Fluechtlingsbetreuung/Containertagebuch

      19.10.16
      Die angekündigte Containerladeaktion in Wedel bei Hamburg startet pünktlich um 12:00 bei Nieselregen. Hapag-Llpyd hat Hanseatic Help einen Container zur Verfügung gestellt, der mit Hilfe der niederländischen Hilfsorganisation HRIF auf See soll und nach einer dreiwöchigen Reise in Haiti ausgeladen werden soll. Aber jetzt müssen wir erstmal packen -
      doch wo sind wir eigentlich hier, im Bunker unter dem Johann-Rist-Gymnasium ?
      Im Katastrophen- oder Kriegsfall ist mit einem starken Anstieg des Bedarfs für Krankenhausplätze zu rechnen. Aus diesem Grunde begann man in Westdeutschland bereits Ende der fünfziger Jahre mit dem Aufbau von Ausweich- und Hilfskrankenhäusern. Nach dem Bau der Berliner Mauer und der Kuba-Krise wurden diese Anstrengungen noch verstärkt. Verteilt über das Bundesgebiet entstanden Hunderte von Hilfskrankenhäusern, meist in Schulen, Jugendheimen und ähnlichen Einrichtungen. Bei den meisten davon handelte es sich lediglich um einfache Vorbereitungsmaßnahmen, verbunden mit der Einlagerung von Sanitätsmitteln an einem anderen Ort. Einige wenige Hilfskrankenhäuser entstanden allerdings auch im sogenannten „Vollschutz“ – ähnlich einem Zivilschutzbunker mit starken Stahlbetonwänden und –decken, eigener Wasser-, Strom- und Luftversorgung und allem, was man zum autarken Betrieb eines unterirdischen Krankenhauses benötigte.

      Zwischen 1964 und 1976 entstand auch in Wedel bei Hamburg in mehreren Bauabschnitten ein unterirdisches Hilfskrankenhaus im sogenannten "Vollschutz" mit zuletzt 1.694 Betten. Eine Nutzung für den vorgesehenen Zweck – also als Notkrankenhaus – fand nie statt. Lediglich während einer Übung im Jahr 1975 wurde die Anlage zum Leben erweckt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die eingelagerten Sanitätsmittel, Betten und medizinischen Geräte der Hilfskrankenhäuser in den neunziger Jahren als humanitäre Hilfslieferungen in notleidende Gebiete der Welt geschickt.

      Ganzer Text: hamburgerunterwelten.de/Hilfskrankenhaus-Bunker-Wedel.html

      Bei feuchten Herbsttemperaturen muss nicht nur geladen, sondern das Ladegut auch genau dokumentiert werden -
      die fleissigen Programmierer nutzen jede regenfreie Minute.

      Die Hilfsgüter werden so gut wie möglich gegen Regen geschützt, sonst kommen sie im Mango Tree Village Waisenhaus (Port-au-Prince) verschimmelt an, und das will niemand.

      Der Bunkerexpress sorgt für eine schnelle Durchquerung der langen Gänge
      auch der Spaßfaktor kommt nicht zu kurz.

      Mit diesem Gerät wird nicht nur hochgestapelt, sondern der Stapel auch gewogen
      und das Gewogene für den Zoll dokumentiert.

      Der Container füllt sich - und ein geschickter Staplerfahrer schafft es
      diesen Stapel, von dem schon drei Kartons abgestürzt sind (die, da feucht geworden, ausgepackt und zurück "in die Elbe", d.h. ins Hauptlager Große Elbstraße 264, werden müssen) so hochzuhieven, dass man die Kartons verladen kann.

      Die Kartons müssen im Container gegeneinander abgestützt werden -
      die Bälle dienen erstmal als Puffer und erst später zum Spielen.

      17:30: Fertig gepackt ! Der Trucker kann losfahren.


      24.10.16
      Manchmal ist es praktisch, von einer Fremdsprache zumindestens ein paar "heikle" Wörter zu kennen. Zum Beispiel Periode, Urin, Stuhlgang usw. oder Wörter aus dem Sexualbereich, um die Patient/inn/en nicht in die Verlegenheit einer für sie unangenehmen Umschreibung oder einer als unschicklich empfundenen Geste zu nötigen. Oder um sich nicht vor einer andersgeschlechtlichen Übersetzer/in weiter als vermeidbar bloßzustellen.

      Insofern war es praktisch, dass ich das arabische Wort für Hämorrhoiden kannte, weil es während meiner letzten Sprechstunde gleich zweimal hintereinander vorkam, und ich das Problem in Form eines Salbenrezepts bzw. einer Überweisung zum Proktologen schnell lösen konnte. Denn zu dieser Kenntnis hatte mich mein allerletzter Patient während meiner Tätigkeit als selbständiger Kassenarzt verholfen, am 9. Juli 2015 abends gegen 21 Uhr:
      Ein junger Syrer mit minimalen Englischkenntnissen kam in mein Sprechzimmer - "Problem Toalett". Ich brachte ihn irgendwie dazu, seine Hosen runterzuziehen und wieder hoch, nachdem ich die Bescherung gesehen hatte: "You have Hemorrhoids" - das Wort verstand er nicht. Ich zog mein Smartphone raus, googelte Deutsch-Arabisch "Hämorrhoiden" und fand einen für mich unlesbaren arabischen Schriftzug. Zeigte sie dem Patienten: "Ah, BOASSIRR !"
      Das Wort werde ich nie vergessen.

      Da hatte ich Glück gehabt mit dem Übersetzungscomputer, der hätte auch sonstwas daherschreiben können. Mit einer chinesischen Patientin, die sich zur Angewohnheit gemacht hatte, mir regelmäßig die erhaltenen und für sie unverständlichen Amtsschreiben mitzubringen, hatte ich nicht so viel Glück. Wohl hatte sie immer ein Gerät dabei, das das Eingegebene schriftlich und mündlich vom Deutschen ins Chinesische übersetzte oder umgekehrt, aber wenn das Maschinchen ein Wort nicht kannte, dachte es sich ein ähnlich klingendes aus und übersetzte unaufgefordert das.
      Jetzt hatte ihr die Krankenkasse einen Organspendeausweis geschickt. Ich tippte "Organspende" in den Kleincomputer: Das Wort kannte er nicht und übersetzte stattdessen - Orgasmus.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      5.12.16
      Seit dem 29.9. gibt es nahe des Hauptbahnhofs in der Adenauerallee 10 das Kompetenzzentrum Migration des Pariätischen Wohlfahrtsverbandes, in dem einige auch im Bieberhaus tätige Gruppen und Helfer/innen eine Weiterbeschäftung gefunden haben. Die Möglichkeit, Hausarztsprechstunden für Geflüchtete, mit oder ohne Papiere, abzuhalten, hab ich dort bisher zwar nicht gefunden, aber vielleicht kommt ja noch was.

      Heute ist wieder ein Koordinatorentreffen vorgesehen, das erste Mal auch mit SeGeMi, die Psychotherapieplätze für traumatisierte Flüchtlinge organisieren. Ich bin viel zu früh da, trinke einen Kaffee in der Hansebäckerei Junge, d.h. im Bieberhaus, und hänge meinen Erinnerungen nach.

      Wenn ich für diese Bäckerei Werbung mache, hat das seinen Grund. Als wir nämlich letztes Jahr am Hauptbahnhof in der Zelten und im Container die "Transitflüchtlinge" versorgten, durften alle Helfer/innen in dieser Bäckerei die Toilette benutzen. "Ich muss mal in die Bäckerei", diente nicht unbedingt dem Erwerb von Backprodukten.
      Selber nahm ich manchmal Patientinnen mit, einen Plastikbecker und Urinteststreifen, um an diesem Waschbecken die eine Tür weiter gewonnene Flüssigkeit zu untersuchen - manche Blasenentzündung, aber auch manche Schwangerschaft wurde hier entdeckt.
      NOCHMAL DANKE !


      17.12.16
      Wieder mal Arbeitseinsatz der Bieberhausgruppe bei Hanseativ Help. Es würden viel mehr Sortierer/innen gebraucht als da sind, die Kisten mit gespendeter Kleidung etc. stapeln sich, allein heute kommen mehr Spenden an als die Anwesenden in dieser Zeit bearbeiten können.


      Dahinter: Mein Arbeitsplatz und ein verdeckter Helfer, etwas 190 cm groß ...

      Diese Kisten sind voll und passen in kein Regal mehr, die Sachen müssen gezählt und verpackt werden.



      Packers Alptraum: Die blaue Kiste ist leer und der Karton noch nicht voll !

      Das darf sie nämlich noch nicht verschlossen werden, weil sie im Stapel sonst zusammengedrückt und beschädigt werden kann. Und die zahlreichen umliegenden Kleidungsstücke sind alles, nur keine Männerpullover Größe L. Das ist aber fast immer so.

      Schliesslich hinterlasse ich die Kiste ungepackt. Irgendwann wird sich der fehlende Pullover noch finden, und es bleibt mir ein Appell an alle die nix zu tun haben: Hanseatic Help braucht Helfer, um die Spenden zu sortieren: Täglich ausser Mittwoch 10 - 20 Uhr, Samstag/Sonntag 12-18h.

      P.S.
      Der Container mit Hilfsgütern für das Waisenhaus in Haiti ist inzwischen angekommen. Die Sachen, obwohl an einem Regentag in Wedel verpackt, sind trocken und unversehrt, und inzwischen verteilt !
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      1.1.2017
      Überall in den Städten sieht man sie, sitzen, knieen oder stehen, die Bettler/innen aus Rumänien und Bulgarien, oft Roma, aber nicht nur. Ich hab mir schon angewöhnt, ihnen die Entsorgung meiner Wasserflaschen zu überlassen wenn ich sie ausgetrunken habe. Persönlichen Kontakt hatte ich bisher noch zu keinen dieser Leute.

      Jetzt ruft mich eine ehemalige Bieberhaus-Mitstreiterin an. Sie erzählt von einer jungen Rumänin, die mit Mann und zwei Kindern, zehn und zwölf, hier überwintert, weil der heimatliche Wohnverschlag nicht wintergeeignet ist, und es in der Region dort keine Arbeit gibt. Immerhin gehen die Kinder zur Schule. Das erbettelte Geld reicht kaum, um die Busfahrt hierher und zurück sowie das winzige Pensionszimmer (45€/Nacht) zu bezahlen, viel Erspartes für die Zeit in der Heimat kann da nicht übrig bleiben. Als die Helferin den Kindern ein bissl Spielzeug mitbrachte, machten die große Augen - Spielzeug hatten sie in ihrem Leben noch nie gehabt.

      Die Rumänin habe jetzt starke Schmerzen in der Nierengegend, sagt die Helferin, ob ich mal nachschauen könne. Am nächsten Morgen geh ich hin, mit Urinteststreifen im Rucksack; vorher hab ich die Patientin angerufen, sie möchte etwas Morgenurin auffangen und für mich stehen lassen.

      Die Gegend hinterm Hauptbahnhof, wenige Meter von den Einkaufsmeilen der Moenckebergstraße entfernt, sieht verlassen aus. Zwei Drogis kommen mir entgegen und rufen laut den Namen des Medikaments, das sie suchen. In der Münzstraße hält mir ein spanisch sprechendes Pärchen den Zettel des Winternotprogramms entgegen und fragen, wo das ist. Ich kann es in meinem Bröselspanisch erklären - allein es hat für heute Morgen schon zu, und vor den geschlossenen Containern lärmt ein Bagger auf den Trümmern des geräumten Kommunikationszentrums "Koze".

      Das Pensionszimmer, in dem mich die Patientin und ihre Tochter erwarten, ist nicht breiter als das quer darin stehende Bett lang; zwei Stühle, ein Tisch, und das Zimmer ist voll. Ich nehme das Marmeladenglas mit dem Urin auf die Toilette mit und halte den Teststreifen hinein: Alles normal, keine Blasen-, insbesondere keine Nierenbeckenentzündung. Dafür schmerzt der ganze Rücken, egal wohin man drückt. Das wundert mich nicht - wenn ich die Leute auf der Straße sehe, tut mir schon vom Hingucken der Rücken weh.
      Wärme wär nicht schlecht, das verträgt sich aber nicht mit der "Arbeit", ansonsten Schmerzmittel, wovon ich da lasse so viel ich habe. In der Hoffnung, dass Magen und Nieren das vertragen.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      7./8.1.2017
      Meinen "Hanseatic-Help"-Einsatz muss ich auf Sonntag verschieben, weil heute kurzfristig eine Demo angesetzt ist gegen die unmenschliche Abschiebepllitik des Hamburger Senats, der im Gegensatz zu den Nachbarländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen jetzt auch Menschen nach Afghanistan deportiert hat, zum Teil vorher nach Gestapo-Manier nachts aus den Betten gerissen. Wer wissen möchte, wie diese unmenschliche Prozedur abläuft, kann sich zwei NDR-Reportagen dazu anschauen:
      youtube.com/watch?v=sj20-D5rYcM
      ardmediathek.de/tv/45-Min/Prot…72246&documentId=36888684

      Bekanntermaßen, sogar laut "Tagesschau", herrscht in Afghanistan Krieg, und es ist in keinster Weise ein "sicheres Herkunftsland". Auch das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung herausgegeben:
      Vor Reisen nach Afghanistan wird dringend gewarnt. Wer dennoch reist, muss sich der Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Auch bei von professionellen Reiseveranstaltern organisierte Einzel- oder Gruppenreisen besteht unverminderte Gefahr, Opfer einer Gewalttat zu werden.

      Für zwingend notwendige berufliche Reisen nach Afghanistan gilt: Der Aufenthalt in weiten Teilen des Landes bleibt gefährlich. Jeder längerfristige Aufenthalt ist mit zusätzlichen Risiken behaftet. Bereits bei der Planung des Aufenthaltes sollten die Sicherheitslage und die daraus resultierenden Bewegungseinschränkungen beachtet werden. Zudem sollte der Aufenthalt auf der Basis eines tragfähigen professionellen Sicherheitskonzepts durchgeführt werden.

      Auf die Demo am Samstag sind trotz Blitzeis, Kälte und Regen achthundert bis tausend Leute gekommen.







      Am Sonntag versuche ich wieder, bei Hanseatic Help gegen den Kistenstapel anzukämpfen, der seit dem letzten Mal nicht kleiner geworden ist. Zwei bekomme ich innerhalb drei Stunden ausgepackt. dabei fällt mir ein T-Thirt auf, das offiziell Größe S hat, aber inzwischen so eingelaufen ist, dass ich es zum Kindertisch hinüberbringe, und ich frage mich, welchen Weg das gute Stück hierher wohl genommen hat.

      :reg:
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      - Kurt Tucholsky -
      Das paßt doch wieder wie die "Faust auf`s Auge".
      Hamburg geht voran beim "Loswerden" von Flüchtlingen
      um die Kosten zu senken und die Sicherheit zu verbessern
      Und gleichzeitig bejubeln sie die Errichtung eines "Reichen-Tempels".
      ca. 250+500 Mio € (1,5 Mrd. DM) Baukosten. Wieviel Gutes für
      die Menschen hätte man tun können, wenn die neue "Konzert-Halle"
      einen der Zeit "angemessenen" Umfang gehabt hätte. Solche Großmanns-
      sucht kennt man zwar von den Despoten in Frankreich (Sonnenkönig) und
      Rußland (Zaren). Aber wohin das geführt hat kann jeder in den Geschichts-
      büchern nachlesen. Was macht es nun mit Hamburg? Als nächstes eine
      Spezial-Polizeitruppe um das Objekt gegen Angriffe des "Prekariats" zu
      schützen?
      Die Sturmgewehre und gepanzerte Fahrzeuge sind noch pünktlich vor der
      Eröffnung eingetroffen. Ein Schelm, wer bei der zeitlichen Abfolge nicht
      an Zusammenhänge denkt. :kopfkratz:
      spiegel.de/panorama/gesellscha…urmgewehre-a-1121268.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Angesichts der in Griechenland und auf dem ganzen Balkan gestrandeten Flüchtlinge, die derzeit in ihren Zelten eingeschneit sind, hatten wir kurz überlegt, einen Transporter voller Schnee zu beschaffen (das wär noch relativ einfach gegangen, da der als Abfall vor den Eislaufhallen herumliegt) und uns gut sichtbar in Zelten und Schlafsäcken auf diesem Schneehaufen zu drapieren, mit entsprechenden Transparenten. Das ist an logistischen Problemen gescheitert, insbesondere hätte uns die Polizei allenfalls an einen vollkommen uneinsichtigen Platz gelassen.
      wetter.at/wetter/welt-wetter/M…-ums-Ueberleben/265109848

      Ein paar Nazis wiederum hat man irgendwo in die Nähe gelotst mit ihren stumpfsinnigen "Merkel muss weg"-Plakaten. Hoffentlich sind sie gescheit verdroschen worden. Die Presse hat das übrigens vollkommen unerwähnt gelassen, was ich in diesem Fall begrüße - in diesem Winzforum kriegt das eh kaum jemand mit.
      facebook.com/photo.php?fbid=16…9598947275&type=3&theater
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      - Kurt Tucholsky -
      Irgendwann mittag an der Anmeldung eines medizinischen Großlabors in Hamburg-Langenhorn.
      Zwei junge Afrikaner stürmen rein und verlangen, noch völlig ausser Atem und weiter auf der Stelle tretend, nach einer sofortigen Urinkontrolle. Normalerweise ist es ein absolutes No-Go, an der Anmeldung einer medizinischen Einrichtung ohne erkennbare Notsituation Hektik zu verbreiten.
      Nicht so hier. Die Anmeldedame lächelt und fragt die beiden: "Wer von Euch ist Haile und wer Issa ?"
      (Namen geändert)

      Rückblick.
      Bilharziose ist eine ernste und in Afrika weit verbreitete Parasitenkrankheit, besonders in eritrea haben mehr als die Hälfte aller Einwohner diese schon einmal durchgemacht, das sieht man, wenn man die Antikörper im Labor bestimmt. An einer besonderen Art Antikörper im Blut kann man aber auch mit eingier Wahrscheinlichkeit sehen, ob dieser Mensch jetzt noch eine Bilharziose hat oder nicht. Bei Issa und Haile ist das so.
      Der Parasitennachweis, wonach sich richtet, ob der Patient das gegen die Erkrankung wirksame Medikament (Biltricide) bekommen muss, ist nicht einfach. Verschiedene Maßnahmen, wie vor allen das Sammeln von Urin über mehrete Tage, ist unter den jetzigen Lebensbedingungen der Menschen kaum machbar - stellt Euch vor, Ihr bewohnt mit einem andern zusammen ein Winzzimmer in einem Containerdorf, deponiert den Urinsammeleimer tagelang unter dem Bett und müsst mit dem Gesammelten mehrmals mit dem Bus durch die halbe Stadt fahren.
      Da gibt es eine andere Möglichkeit: Eine einmalige Urinprobe mittags, "gewonnen" nach körperlicher Anstrengung, bringt evtl. vorhandene Parasiten leichter unters Mikroskop - das hat mir die Dame aus dem Labor gesagt.
      Und so kam es zu dem Sprinturin von Langenhorn.
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      - Kurt Tucholsky -
      Bilharziose oder andere durch Parasitenerkrankungen hervorgerufene Krankheiten nicht, weil es diese Parasiten hier nicht gibt, bzw. sie auch hier nicht existieren können, weil zu kalt. Sie werden in Afrika etc. durch die Hand, meist Füße (unzureichendes oder nicht vorhandenes Schuhwerk) und dort dort winzige Hautverletzungen aufgenommen, wenn die Leute durch Pfützen ode seichtes Wasser gehen. Ein derartiger Übertragungsweg ist hier nicht möglich.

      Überhaupt ist die Gefahr für Einheimische, selbst für solche mit engem Kontakt zu den Flüchtlingen wie Helfer/innen, sich zu infizieren, sehr gering. Das Risiko für Geflüchtete sich hier anzustecken ist wesentlich höher. Das ist das Resümee sämtlicher Untersuchungen zu dem Thema, z.B. durch das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

      Ich nehme an nahezu allen Fortbildungen zum Thema "Flüchtlingsmedizin", die hier in Hamburg regelmäßig stattfinden (z.B. für die in den Erstaufnahmen tätigen Ärzte) teil. Schliesslich ist das mein neues berufliches "Hobby", und auch ich brauche noch die Fortbildungspunkte, sonst nehmen sie mir die Approbation weg.
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      - Kurt Tucholsky -
      Das ist aber auch dringend nötig, daß überall in der
      Ärzteschaft die neuen Herausforderungen durch
      die Migration bei der Weiterbildung berücksichtigt
      werden. Nicht nur Tropenkrankheiten (könnten
      durch die Klimaerwärmung auch hier Fuß fassen)
      sondern auch überwunden geglaubte "europäische"
      Probleme: Tuberkulose, Masern, Hepatitis bis hin zu
      "Krätze". Bei den Beispielen reicht schon die Migration
      der neuen EU-Mitgliedsstaaten aus Süd-Ost-Europa.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      Eher durch Klimaerwärmung als durch Migration - so hat es bereits in Flughafen-Nähe vereinzelt Malariainfektionen gegeben. Bisher hat es hier die in feuchtem Touri-Gepäck eingeschleppten Plasmodien-haltigen Mücken kältebefingt dahin gerafft, das könnte bald anders werden.
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      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Laut STERN bzw. der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) gab es zwischen 2014 und 2016 in Deutschland sechs Leprafälle, allesamt importiert d.h. nicht hier angesteckt.

      In meinen "Flüchtlingsmedizin"-Fortbildungen hab ich darüber noch nix gehört, es spielt wohl keine Rolle, und selbst wenn es mal auftritt, wie vor einem Jahr in Salzburg, kann man entspannt an das Problem herangehen, da nur schwach infektiös und inzwischen gut behandelbar.
      :reg:
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      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Danke grizzly.
      Ein Albtraumthema weniger. :zwinker2:
      Ich war heute auf Recherchetour im
      Internet und da ist mir eine kleine Reportage
      in die Finger geraten die gut hier rein paßt.
      Es ist die Schnittmenge von Obdachlosigkeit
      und medizinischer Versorgung in Verbindung
      mit illegaler Migration (aber nicht nur).
      Dort wird explizit von "Parallelgesellschaften" in
      Deutschland gesprochen in denen auch "Deutsche"
      gefangen sind.
      spiegel.de/video/eine-frage-de…nliebe-video-1551393.html
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.