8. Mai 2015: 70 Jahre Befreiung

      8. Mai 2015: 70 Jahre Befreiung

      Bis in den Hirnen der Deutschen, zumindestens derer, die nicht aktiv im antifaschistischen Widerstand waren oder sich mit diesem Thema beschäftigt haben, die Tatsache, dass der 8. Mai 1945 auch in Deutschland ein Tag der Befreiung war (und nicht einfach "Kriegsende" oder "Zusammenbruch"), angekommen ist, mussten erst zwei Bundespräsidenten ein Machtwort sprechen (Richard von Weizäcker und Joachim Gauck). Und auch heute ist das noch nicht Allgemeinbewusstsein in Deutschland - OK, die unverbesserlichen alten und jungen Nazis kann man in diesem Zusammenhang vergessen, aber in den Schulen war das auch nicht immer präsent, insbesondere nicht für Menschen, die erst nach ihrer Schulzeit nach Deutschland bzw. Europa gekommen sind, oder frühzeitig zB zwecks Verheiratung aus der Schule herausgerissen wurden.

      Und so schluckt man als 68er erstmal, wenn jemand bei diesem Bild



      nachfragt: "Befreiung - wovon ? Von der AOK ?"
      Wer seit langem von Hartz4 leben muss, denkt bei Befreiung halt erstmal an Rezeptgebühren :kratz:

      Das Bild stammt vom Abend des 8. Mai, als aus Anlass des 70: Jahrestags der Befreiung Deutschlands (und Europas) vom Hitlerfaschismus ein "Informationsrundgang", eigentlich schon eher eine Demo, veranstaltet wurde. Es waren auch noch einige Zeitgenoss/inn/en von damals dabei, für die einige Fahrradrikschas bereit standen.





      Am Rathausmarkt wird eine Szene aus dem Widerstand nachgespielt, bei dem ein in den Dreissiger Jahren dort befindlicher Kiosk geheime Zentrale der Kämpfer/innen war.



      Vorbei geht's am ehemaligen Stadthaus, in dem die Gestapozentrale war, und wo Gefangene verhört, gefoltert und auch ermordet wurden (u.a. dadurch dass sie aus dem Fenster gestürzt wurden - offiziell war das nachher Suicid). Aktuell gibt es Bestrebungen, dass nach dem Umbau dort eine Shopping-Meile entstehe soll, und das geht natürlich gar nicht.







      Unweit dieser Stelle ist ein Stolperstein zu Ehren des 1944 ermordeten Widerstandskämpfers Anton Saefkow angebracht.





      Besonders in den ersten NS-Jahren waren noch kleine Öffentlichkeitsaktionen möglich. So hängten Arbeiterinnen am 1. Mai demonstrativ rote Federbetten aus dem Fenster, anstatt der verbotenen roten Fahnen - offiziell zum Auslüften.


      Inzwischen hängen wieder rote Fahnen, da leichter zu beschaffen als Federbetten ...

      Ein solches Widerstandszentrum war das Gängeviertel, das deshalb in den Dreissigern von den Nazis weitestgehend platt gemacht wurde, nur noch einige Gänge wie der Bäckerbreitergang sind übrig geblieben (oder, an anderer Stelle, aber das gehört heut nicht zum Thema, die Krameramtsstuben).



      Am Sievekingplatz befindet sich auch heute noch das Oberlandesgericht,


      daneben das Untersuchungsgefängnis Holstenglacis.


      Dort worden während des NS-Diktatur über 200 Menschen zum Tode verurteilt und ermordet worden,
      unter ihnen die Widerstandskämpfer Fiete Schulze und Etkar Andre.

      Während des Prozesses gegen Fiete Schulze wurde kurzfristig der Sievekingplatz "umbenannt",



      eine damals lebensgefährliche Aktion.





      Bevor die Demo auf dem ehemaligen Schlachthofgelände bei Liedern aus dem internationalen Widerstand und Getränken ihren Ausklang findet, wird ein Beitrag der Überlebenden Esther Bejerano abgespielt, in dem sie fordert, dass der 8. Mai als Tag der Befreiung gesetzlicher Feiertag werden soll. Dem kann ich mich nur anschliessen, auch wegen des eingangs Beschriebenen.

      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Wir im "Osten" leben schon seit jeher mit dem "Tag der Befreiung"
      durch die Siegermächte, allen voran der Sowjetunion.
      Aber in den letzten Jahren mußte ich umdenken, um dem allgemeinen
      "Mainstream" zu folgen. Jetzt ist dieser Tag vom Befreiungstag zum
      Tag der Besetzung durch sowjetische Truppen mutiert. Zumindest
      redet uns dies die Regierung in der neuen "Reichshauptstadt" ständig ein.
      Deshalb sage ich lieber nix dazu und hege meine eigenen Gedanken. :kaffeetrinken1:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.