Kohle aus Hamburg ?

      Kohle aus Hamburg ?

      Wie denn das ? Und ich meine echte schwarze Kohle, nicht die Kohle der Hamburger Pfeffersäcke sprich Kaufleute, von der der Normalverbraucher nix hat.
      Naja, ganz stimmt's nicht. Denn 1919-21 gehörte Harburg noch nicht zur Hansestadt (erst seit dem "Groß-Hamburg-Gesetz" 1937), sondern war eine selbständige Provinzstadt in Preussen, bis zum "Deutschen Krieg" 1866 sogar die zweitgrößte Stadt im Königreich Hannover, das dann von preussischen Truppen erobert wurde und seither seine Unabhängigkeit verloren hatte.

      Es gibt Braunkohlevorkommen an verschiedenen Stellen in Norddeutschland, sogar unter Altona - aber da wird, unter den Häusern der Großstadt und aufgrund des Vormarsches der erneuerbaren Energien, keiner mehr buddeln.
      1919 war das anders. Damals brauchten die Harburger Betriebe, v.a. Phönix, Brennstoff, und der war knapp und teuer. Warum sich also nicht vor der eigenen Haustür bedienen, nachdem beim Graben eines Brunnens in den Harburger Bergen ein Braunkohlevorkommen entdeckt wurde.

      Drei Jahre schufteten 60 Arbeiter pro Schicht auf zwei Sohlen, 13 und 17 Meter unter der Oberfläche (das ist, verglichen mit anderen Bergwerken, relativ weit oben), dann wurde die Sache unrentabel, zumal verschiedene Gem,einden im Alten Land protestierten, weil zum Auswaschen der Kohle jede Menge Wasser verbraucht wurde, das dann das Grundwasser in den Jorker Obstbaubetrieben verunreingte. So wurde der Bergbaubetrieb wieder eingestellt, die "Stempel", das ist der Holzausbau der Grubengänge (damit die Arbeiter nicht verschüttet werden) herausgerissen, wobei die meisten Gänge einstürzten, einige wurden auch verfüllt.

      Mehr dazu: geschichtsspuren.de/artikel/-i…bergwerk-robertshall.html

      Und ich wollte gestern nachsehen, was davon nach 90 Jahren noch übrig geblieben ist.
      Orientierungspunkt ist die Straße "Beim Bergwerk",

      da kommt man vom S-Bahnhof Neuwiedenthal aus mit dem Bus 340 hin, Haltestelle "Landesgrenze", läuft auf der linken Straßenseite zurück (rechts ist auch kein Gehsteig) an der EInmündung "Am Rehwechsel" vorbei, und schon ist man da.

      An Bauwerksresten ist, soweit ich gesehen habe, die Ruine der Kohlenwäscherei der letzte erhaltene Bauwerksrest. Die ursprüngliche (und wohl auch schon nachgezogene) Aufschrift ist leider fast völlig von irgendwelchen Schwachsinnsgrafittis übertüncht.









      Hier kann man sich noch denken, dass auf der schrägen Rutsche rechts die Kohle reingeschüttet worden ist.


      Auf der Karte (o.g. Link, weiter runter scrollen) steht gegenüber der Waschanlage noch "Schacht", .

      aber davon ist nichts mehr zu sehen. Inwieweit die umliegenden Häuser zur Anlage gehören, weiss ich nicht.

      Auch hier sieht man vereinzelt schon Bodeneinbrüche in Forum von "Kuhlen".




      :kratz: :kratz: :kratz: War das schon alles ?
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Im Netz stand, dass man noch eine Menge Bodeneinbrüche sehen müsste. Nur wo ?
      Da stapft ein Uniformierter mit seinem Rollkoffer den Berg hoch. Offensichtlich ein Flugbegleiter oder ähnliches auf dem Weg nach Hause. Er erklärt mir, wo ich entlang muss, nämlich auf die andere Seite des Ehedorfer Heuwegs (der ein paar Meter weiter aufwärts "Emmetal" heisst).

      Direkt gegenüber der Straße Beim Bergwerk geht ein Weg hoch.


      Und da geht's auch schon los mit den Kuhlen.






      Wie tief das Wasser hier wohl ist ?

      Lieber nicht probieren :abschied1:

      Der Berg gleicht einem Schweizer Käse.






      An der Straße sieht man die Bushaltestelle.




      Der Bus nach Neuwiedenthal fährt 26.10. - 30.4. nur stündlich, jeweils 10 Min. nach der vollen Stunde,
      d.h. man läuft besser erstmal runter bis zur nächsten Wirtschaft :bierprost:
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Wer die Anfahrt oder den Zugang genauer sehen will, bitte:



      Als Kind (so ca. zwischen 9 und 11) bin ich oft in der Gegend rumgeturnt ohne zu wissen was ich da durch forstete und auch nicht welche Gefahren sich dort befanden - es noch tun.
      Auch an eine derartige Bushaltestelle kann ich mich nicht erinnern, hatte ich eh keine "Kohle" für :biggrin:
      Für mich war Gleitschuhlaufen und :schlittenfahrt1: megawichtig und zwischendrin natürlich :schneeschlacht: :snowman_baun:
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      Kurios ist auch, wie ich überhaupt auf die idee mit dem Bergwerk gekommen bin, was, soweit ich das heute herausbekommen hab, die wenigsten Hamburger/innen in meinem Umfeld kennen. Nämlich durch einen historischen Krimi, der 1938 in Hamburg spielt, und wo rin Teil des Show-Down in einen ehemaligen Schacht eben dieses Bergwerks gelegt wird. Krimilesen ist halt auch eine Art der Weiterbildung.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Elke hat etwas entdeckt und - in ihrem Forum - eine Frage gestellt.
      Original von ELMA
      Und ich habe mich bei meinem Hamburgbesuch über das Gebäude am Ballindamm (Nähe Hapag Lloyd) gewundert, an dem ich diese Figuren entdeckte:



      Warum "Glück auf " in Hamburg ?
      Hat dieses Büro/Kontor ( oder was es auch immer war) etwas mit dem von Dir beschriebenen Kohleabbau im Hamburger Raum vor 90 Jahren zu tun?
      Gruß,
      Elke

      Quelle: schoener-reisen.at/forum/showt…hp?5149-Kohle-aus-Hamburg

      Dem musste ich natürlich nachgehen, hab mich vor ein paar Tagen in die U-Bahn gesetzt und bin zum Jungfernstieg gefahren, von dort geht in nordwestlicher Richtung der Ballindamm ab. Am Hapag-Lloyd-Gebäude vorbei und an der Straße Brandsende, die so heisst, weil da der große Stadtbrand von 1842 zu Ende war.



      Aber dann ist auch der Ballindamm zu Ende - ich muss vorbeigelaufen sein. Und zum Glück muss ich nicht mehr ein Telefonhäusl aufsuchen und die Auskunft anrufen, damit ich die Nummer von Elke krieg - ich hab mein Telefon in der Tasche und Elkes Nummer eingespeichert. Und sie geht sogar ran und hilft mir von Oberbayern aus beim Suchen.

      So guck ich über den Ballindamm aufs Rathaus,



      rechts liegt die Binnenalster,



      und irgendwo da vorn links das Haus mit der Bergmannskulptur. Nur wo ?
      Doch hoffentlich nicht hinter diesem Baugerüst ?



      Nein, hier isses.

      Elkes Bild (ganz oben) ist natürlich besser - mein Zoom hat eine Macke, und dunkel wird's ausserdem schon.

      Jetzt die entscheidende Frage: Was haben die Kumpel mit Hamburg zu tun ? Die werden doch nicht in den drei Jahren nach dem Ersten Weltkrieg sich die Mühe gemacht haben, für die paar Harburger Kohlen in Hamburg (wozu Harburg damals noch nicht gehörte) so einen Prachtbau hinzustellen ...

      Das Haus hat die Nr. 17 und heisst Kirdorf-Haus.



      Am nördlichen Ende ist ein Schiffsmaklerbüro oder sowas, ich geh da einfach mal rein. D.h. ich versuch's, die Tür ist zu, aber gleich kommt eine junge Frau im schwarzen Kostüm und drückt auf den Türöffner. Ich erkläre zunächst mal, kein Schiff kaufen zu wollen, was sie mir auch sofort abnimmt (ich glaub, die potentiellen Yachtkäufer treten anders auf) und frag, ob sie sich mit der Geschichte dieses Hauses auskennt. Tut sie leider nicht, so verabschiede ich mich höflich.

      Hinter dem nächsten Eingang verbirgt sich ein Cafe, es sieht sehr teuer aus, und zwischen den Tischen steht ein nagelneuer Mercedes, so eine Art Coupe, jedenfalls einer, den ich mir auch dann nicht kaufen würde, wenn ich so viel Geld übrig hätte. Ein Blick in die Karte verrät mir, dass die Preise moderater sind als befürchtet, und so lang ich mich nicht in das Luxusauto hineinsetze (was erlaubt ist), spricht mich auch keiner der herumstehenden Krawattenmänner an - das Cafe ist nämlich eine Art Kontakthof für potentielle Wabenzi, so heissen in Ostafrika die Großkopferten, die sich mit diesen Schlitten oder ähnlichen herumfahren lassen.

      Die freundliche Kellnerin will mir auch keinen Benz andrehen, sondern bringt mir den gewünschten Kaffee, und ich stell ihr die gleiche Frage. Sie weiss das auch nicht, aber sie schlägt mir vor, im Internet zu suchen, und sie würde das auch gleich mal machen. Gemeinsam bekommen wir heraus, dass das Kirdorf-Haus Anfang des 20. Jahrhunderts für das Rheinische Kohle-Syndikat errichtet wurde, um von dort den Schiffstransport der Ruhrkohle nach Hamburg und von dort in die Welt zu organisieren. Mehr dazu hier:
      http://fredriks.de/Kuoehl/bueros.php?f=1

      Benannt ist das Haus nach dem damaligen Generaldirektor Emil Kirdorf (1847-1938), Generaldirektor der Gelsenkirchener Bergwerks AG. Am Haus selber steht zu Kirdorf nichts, zumal sie sonst auch hätten erwähnen müssen, dass dieser Mensch später ein großer Förderer der Nazis war (das waren vermutlich viele der Großkopferten, die an der Binnenalster logierten). Bei Wikipedia fand ich hierzu u.a. folgendes:
      In seinem Tagebuch machte Joseph Goebbels unter dem 15. November 1936 die Eintragung: „Führer erzählt, wie er sich einmal erschießen wollte, weil ihm die Wechselschulden über den Kopf wuchsen. Da hat ihm Kirdorf mit 100.000 Mark geholfen.“

      Schade eigentlich - ohne Kirdorfs Spende wär uns womöglich einiges erspart geblieben :kratz:

      Jedenfalls kam die Kohle für diesen Prachtbau nicht aus Harburg, weshalb die Kohlekumpelskulptur auch damit nix zu tun hat - das war es, was wir wissen wollten.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Hartnäckig einer Sache auf den Grund gehen, ja das ist Grizzly!

      :begeistert:

      Jetzt wissen wir, dass die Bergwerksskulptur am Kirdorfhaus nichts mit dem Bergbau in Harburg zu tun hat.

      Danke für die interessante Recherche !!

      Gemeinsamkeiten gibt es dennoch.: "Kohle" hat dort wie auch hier am Ballindamm eine wichtige Rolle gespielt und spielt es auch heute noch - Du hast darauf angespielt und Dich von dieser noblen Umgebung nicht einschüchtern lassen .

      :respekt:

      Ergebnis: Jetzt wissen wir Bescheid!! :clap:

      Liebe Grüße,
      Elke