Grizzly lernt Schwedisch

      Grizzly lernt Schwedisch

      Anbei mein erster Rentnerreisebericht, wo ich über 3 Wochen auf der Volkshochschule in Göteborg Grundlagen der Landessprache erlernte - Bilder gibt's später.

      Borås, 14.8.15
      auf meinem (inzwischen dienstunfähigen) Mobiltelefon geschrieben:

      Die Fahrt auf der A7 nach Kiel war grauenhaft, eine Baustelle nach der anderen - fuer 79 km über 2 Stunden gebraucht. Die Weiterfahrt auf der Fähre bzw von Göteborg nach Borås verlief dann problemlos. Hatte auf der Faehre einen netten Kabinennachbarn (21 Jahre jung), der in keiner Weise genervt oder geschnarcht und am Ende auch noch mitaufgepasst hat, dass ich nix vergesse (ich haette ja sein Opa sein koennen). Er kam zudem aus Oberfranken (Coburg), wo ich Abitur gemacht hab (in Hof), so dass auch für vertraute Ortsthemen gesorgt war.

      In meiner Klasse an der Folksuniversitet (Straßenbahnhaltestelle Järntorget) ist von Japan bis Argentinien alles vertreten, die Hälfte (8 von 16) deutschsprachig. Wobei ich auch hier der Opa bin, die Japanerin ist 41, alle anderen zwischen 18 und 31.

      Zwischendurch besuche ich meine inzwischen 95jährige Tante in Ulricehamn, das liegt ca 100 km östlich. Weshalb ich diesmal mein Auto mitgenommen und ein Quartier auf halber Strecke habe. Von dort fahre ich mit Bus/Bahn nach Göteborg oder eben mit dem Auto weiter nach Ulricehamn, bzw abends ins "Vandrarhem" von Borås. Schon das Parken am Borås' Bahnhof kostet 20 Kronen Minimum pro Tag, und in Göteborg ist es unbezahlbar, also besser Monatskarte.

      Am 2. Tag hab ich einen Mordsschreck gekriegt, weil mein Auto muckte. Auf dem Tachodisplay leuchte ein Symbol auf, das ich noch nie gesehen hatte. Fuhr zur Werkstatt, fragte einen Menschen der zwar freundlich war aber keine Ahnung hatte, startete wieder - und alles war normal, und blieb es bis heute. Das Auto wollte wohl signalisieren, dass es auch noch da war.
      Meine Schwester meinte, ihre Bekannte hätte ihrem Auto was vorgesungen, dann fuhr es besser. Sollte ich vielleicht auch machen - am besten morgens die Marseillaise, ist ja schliesslich ein Franzose (Renault). Allerdings kann ich nur den halben Text der 1. Strophe.

      Selbstkritik:
      Das nächste Mal lass ich das Auto wieder daheim. In Göteborg und ganz Västergötland gilt meine Monatskarte (Västtrafiks Regionen Runt für 1680 SEK), und für Ulricehamn incl. Tantenausflüge kann ich das Taxi nehmen (das Heim liegt 2 km auf dem Berg). Dagegenrechnen muss man nicht nur Stress, Sprit und Autofährkosten, sondern auch die Parkgebühren und in Göteborg ggf die Citymaut (ausser Sonntag).
      Gut, ohne Auto haette ich das dienstägliche Veteranbiltreffen (tolle Oldtimer aus S, D und den USA) in Borås nicht entdeckt, aber weiss ich ja wo das ist - falls es nächstes Jahr wieder stattfindet. Zum Marktplatz (Stora Torget) vom Bahnhof aus kann man das laufen.

      Das Wetter ist angenehm, aber deutlich kühler als, soweit ich das mitbekommen hab, zZt in Deutschland. Wenn abends die Sonne weg ist, wirds auf meinem Campingplatz, an den das Vandrarhem angeschlossen ist, schnell kuehl u.v.a. feucht vom Tau - ich sitz meistens draussen, weil mein Winzzimmer nur zum Schlafen taugt. Und morgens brauch ich die Jacke, die herumzuschleppen mich dann tagsueber zusaetzlich ins Schwitzen bringt. Naja - Schwitzen ist gesund.
      (PS.: Inzwischen wirds auch hier wärmer, die morgendliche Jacke ist verzichtbar und die sicherheitshalber mitgeschleppte dünne Regenjacke reicht fuer morgens/abends völlig).

      Gestern hab ich was gelernt, was meine letzte Klinikchefin (Psychiaterin und Feministin) in helle Begeisterung versetzt haette. Die hatte immer kritisiert, dass aus einer beliebig grossen Lehrerinnengruppe eine Lehrergruppe wird, sobald auch nur 1 männlicher Kollege dazukommt. Im Schwedischen ist das zwar meistens auch so, aber es gibt mindestens 2 Ausnahmen:
      FRÖKEN (Fräulein) gibt's zwar sonst nicht mehr, ist aber eine populäre Kinderbezeichnung für Grundschullehrer (ja, auch für Männer !), und mein früher mal erlernter Beruf, der hier geschlechtsuebergreifend SJUKSKÖTERSKA dh Krankenschwester heisst. So meldete ich mich gestern bei einer Telefonierübung im Kurs, bei der ich einen Klinikmitarbeiter zu mimen hatte, korrekterweise mit SYSTER GRIZZLY. Den Spitznamen hab ich jetzt wohl weg.

      Mehr später :winkewinke:
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      PS I zu oben:
      In der 2. Kurswoche hat sich mein Tagesablauf soweit eingespielt, dass ich keinen Wecker mehr stellen müsste. Ich wach zwischen 5 und 5:30 auf, mach mich fertig, zuckele vom Campingplatz, an den das Vandrarhem angeschlossen ist, durch das um diese Zeit noch ziemlich leere Borås bis unter die Bahnhofsbrücke, wo ich den billigsten Parkplatz ausgemacht habe. Wackle über die Brücke und genehmige mir bei Pressbyrån (vorwiegend in Bahnhöfen angesiedelte Universalläden) ein Frühstück.

      Am liebsten nehme ich den Zug 6:58, weil ich da mehr Beinfreiheit hab und so besser schlafen kann - für die Fortsetzung der alten Schülertradition, die Hausaufgaben morgens im Zug zu machen, bin ich zu müde. Auch haben die meisten Züge keine Tischchen (ausser den ganz neuen, an einigen Plätzen). Die Busse fahren zwar im Halbstundentakt, aber nachdem ich mal grad noch rechtzeitig aufgewacht bin, bevor der Fahrer sein Fahrzeug zusperren konnte, ziehe ich endgültig den Zug vor. Dazu hatte er seinen Doppeldeckerbus schon auf einem abseitigen Platz geparkt - anscheinend hat er vergessen das Oberdeck zu kontrollieren. Im Zug passiert das nicht, der bleibt im Bahnhof erstmal stehen, und das Putzkommando kommt gleich nachdem der Letzte ausgestiegen ist (oder auch nicht).
      "Är du insomnat ?" oder sowas ähnliches war der ganze Kommentar des Busfahrers. "Insomna" heisst also einschlafen, wieder was gelernt.
      Interessant. Im Psychiaterdeutsch bezeichnet Insomnie, dass man NICHT schlafen kann.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Bei meinen Urlaubsreisen bin ich vorwiegend "schreibfaul".
      Bei der Rekonstruktion des Ablaufes anhand von Fotos,
      Eintrittsbillets und Ansichtskarten kommt dabei nie so eine
      flüssige Reisebeschreibung heraus. Da hast du wirklich
      Talent zu. Es liest sich wirklich hervorragend. :icon_thumbsup:
      Nur eines gibt mir zu denken. :kopfkratz:
      So ein intensiver Schwedisch-Kurs im Urlaub läßt auf
      weitreichende Pläne schließen. Wollt Ihr etwa euren
      Lebensmittelpunkt verlegen?
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

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      Wollt Ihr etwa euren Lebensmittelpunkt verlegen?

      Nein, lieber COOLmann, das ist nicht beabsichtigt.
      Mir macht das Sprachenlernen einfach Spaß, insbesondere wenn es mit einem Nutzaspekt wie hier verbunden ist. Immerhin spricht meine Tante jetzt öfter schwedisch mit mir, weil sie mit ihren 95 öfter die Sprachen durcheinander haut, zum anderen versteh ich sie dann auch, wenn sie etwas zu ihrem Heimmitbewohnern oder den Schwestern sagt, und muss nicht oder nur noch selten nachfragen.
      Ausserdem fahre ich lieber durch ein Land, wenn ich die Sprache verstehe, da hab ich einfach einen Ehrgeiz. Zudem sehe ich das Sprachenlernen für mich als eine gute "Demensprofilaks" (schwedisch geschrieben - die Frauen von der Göteborger Volkshochschule waren hellauf begeistert, als ich in meiner Abschlussbeurteilung des Kurses meine Motivation so formulierte, und wollen das anscheinend so bisher nicht bekannte Wort für ihre Eigenwerbung verwenden).

      Inzwischen bin ich, da mein Smartphone vor einer Woche den Geist aufgegeben hat, auch im Besitz eines schwedischen Billigmobiltelefons, dessen Display kein Deutsch versteht. Und da ich mit technischen Anleitungen egal in welcher Sprache eh auf Kriegsfuß stehe, hab ich die schwedische Version gelassen - englisch wär noch gegangen, sonst halt die nordischen Sprachen.
      Heut hab ich ihn mal, nach vorherigem Durchzählen der Möglichkeiten für den Rückweg, mal kurz auf Finnisch umgestellt - aufgrund meiner traumatischen Erfahrung von vor ein paar Jahren, als ich mein Gerät versehentlich auf Türkisch verstellt und in Panik die nächste Dönerbude aufgesucht hab, weil ich den Rückweg nicht mehr fand. Nun gibt es hier genug Dönerbuden, aber find mal einen Finnen hierzulande ...
      Inzwischen spricht das gute Stück wieder Schwedisch mit mir, und so kommt man dahin:
      Asetukset = Einstellungen
      Yl. Käyt. asetukset = Telefoneinstellungen
      Puhuleminen kieli = Sprachwahl
      Dann gibt er die möglichen Sprachen an, d.h. wenn Du dort bist, hast Du gewonnen.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Du scheinst an Sprachen mehr Spaß zu haben als ich.
      Wenn ich nur daran denke, wie ich mich mit Russisch
      rumgequält habe (Pflichtfach in der DDR bis zum Studium)
      rollen sich heute noch meine Fußnägel ein. Da bin ich auch nie
      über ein "befiedigend" hinausgekommen.
      Dafür war Englisch (2. Fremdsprache bis zum Studium) wegen
      seiner Nutzbarkeit (technisches Englisch, Computer, Song-Texte)
      noch eher zu ertragen. Und mit dem "mentalen" Spaß ergab sich
      da auch eine bessere Lernleistung.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Wenn ich nur daran denke, wie ich mich mit Russisch rumgequält habe

      Tröste Dich, lieber COOLmann, in der Schule war ich, was Sprachen betrifft, grottenschlecht -
      guckst Du hier
      Wieso ich da in Betragen 2 und Fleiss 3 bekommen hab, weiss ich selber nicht, 4 oder 5 wären aus meiner heutigen Sicht auch OK gewesen. War halt in der Krise.

      Im Abiturzeugnis hatte ich schliesslich in Latein 4, (Alt)Griechisch 3, Englisch dank eines unverschuldeten Spicksechsers 4 (von mir abgeschrieben hatte der Nachbar, und ich wollte ihn auf einen Fehler hinweisen - aber wenn er das richtiggestellt hätte, hätte ich meinen Sechser behalten und er auch noch einen bekommen, so sagte er sich, einer reicht, und das sah ich dann auch so); erst als ich zu reisen anfing, merkte ich, dass ich dafür ein Talent hatte u.v.a. dass es Spaß macht.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Oh oh :kopfkratz: da war ich ja echt ein Streber.....
      Doch letztendlich war die Karriere mit der "Wende"
      gebrochen. Da hätte es auch nicht geholfen wenn
      ich in der Schule noch besser aufgepaßt hätte.
      Mein Fehler war halt die Heimatverbundenheit.
      Die Investitionen an Zeit, Geld und Kraft in die
      Ausbildung hätten sich nur westlich von hier
      amortisiert. :muede_traurig:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.