaft in Hamburg schilderte der Mann, dass er mit einer blickdichten Brille, also nichts-sehend, und gefesselt aus seiner Unterkunft nach Hamburg gebracht wurde. Warum dem Mann die Hände und Augen verbunden wurden und er auf diese erniedrigende Weise nach Hamburg gebracht wurde, bleibt ein bisher ungeklärter Skandal. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist das Vorgehen der Behörden untragbar.

      "Man muss sich vor Augen führen, dass amtsärztliche Gutachten Momentaufnahmen sind. Dies höher zu stellen als Gutachten von Ärzt*innen, die jemanden über Monate behandeln, seine Probleme kennen und ihn therapieren, ist geradezu lächerlich. Unverständlicherweise ist es rechtlich von der Bundesregierung so gewollt", so die Aktivistin weiter. "Dem Mann scheinen derzeit Medikamente vorenthalten zu werden. Dass dem Mann die Medikamente und eine therapeutische Behandlung in Russland zur Verfügung stehen, kann niemand garantieren. Einen psychischen Zusammenburch, und damit möglicherweise Suizid, nehmen die Behörden in MV billigend in Kauf. Das widerspricht jeder Menschlichkeit."

      Bei der Abschiebung handelt es sich um eine Familientrennung. Die Ehefrau des Betroffenen und seine Kinder sind in Stralsund zurückgeblieben. Sie bangen derzeit um die Trennung von ihrem Mann und Vater auf unbestimmte Zeit. Die Anwältin von Herrn A. versucht aktuell noch gegen die Abschiebung vorzugehen.

      Das Innenministerium in MV ist bekannt für populistische Inszenierungen von Abschiebungen. Innerhalb des Landes ist die Ausländerbehörde Stralsund für restriktive und konservative Auslegungen des Aufenthaltsgesetzes bekannt.
      PRO BLEIBERECHT fordert die verantwortlichen Akteur*innen dringend dazu auf, Abschiebungen von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu unterlassen und keine Familien qua Abschiebung zu trennen. PRO BLEIBERECHT betrachtet beides als Minimalstandards und ist beschämt, solcherlei im Jahre 2018 fordern zu müssen.
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      - Kurt Tucholsky -