German-Wings-Absturz

      German-Wings-Absturz

      An den überbordenden Informationen diese Katastrophe betreffend kommt wohl derzeit niemand vorbei. Und an der Frage, was jemanden wie den Co-Pilogten Andreas Lubitz zu dieser Wahnsinnstat veranlasst hat, auch nicht. Der aktuelle Stand:
      Bereits am Donnerstag hatte FAZ.NET Hinweise erhalten, wonach der Kopilot der abgestürzten Germanwings-Maschine an einer psychischen Erkrankung litt. Nun melden immer mehr Medien übereinstimmend, dass Andreas Lubitz offenbar psychiatrisch behandelt wurde. Die „Bild“ schrieb in ihrer Freitagsausgabe unter Berufung auf Quellen bei der Lufthansa, dass sich Lubitz anderthalb Jahre in psychiatrischer Behandlung befand und deshalb immer wieder in seinen Flugkursen zurückgestuft wurde.

      Im Laufe des Tages meldeten dann auch der „Tagesspiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“, entsprechende Informationen erhalten zu haben. Der „Tagesspiegel“ gab an, aus informierten Kreisen erfahren zu haben, dass der Kopilot am Uniklinikum Düsseldorf wegen Depressionen in Behandlung war. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb auf ihrer Internetseite, Lubitz sei bei mehreren Medizinern in psychiatrischer Behandlung gewesen. Das soll aus den Unterlagen hervorgehen, die bei der Durchsuchung seiner Wohnung sichergestellt wurden.

      Offiziell gibt es dafür bislang keine Bestätigung. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf spricht zwar von einer Krankheit, will jedoch keine Details nennen. Nach der akribischen, vier Stunden dauernden Durchsuchung der Wohnungen von Andreas Lubitz in Düsseldorf und Montabaur gab die Behörde am Freitagnachmittag erste Ergebnisse bekannt.

      Wie sie in ihrer schriftlichen Stellungnahme mitteilte, seien Dokumente medizinischen Inhalts sichergestellt worden, die auf eine bestehende Erkrankung und entsprechende ärztliche Behandlungen hinwiesen. Die Ermittler gehen davon aus, „dass der Verstorbene seine Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber und dem beruflichen Umfeld verheimlicht hat“. Das schließen sie unter anderem aus einer zerrissenen Krankschreibung, die den Angaben zufolge auch den Tag des Fluges umfasst.

      Wie die Staatsanwaltschaft hervorhob, sei weder ein Abschiedsbrief noch ein Bekennerschreiben beim Kopiloten der in den Alpen abgestürzten Germanwings-Maschine gefunden worden. Ebenso wenig hätten sich Anhaltspunkte für einen politischen oder religiösen Hintergrund des Geschehens ergeben.

      Ganzer Text: faz.net/aktuell/gesellschaft/a…geschrieben-13509244.html

      Bekannt war schon bisher, dass Lubitz vom Fliegen "besessen" war, und diese Krankmeldung bedeutete, dass er zumindestens an diesem Tag nicht fliegen durfte; die Vermutung, dass das Flugverbot von längerer Dauer sein könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Womöglich hat der krankschreibende Arzt nichts von der Tragweite seines Attests geahnt. Wobei auch ich als Hausarzt normalerweise bei einer Krankmeldung nicht den Arbeitgeber des Patienten benachrichtige, sondern davon ausgehe, das der Patient das, in seinem eigenen Interesse, tut - die Erklärung von GermanWings, sie hätten von dieser Krankmeldung nichts gewusst, ist also glaubhaft.

      Das Problem ist natürlich generell, dass unser Wirtschaftssystem solche Workoholics wie Andreas Lubitz züchtet, weil sie Umsatz bringen. Und dass die verantwortlichen Manager nicht nur dieses Konzerns derartige Tragödien als Kollateralschaden abbuchen, den man durch ein paar zusätzliche Psychotests (natürlich kostenneutral) zukünftig zu minimieren versucht.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Da ich mit Flugzeugen auf der Ebene als
      Mechaniker schon mal zu tun hatte gefällt mir
      die Eindeutigkeit der gemachten Aussagen
      im laufenden Untersuchungsverfahren nicht.
      Der dargestellte Verlauf ist zwar naheliegend
      aber nicht unbedingt alternativlos. Dazu ein
      Auschnitt aus einem Kommentar auf focus.de

      Auch Ulrich Paulus, stellvertretender Leiter der Berliner Luftfahrt-Akademie, hält die Ausführungen der Staatsanwaltschaft für plausibel und die Suizid-These für wahrscheinlich. Dennoch warnt er: „Eine endgültige Klärung aller Umstände ist erst möglich, wenn alle Parameter des Flugdatenschreibers ausgelesen sind.“ In der Luftfahrt habe es schon viele unerwartete Zufälle gegeben. Und theoretisch könnte sich alles anders abgespielt haben. Inzwischen ist bekannt, dass L. psychisch labil und an dem Tag krankgeschrieben war. Was, wenn doch just, nachdem der Kapitän das Kommando übergeben hatte und hinausgegangen war, die Elektronik verrückt gespielt hätte. Und L., der womöglich unter Medikamenten stand, völlig überfordert war? Vielleicht stülpte er sich die Sauerstoffmaske über - da darin ein Mikro platziert ist, hätte man seinen Atem gut hören können. Er machte den Fehler, die Höhe zu verstellen; war dann aber nicht mehr in der Lage zu reagieren. Theoretisch könnte der blöde Zufall dazu gekommen sein, dass die Tür klemmt – das kam tatsächlich schon vor. Das Szenario ist unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      Das Szenario :ob: ist unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich.

      Sicher nicht, aber nach den bisher veröffentlichten Erkenntnissen ist das, was bisher publiziert wurde, wahrscheinlicher.
      Sie suchen ja auch noch weiter bzw. schliessen andere Ursachen nicht aus.


      Die feministische Zeitschrift EMMA macht bei dieser Gelegenheit ein weiteres Fass auf, laut SPIEGEL:
      Unter dem Bild eines abhebenden Germanwings-Fliegers heißt es dort gleich in der Einleitung: "Amoktrips sind Männersache. Und die Lufthansa hat 94 Prozent männliche Piloten." Sowie: "Die Opfer sind überwiegend Frauen, die Täter sind männlich."

      Das Magazin nutzt das Unglück für einen Text, in dem, so lautet auch die Überschrift, eine "Frauenquote fürs Cockpit!" gefordert wird. Die Autorin verweist darin auf die "bei Männern viermal so hohe" Suizidquote. Daraus folgt dieser Satz:

      "Die Lufthansa könnte also das Risiko, dass ihre Piloten das Flugzeug zu Selbstmord und vielfachem Mord missbrauchen, mit jeder Frau, die sie zur Pilotin ausbilden, ganz erheblich reduzieren."

      spiegel.de/panorama/gesellscha…a-1026091.html#ref=plista

      Bemerkenswert die letztendliche Konsequenz des SPIEGEL-Kommentators:
      Wenn Männer als Piloten tatsächlich solch eine immense Gefahr darstellen, müsste man sie dann nicht komplett aus dem Cockpit verbannen?
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Was, wenn doch just, nachdem der Kapitän das Kommando übergeben hatte und hinausgegangen war, die Elektronik verrückt gespielt hätte.

      Nach dem Auffinden der Blackbox ist auch das ausgeschlossen.

      Dafür kommt mit der Fragestellung nach dem Stress, unter dem Piloten stehen, ein neuer Grund, sich nur dann in so einen Vogel zu setzen, wenn's nicht anders geht, und den Sommerurlaub eher per Bahn auf Rügen zu verbringen statt mit dem Billigflieger auf Malle:

      Beim Kaffee redet der Kapitän Klartext. "Meine Fluggesellschaft hat nicht annähernd so harte Auswahlkriterien wie Lufthansa. Viele Copiloten muss ich heruntersprechen, sonst würden sie es nicht schaffen, selbst bei gutem Wetter. Manche von ihnen bekommen so wenig Geld, dass sie auf dem Land wohnen und stundenlange Anfahrtswege in Kauf nehmen, um morgens im Cockpit zu sitzen. Ich selbst bin Dutzende Male unabsichtlich eingeschlafen, und ich kenne keinen Kollegen, dem das nicht auch passiert ist." Dies sei Alltag bei der Charterfluggesellschaft, für die er tätig sei.

      Übertreibt der Pilot, dessen Name der Redaktion bekannt ist? Oder muss das Bild des glanzvollen Piloten mit den goldenen Streifen an den Ärmeln seiner dunkelblauen Uniform gründlich revidiert werden? Mehr als eine Woche nach dem Absturz des Germanwings-Fluges 4U9525 und dem Verdacht, der Copilot habe aufgrund seiner depressiven Erkrankung den Airbus 320 absichtlich in den Berg geflogen, rücken die Arbeitsbedingungen deutscher Piloten ins öffentliche Interesse.

      Auch der Flugkapitän der Charterlinie sieht seine Airline in Gefahr: "Wir haben ein eklatantes Sicherheitsproblem mit unseren Copiloten und dem eisernen Sparzwang, der uns abverlangt wird. Und wir sprechen nicht darüber."

      Die Linien-Piloten teilen sich in Deutschland, etwas vereinfacht dargestellt, in zwei Lager auf: Die einen gehören zur Lufthansa und deren Töchtern, wie etwa Germanwings, Eurowings oder Lufthansa Cargo und Cityline. Die anderen gehören zu den Billig-Airlines. Die Lufthansa-Angestellten arbeiten nach wie vor unter verhältnismäßig guten Bedingungen und mussten bei der Bewerbung mehrere Einstellungstests überstehen. Wie zuverlässig der sogenannte DLR-Test (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) ist, den die Lufthansa ihren Neulingen abverlangt, dürfte angesichts des Falles Andreas L., der durch viele Raster fiel, aber diskutiert werden.

      Doch wer dann beim "Kranich", wie die Mitarbeiter sagen, gelandet ist, hat in der Regel ausgesorgt. Ein junger Langstreckenpilot des Konzerns, mit dem die "Welt" sprach, berichtet zwar von langen Touren und Stress durch die häufige Zeitumstellung. Auch bleibe die Crew häufig nur 24 Stunden am Zielort und fliege gleich wieder zurück – im Pilotenjargon eine ungeliebte "Abholer"-Tour. "Aber uns geht es natürlich noch ganz gut im Vergleich zu anderen Airlines", sagt der Erste Offizier.

      Es sei weniger die Fliegerei, die für Stress sorge, als ständige Untersuchungen und Simulator-Checks. Wer sein Medical verliert – und das kann wegen einer plötzlich auftretenden Sehverschlechterung oder einer Diabetes-Erkrankung sehr schnell gehen –, ist seine Lizenz und damit seinen Arbeitsplatz los.

      "Ich kenne Piloten, die bewusst nicht zum Medizinischen Dienst der Lufthansa gehen, sondern lieber einen externen Arzt aufsuchen", sagt der Mann. Der Grund: Die Flieger wollen verhindern, dass die Firma zu viel über ihre Angestellten weiß – obwohl der Lufthansa-Fliegerarzt natürlich auch der Schweigepflicht unterliegt.

      Ganzer Text, nicht wie man meinen könnte, aus der TAZ, sondern aus einer konservativen Zeitung: welt.de/wirtschaft/article1390…s-nicht-mehr-fliegen.html
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Da ich ein paar Jahre mit dem militärischen Flugdienst zumindest
      technisch verbunden war, konnte ich einige Militärpiloten auch privat
      kennenlernen. Im zivilen Flugdienst mag es aber vergleichbar sein.
      Um solch eine körperlich und geistig anspruchsvolle Ausbildung
      erfolgreich abzuschließen muß man schon auf das "Fliegen" oder
      zumindest auf "das Ansehen eines Piloten" fixiert sein.
      Denn kaum ein normaler Mensch würde sich so nebenbei dieser
      langen, anstrengenden und auch noch selbst zu bezahlenden
      Ausbildung aussetzen. Bei den mittlerweile unendlich vielen Flügen
      mit einer Vielzahl von Piloten ist schon statistisch gesehen so ein
      "Unglück" irgendwann zu erwarten. Egal wie viele Kontrollmechanismen
      der Gesetzgeber einschaltet. In diesem Zusammenhang sind auch die
      wiederkehrenden Streiks der Pilotenvereinigung "Cockpit" zu sehen.
      Sie gehen in erster Linie gegen die geplante Streichung der Vorruhestandregelung
      für Piloten. Oder wer glaubt denn ehrlich daran, daß ein Pilot mit 58 noch die
      Flugtauglichkeitsprüfung besteht. Das sind vielleicht 10% der Kanditaten.....

      PS: Im übrigen Stimme ich grizzly voll zu! Die ausufernte Flugaktivität eines Teiles
      der Weltbevölkerung aus touristischen Ambitionen ist völlig destruktiv. Aber es muß
      halt immer ein neuer "Kick" her. Mein Cousin geht ab heute auch eine Woche wandern...
      Osterurlaub eben. Nur das er für diese naturverbundene Freizeitgestaltung 2x2 Std
      Kerosin in die Luft bläst. Mallorca liegt eben nicht gerade um die Ecke. :hohrenwackel:
      Vom Ticketpreis könnte man es aber auf jeden Fall annehmen. Denn mit dem Geld würde
      ich per Zug nicht mal bis in die Eifel kommen. :hasenaerger:
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Das Fliegen ist in der Tat zu billig, daran ändert auch die Luftverkehrsabgabe nichts. Eine Kerosinbesteuerung müsste her - aber seit Franz Josef Strauss' Zeiten, der kurz vor seinem Tod 1987 entsprechende Versuche erfogreich verhindert hat, sieht die CSU derartiges als Leichenschändung an und schreit dann entsprechend.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -