Mirila, die Totenraststätten im Velebitgebirge

      Mirila, die Totenraststätten im Velebitgebirge

      Das Velebitgebirge ist ein bis zu 1757m hohes Karstgebirge , das sich entlang der nördlichen Adria erstreckt.

      Die Landschaft ist karg und dünn besiedelt .

      Ich liebe diese Landschaft oberhalb der kroatischen Küste und möchte Euch heute von einem Brauch erzählen, auf den wir letztes Jahr im Sommerurlaub bei einem Ausflug hinauf ins Gebirge gestoßen sind.

      Im Bereich der Küstenstraße am Fuß des Velebitgebirges finden sich Hinweisschilder auf besondere Plätze, die eine kulturelle Besonderheit der Region darstellen: Mirila, die Totenrastplätze, an dem die Verstorbenen nach dem Glauben der Menschen einen letzten Gruß an die Sonne richten konnten.

      Die ältesten stammen aus dem im 17 Jahrhundert.

      Ein solcher Platz befindet sich oberhalb von Tribanj



      Weitere sind neben einer schmalen Straße oberhalb von Starigrad-Paklenica.





      Diesen Platz haben wir im August 2012 besucht.
      Heute ist die schmale Straße asphaltiert- man kann hinauffahren und hat einen schönen Blick über die Küste, über Starigrad- Paklenica bis hinüber zur Landzunge, die zur Insel Pag führt.







      Hinweisschilder machen auf die Mirila aufmerksam - vermutlich würde man sie in den Felsen sonst sehr leicht übersehen.
















      Die Erklärungen und Zeichnungen habe ich den Infotafeln entnommen
      ( Weil sie auf dem Foto schlecht lesbar sind, gebe ich sie hier wieder)
      Mirila Infotafel



      [COLOR="#008000"][B]"Zu Zeiten als es noch keine Straßen und Autos gab, hat man in entlegenen Einzelhöfen gelebt und ist dort gestorben.
      Wenn der Verstorbene zur letzten Ruhestätte gebracht werden sollte, hat man die Leichen in einen gewöhnlichen "ponjava" ( eine Art Teppich) eingewickelt.




      Auf hölzerner Totenbahre wurde der Verstobene zur ersten Kirche oder zum Friedhof, die manchmal Stunden entfernt waren, getragen.
      In einem bestimmten Moment wurde der Leichenzug auf einem ganz bestimmten Platz angehalten, der Verstorbene auf den Fußboden Richtung Osten gelegt und angefangen, neben restlichen Mirila seiner Verwandtschaft das Mirilo zu bauen.





      Den Verstorbenen hat man auf den Fußboden gelegt und hat bei ihm mittels zwei Steinen (einem Schlussstein und der andere zu Füßen) Maß ( Länge) genommen.
      Danach setzte der Leichenzug seinen Weg weiter bis zu Kirche oder zum Friedhof fort.
      Später wurde an der Stelle, wo der Mirilo des Verstorbenen stand, flache Steinpatten ( bearbeitete oder natürliche) gelegt, die der Länge des Verstorbenen entsprachen.
      Der Schlussstein am Kopfende wurde durch einen größeren und gleichmäßigeren ersetzt, während zu Füßen ein kleinerer, unbearbeiteter Stein aufgestellt wurde.
      Diese zwei Steine entsprachen dem genommenen Maß des Verstorbenen, sie haben sein "Mira" (Maß) ausgemacht.

      Im Velebit war man sehr arm, so waren Friedhöfe besonders bescheiden.
      Sehr oft wurde Verstorbene unmittelbar in die Erde gelegt oder in gemeinsame Grabstätten.

      Auf diese Weise wurde die Leiche der Erde überlassen.

      Mirila wurden mehr als die Gräber auf den Friedhöfen verehrt, weil sie ein Denkmal der Seele, eine Ruhestätte im Felsengebirge waren, aufgebaut in der dauerhaften Steinmaterie.

      Bei ihnen hat man sich oft aufgehalten, man hat sie besucht und verehrt, hat Blumen dort gelassen, weil nach dem Glauben der Velebit-Bevölkerung dort die Seelen verstorbener Hirten in Gesellschaft der Seelen ihrer verstorbenen Schaf ausruhten.
      Im Grab auf dem Friedhof befand sich nach ihrer Auffassung lediglich "ein Körper, ohne Seele"- diese ist auf dem Mirilo geblieben.

      Der Brauch der Mirila ist verschwunden.
      Man kann nicht mit Sicherheit feststellen , wann das letzte Mirilo entstanden ist ( ca Mitte des letzten Jahrhunderts)

      Bekannt ist , dass das Verschwinden mit der Änderung der Lebensweise zusammenhängt.
      Bau von Straßen, Ersetzung der Viehzucht, Landwirtschaft , Fischerei durch Tourismus, ärztliche Behandlung in Krankenhäusern und Ambulanzen, der Tod, der häufig nicht mehr im Familienkreis erfolgte, sind Auslöser für das Verschwinden." [/B][/COLOR]

      Einige der Steine tragen Zeichnungen ,Ornamente, Symbole, Namen und Jahreszahlen .



      Auf vielen sind Kreuze zu erkennen.
















      Der Weg zu diesen Mirila ist von Starigrad-Paklenica aus leicht zu finden.
      Im Bereich des Hafens steht unübersehbar an der Küstenstraße ein Hinweisschild.



      Es lohnt sich auch , in der Touristeninformation ( ebenfalls am Hafen) vorbeizuschauen und sich dort ein interessantes Faltblatt zu den Mirila geben zu lassen.

      Elke
      Was für ein spannender Bericht :daumenhochklein:
      Die Fotos rühren mich an, es löst etwas in mir aus was ich noch nicht so recht in Worte fassen kann.

      Danke für die :info: s - ich hatte noch nie davon gehört und gehe bereichert von Dannen - nicht ohne Dir eine :rose1: da zu lassen.

      Herzlich, :schnuppiverbeug_pink:
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      Danke für Eure Rückmeldungen.

      Auch mich berührt die Art, wie diese Menschen aus dieser rauen Bergregion früher mit ihren Verstorbenen umgegangen sind.

      Sie auf einem exponierten Platz mit weitem Blick übers Meer abzulegen, ihnen "den letzten Gruß an die Sonne" und der Seele einen Platz zum Bleiben zu ermöglichen, das ist für mich ein Ritual, das die Würde des Individuums respektiert ( auch wenn es dann auf dem Friedhof vielleicht nur ein Massengrab gab)

      Gruß,
      Elke