Radicofani, Raubritterburg in der Toskana

      Radicofani, Raubritterburg in der Toskana

      Auch in der Toskana gab es einen Robin Hood!

      Zumindest der Legende und den Erzählungen nach.
      Er hat sein Denkmal in einem kleinen Park in dem kleinen Ort Radicofani, wenige Kilometer östlich des Monte Amiata in der südlichen Toskana.



      Sein Name ist: Ghino de Tacco. (ca zw. 1298 und 1303)
      Im der rechten Hand hält er ein Schwert, in der linken einen abgeschlagenen Kopf auf einem Schild.



      In Siena hatten in dieser Zeit die Guelfen das politsche Sagen.

      Ghino de Taccos Familie, die Cacciaconti, waren eine ghibellinische Adelsfamilie , sie galten als Rebellen und waren wohl allzu mächtige Gegner der herrschenden politischen Klasse in Siena.
      Tacco Cacciaconti , Ghinos Vater, wurde nach Siena verschleppt , dort gefoltert und öffentlich hingerichtet.

      Ghino de Tacco zog sich danach auf die strategisch wichtige Burg Radicofani zurück und betätigte sich als Raubritter in sienesischem Gebiet. Er wurde als Art Volksheld verehrt, weil er bei den Reichen plünderte und ( so erzählt die Legende) an die Armen verteilte.

      Auf einer Rundfahrt durch die südliche Toskana entdeckten wir den Ort Radicofani mit der eindrucksvollen Burgruine auf einem Vulkankegel , der sich wie eine spitze Nadel aus dem Orciatal erhebt.



      Der Anblick machte uns neugierig .

      Die Straße führt ( wie oft in der Toskana) in vielen Kurven stetig bergan bis in das kleine Städtchen, das abseits der Touristenrouten liegt.



      Radicofani war früher eine wichtige Raststation an der Via Cassia , einer alten Handelsroute durch die Toskana nach Rom.
      Der Ort war sicher wohlhabend- zwei schöne , große Kirchen , ein Kastell und massive Steinhäuser aus dunklem Vulkanstein zeugen davon.









      Das Kastell im Ort



      Die KircheSant'Agata mit einem schönen Altar aus glasiertem Terracotta des Andrea del la Robbia, dessen Werken wir vor Jahren auch schon unweit von Radicofani, in Santa Fiora, begegnet waren.





      Heute macht das Städtchen einen eher verschlafenen Eindruck.

      Hoch über dem Ort erhebt sich die Burgruine mit einem mächtigen Turm.





      Es führt zwar eine befahrbare Straße hoch zur Burg, aber wir stiegen den steilen Pfad durch den Wald hinauf und hatten immer wieder schöne Ausblicke .





      Die Burgruine









      Die Ursprünge der Besiedlung des Basaltfelsens in dieser exponierten Lage lassen sich zurückverfolgen bis ins in die Bronzezeit (12.-10.Jhd v.CH.)

      Die Glanzzeit der Burg jedoch war die Zeit, als die Republik Siena ihre Machtstellung ausbaute , verteidigte, den Süden der Toskana beherrschte und den Handelsweg nach Süden sicherte. Ab 1411 gehörte Radicofani zu Siena.

      Ein riesige Festung mit mehrere Bastionen , sowie doppelte Mauern und mehrere Türme wurden nach und nach erbaut.





      1599 gelangte die Festung in den Besitz der Medici .



      Hinter der rechten Tür befindet sich ein dunkler Raum , im den Ghino de Tacco den Abt von Cluny eingesperrt haben soll, der unter Gicht und Magenproblemen litt.



      Ghino ließ dem Abt für einige Zeit nur trockenes Brot und ein Glas Vernaccio reichen. Der Abt wurde durch diese Diät von seinen Leiden geheilt und aus Dankbarkeit legte er bei Papst Bonifaz VIII ein gutes Wort für Ghino de Tacco ein, der diesen dann mit einem Orden auszeichnete.

      Quelle : Radicofani - Guida alla Rocca ed al Borgo, Siena 1999


      Wenn man auf den Turm steigt, kann man heute noch die Ausmaße der gesamten Anlage deutlich erkennen.



      Der Ausblick von dort oben ist atemberaubend.

      Nach Westen zum Amiata

      Am Abhang des Berges die kleine Stadt Abbadia San Salvatore







      Nach Südwesten Blick auf den Ort Radicofani



      Bei ganz klarer Sicht kann man das Meer silbern glänzen sehen



      Im Süden beginnt bereits Umbrien



      Nach Norden und Nordosten das Hügelland links und rechts des Orciatals und das vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Lehmland Crete



      Ganz in der Ferne sind die Apenninen zu erkennen, die sich nördlich von Florenz erheben.





      Blick nach Osten





      Die Burg wurde nie eigenommen und zerstört.

      Ihr Schicksal wurde durch einen "Unglücksfall" bestimmt:

      Im Jahr 1735 ärgerte sich ein gewisser Filippo Pieri , ein Soldat ( Offizier) der dort oben stationierten Garnison, weil er einen bestimmten Posten nicht erhalten hatte.
      Aus Frust zündete er das unterirdische Pulvermagazin an und mit einer gewaltigen Explosion flog die gesamte Festung in die Luft. Pieri kam dabei ums Leben , aber auch für die Burg war dies das Ende.

      Niemand hatte Geld für einen Wiederaufbau und so zerfielen die Mauern immer weiter.

      Erst 1920 widmete man der Ruine wieder etwas Aufmerksamkeit und begann , das Mauerwerk wieder etwas instand zu setzen.

      Nach einer Pause in einem kleinen Restaurant im Burghof , wo wir die einzigen Gäste waren ( wie auch auf der ganzen Burg) spazierten wir entlang der Außenmauern wieder hinunter nach Radicofani zum Parkplatz, wo unser Auto stand .








      Es folgen Eindrücke von der Rückfahrt durch das Orciatal- der Landschaft , in der die meisten Kalenderbilder entstehen und die für viele das typische Landschaftsbild der Toskana sind.







      Die alte Via Cassia, heute die SR 2



      Zugegeben , die Zypressenalleen faszinieren mich auch immer weder- aber die Toskana ist viel mehr- natürlich die Highlights Florenz, Siena, Pisa, Gimignano, Volterra u.v.m. - aber man muss oft in die Toskana fahren, um die Vielseitigkeit dieser einzigartigen Landschaften zu erleben - und zu genießen.
      Das war die Strecke unsere Ausflugs an diesem Tag.



      Elke
      :begeistert: :hblmelden:


      Danke für diesen wunderbaren Bericht und die Eindrucksvollen Fotos.
      Geschichtliche Daten kann ich mir zwar nicht gut merken, schon gar nicht wenn alles so lange zurückliegt, aber es ist sehr interessant zu hören oder eben, wie durch Dich, zu lesen. :hbl8:

      Deine Augen nehmen soviel wunderbares auf, das ist phantastisch! :hbl2:

      :abstimmung:


      Was mir zusätzlich auffällt, wenn auch nicht neu:
      Der Wunsch nach mehr gerechter Verteilung von "Besitztümern" war wohl von jeher dah, ebenso das Streben nach Macht und Gier.
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      Die Toskana ist wunderschön, zwischen 1976 und 1984 war ich immer wieder dort, allerdings meristens nur auf der Durchreise, erst 1984 war ich als Gast bei meiner Schwester in Florenz für mehrere Wochen da. Landschaft wie Bauten sind immer wieder eindrucksvoll.
      "Leider" gibt's auf der Welt so viele schöne Flecken, dass man nie die Zeit hat, sich alles anzugucken, was man gern wollte.

      :Danke Merci Grazie:

      P.S.
      Ich hab noch den edlen Raubritter gegoogelt. Wobei es im Netz nur italienische Quellen gibt, die deutschen Übersetzungen kann man vergessen - Beispiel (wikipedia):
      Ghino Ferse ergreifen sie den Abt von Cluny und medicalo den Magen und dann die Blätter, die, zurück in den Hof von Rom, mit Papst Bonifatius Foul Friere und das Krankenhaus versöhnt er schaden.

      Jedenfalls tröstlich, dass er nicht wie die meisten seiner "Kollegen" einen üblen Tod am Galgen oder durch ein ähnliches Instrument gestorben ist, sondern je nach Überlieferung friedlich in Rom unter dem Schutz des Papstes oder beim Versuch einer Streitschlichtung in der Nähe seines Heimatortes, im Handgemenge.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      So ganz genau weiß man es nicht , ob er "friedlich " starb.

      Aber es gibt eine Hypothese , dass Ghino di Tacco der Intrige einer "internationalen" Interessengruppe zum Opfer fiel ( Phillipp IV , König von Frankreich, der Stadt Siena, den Adelsfamilien Aldobrandeschi u.a.)

      Nachdem der Papst ( der Protektor von Ghino) gestorben war, sah vor allem die Republik Siena die Chance, in den Besitz der Festungen in der südlichen Toskana zu kommen.
      Sie bezahlten einige Mörder, die Ghino de Tacco umbrachten. Das war vermutlich zwischen 1303 und 1313.
      Quelle : Guida alla Rooca, s.o.

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