Solidarität mit den Flüchtlingen - vor 25 Jahren und heute

      Solidarität mit den Flüchtlingen - vor 25 Jahren und heute

      Leitartikel von Bascha Mika (ehemalige TAZ-Chefin) für die Frankfurter Rundschau, ganzer Text hier:
      fr-online.de/meinung/deutschla…ren,1472602,28640120.html
      Bereitwillig haben wir vor 25 Jahren mit den asylsuchenden DDR-Bürgern mitgefühlt. Doch die Empathie von damals ist einer Abwehr gegen Flüchtlinge und ihr Elend gewichen.

      Schon vergessen? Es ist eng, dreckig und riecht nach Körpern, die sich seit Tagen nur wenig gewaschen haben. Schlafsäcke und Decken liegen herum, im Gras, auf der blanken Erde, manchmal ist es auch nur ein Stück Pappe, das jemand auf den Steinstufen ausgebreitet hat. Dazwischen verstreut persönliche Habseligkeiten. Fast fünftausend Flüchtlinge drängen sich hier auf engstem Raum, haben Angst, sind gereizt, immer mal wieder kommt es zu Handgreiflichkeiten. Wie es weitergeht, wissen sie nicht. Sie hoffen auf die Großzügigkeit ihrer Gastgeber, auf die Einsicht der Politik – und auf ein Wunder.

      Dann geschieht, wofür die Flüchtlinge sehr viel riskiert haben. Als „Wunder von Prag“ wird der Tag in die Geschichte eingehen. Am 30. September 1989 verkündet der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Deutschen Botschaft in der tschechoslowakischen Hauptstadt: Die Not hat ein Ende! Allen, die zu Tausenden dem sozialistischen Regime entkommen sind, die ihre Heimat in der DDR verlassen haben, wird eine neue Heimat geboten. Sie dürfen in die Bundesrepublik ausreisen. Sie können ein neues Leben beginnen. ( ... )

      Und dann das: Asylbewerber werden von Wachleuten in ihren Unterkünften gedemütigt, verprügelt, behandelt wie Dreck. Seit einige dieser Fälle in Nordrhein-Westfalen bekannt wurden, melden sich weitere Opfer von Schikanen zu Wort. Es sind keine Einzelfälle. Vielleicht sind manche der Täter unverbesserliche Schläger, andere möglicherweise in der Situation nur hoffnungslos überfordert – aber ganz sicher stehen sie mit ihrer verächtlichen Abwehrhaltung gegenüber den Flüchtlingen nicht allein. Sondern mitten in der Gesellschaft.

      So wird es der Regierung denkbar leicht gemacht, das Recht auf Asyl auszuhöhlen. Auch unsere Politiker glauben sich im sicheren Mainstream. Und haben die Unverschämtheit so zu tun, als hätte sie die riesige Zahl syrischer Flüchtlinge in den vergangenen Wochen überrumpelt; als hätte niemand ahnen können, dass mit dem Tod bedrohte Menschen versuchen, sich vor den IS-Schlächtern zu retten; als wäre man deshalb strukturell nicht vorbereitet und müsste Unterkünfte notdürftig von einem Tag auf den anderen aus dem Boden stampfen.

      Gleichzeitig sorgen die gleichen Politiker im Rahmen der EU dafür, dass täglich weitere Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ersaufen. Während sie von Schleuserbanden und Rückführungsprogrammen schwadronieren, Abhilfe versprechen und Aktivismus heucheln. Diese EU, wir erinnern uns, ist Trägerin des Friedensnobelpreises.

      Wie sich die Geschichte der DDR-Flüchtlinge damals entwickelt hat, grenzt vielleicht an ein Wunder. Flüchtlinge heute brauchen keine Wunder. Nur Chancen.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -