Fahrn wir mal nach Helgoland

      Gar nicht mehr gesehen vor Abfahrt, sorry.
      Ja, das Wetter war wirklich supi, bis auf den letzten Tag, aber selbst da ging's.
      Mehr wenn die Bilder bearbeitet sind - jetzt muss ich erstmal an die auch für einen Rentner aufgelaufene Arbeit. Bis später :winkewinke:
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Es geht los.

      Im Gegensatz zu 1996 haben wir jetzt ein Schnellboot, den Katamaran Halunder Jet, der mit maximal 65 km/h über die Wellen brettern kann, mit Erschütterungen, die im Regelfall geringer sind als in einem ICE.




      Man beachte den "Heimathafen" Limmasol/Cypern - die Unsitte des Ausflaggens greift auch hier.


      Die meisten der Containerschiffe, die uns unterwegs begegnen, sind in Monrovia registriert, und ich glaube kaum, dass die betreffenden Reeder in der liberianischen Hauptstadt wohnen oder gar Kinder oder Enkel dort zur Schule gehen lassen. Das machen sie lieber hier und sparen sich die Steuern dafür.


      Das schwere Gepäck muss man vorher aufgeben, es wird in rollende Käfigen gestapelt und mit einem Kran an Bord gehievt - d.h. man sollte mindestens eine halbe Stunde vor Abfahrt da sein, noch besser 45 Minuten, dann fängt die Gepäckaufgabe an.
      In Helgoland geht's dann umgekehrt, wobei die Käfige mit einem Schwung am Rand der ungesicherten Hafenkante entlang geschubst werden, dass man sein Gepäck schon im Wasser wähnt. Es bleibt aber alles trocken.

      Aber noch sind wir nicht da. Nach einem kurzen Zwischenstop in Wedel-Schulau nehmen wir eine größere Anzahl an Passagieren in Cuxhaven auf.



      Die Kugelbake

      Eine gute Stunde später ist Land in Sicht.


      Nach der schon erwähnten Gepäckeinsammlung geht's Richtung Quartier am westlichen Ende der Siemensterrasse. Siemens hat hier nichts mit Elektrik zu tun, sondern mit dem Helgoländer Begründer der Badetouristik,
      Jakob Andresen Siemens
      der ab 1826 nach einigen Startschwierigkeit vielen Insulanern das wirtschaftliche Überleben sicherte.

      Empfangen von meiner überaus freundlichen Pensionswirtin und vom Gepäck befreit geht's wieder los. Normalerweise nehme ich immer einen Rucksack auf meine Wanderungen mit, aber hier liegt alles so eng beieinander, dass das, was ich unterwegs unbedingt brauche, in die Westentasche passt oder sich (Kamera, Fernglas) um den Hals hängen lässt.
      Auf geht's zum ersten Inselrundgang.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Für Freunde des "klassischen Fährschiffs" gibt es
      aber auch noch genug Verbindungen.
      Kleine Neuigkeit: Der Katamaran bekommt nächstes
      Jahr ein Schwesterchen.
      helgoline.de/neubau/schiff/

      Wen es interessiert wie so ein Schiff entsteht der klickt
      in obiger Webseite auf >Bautagebuch<
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      Original von COOLmann
      Für Freunde des "klassischen Fährschiffs" gibt es
      aber auch noch genug Verbindungen.

      z.B. die "Lady von Büsum" aus dem gleichnamigen Nordseebad, deren Passagiere noch ausgebootet werden.


      (am Heck das Börteboot)

      DIe alte "Halunder Jet" wird nach irgendwohin weitweg verkauft, ich glaub, in die Karibik. Sie haben es gesagt, aber ich hab's vergessen :kratz:
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Das wäre für meine Frau schon mal das "Aus" bei
      einem Helgolandurlaub. Das große Schiff ginge gerade
      noch so....aber den Zubringer (Schlauchboot) würde sie
      am Rand eines so großen Gewässers nie besteigen.
      Da ist der Katamaran ein echter Zugewinn für die
      Helgolandflotte.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.
      Kurzgeschichte Helgolands
      (aus Führungen, Infotafeln und Literatur)

      Ende der Eiszeit
      Durch Meeresspiegelanstieg geht die Landbrücke zwischen England und Schleswig-Holstein langsam unter, ein Sandsteinfelsen - Helgoland - bleibt übrig. Manche sprechen von einer Kultstätte, die Helgoland gewesen sein soll ("Heiliges Land"), der Name wird aber auch anders erklärt. Besiedelt ist die Insel seit mehreren tausend Jahren.

      Mittelalter bis 1807
      Helgoland ist zeitweise Piratenstützpunkt, u.a. von Klaus Störtebeker, ansonsten abwechselnd Herrschaftsgebiet von Dänemark oder Schleswig-Gottorf. Durch Gipsabbau am Kreisefelsen auf der heutigen Düne bricht dieser 1721 zusammen, und die Düne wird vom übrigen Helgoland getrennt.

      1807-1890 Britische Zeit
      Die Briten besetzen die Insel, um einen Stützpunkt gegen Napoleons Kontinentalsperre zu haben. Wirtschaftliche Blütezeit durch Schmuggel, Krise danach, die etwa 1830 infolge des Bädertourismus langsam abklingt. Mehr bürgerliche Freiheiten als in den deutschen Teilstaaten, weshalb viele Künstler und Freigeister die Insel besuchen und u.a. Heinrich Hoffmann von Fallersleben neben diversen anderen Trink- und Freiheitsliedern
      Welch ein Land! kein Soldat,
      Kein Gendarm, kein Vogt, kein Magistrat;
      Nicht einmal ein bisschen Polizei –
      Nein, o nein, das ist mir doch zu frei!"

      ... 1841 das spätere Deutschlandlied verfasst.
      Quelle: deutschlandfunkkultur.de/hoffm…ml?dram:article_id=364148

      So hätte es weiter gehen können wenn nicht ...

      1890: Helgoland wird deutsch
      Nicht im Tausch gegen Sansibar, wie oft gesagt wird, sondern gegen diverse deutsche Kolonialansprüche unter anderem auf diese ostafrikanische Insel. Danach wird massiv aufgerüstet, Helgoland wird Kriegshafen, offiziell um die Enfahrt zum Nord-Ostsee-Kanal zu schützen.

      1914 - 1918 Erster Weltkrieg
      Die Helgoländer müssen die Insel verlassen und finden ihre Häuser 1918 verwohnt, geplündert und verwüstet vor. Die umfangreichen Militäranlagen müssen unter britischer Kontrolle abgebaut bzw. unbrauchbar gemacht werden. Nur langsam erholt sich die Insel wieder.

      NS-Zeit
      Massiver militärischer Ausbau, bis zu 12.000 Soldaten auf der Insel, unter anderem entstehen 13 Kilometer unterirdische Bunkeranlagen. Durch Anlage des Südhafens sowie Anschwemmungen am Nordostrand der Hauptinsel sowie an der Düne wird die Insel vergrößert, zu der geplanten Ausdehnung auf das sechsfache der ursprünglichen Größe, wie im Plan Hummerschere vorgesehen, kommt es jedoch nicht.
      Im obigen Link zur "Hummerschere" sind auch Bilder von aufgerüsteten und vom zerstörten Helgoland zu sehen.

      Das Unterland wird bereits 1944 durch Bombenangriffe weitgehend zerstört, der Rest der Insel am 18. April 1945. Danach werden alle Helgoländer evakuiert. Unmittelbar vor dem Angriff wird eine Widerstandsgruppe verraten und verhaftet, fünf von ihnen werden am 21. April 1945 in Cuxhaven erschossen.
      Ihnen zu Ehren ließ das Helgoländer Museum am 17. April 2010 Stolpersteine auf Helgolands Straßen verlegen. Ihre Namen sind: Erich P. J. Friedrichs, Georg E. Braun, Karl Fnouka, Kurt A. Pester, Martin O. Wachtel. Ein sechster Stolperstein gilt der Erinnerung an den Friseur Heinrich Prüß, der seine Ablehnung des Nationalsozialismus öffentlich aussprach und 1944 verhaftet und im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet wurde.

      de.wikipedia.org/wiki/Helgoland

      Gedenkstein im Turm der evang. Kirche

      Nach 1945
      Zunächst ist die Insel menschenleer und verwüstet. Was die Briten noch steigern, indem sie das Hohlraumsystem mit Sprengkörpern füllen und am 18. April 1947 zünden - der sogenannt Big Bang. Danach wird Helgoland weiter als Bombenabwurfübungsplatz genutzt.
      Am 20. Dezember 1950 besetzten die beiden Heidelberger Studenten René Leudesdorff und Georg von Hatzfeld zusammen mit dem damals in Heidelberg Geschichte dozierenden Publizisten Hubertus zu Löwenstein[62] die Insel und hissten die deutsche Flagge, die Flagge der Europäischen Bewegung und die Flagge Helgolands. Nach einem anderen Bericht folgte Löwenstein am 29. Dezember. Am 3. Januar 1951 holten britische Offiziere die Besetzer wieder von der Insel.

      Es folgen Verhandlungen der britischen mit der deutschen Regierung mit dem Erfolg, dass Helgoland ab dem 1. März 1952 wieder besiedelt werden darf. Der Wiederaufbau gestaltet sich schwierig, weil vor jedem Neubau mehrere Meter tief nach Bombenresten gesucht werden muss - bis heute.

      Heute
      Helgoland hat zwischen 1400 und 1500 Dauereinwohner. Die Einnahmen durch Tourismus und zollfreien Einkauf (Sonderrechte die schon die Briten gewährt und die Deutschen nicht angetastet hatten) waren zuletzt rückläufig, neuer Wirtschaftszweig ist die Wartung der zahlreichen Off-shore-Windkraft-Anlagen in der Nordsee, die großenteils von Helgoland aus erfolgt.


      Postkarte ca. 1890


      Karte aus Baedeker um 1910


      NASA-Satellitenbild 2010,
      alles aus de.wikipedia.org/wiki/Helgoland
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Ich hoffe, dass Ihr meinen Rundgängen nach dieser historischen Aufrüstung besser folgen könnt.

      Bilder vom Unter- und Oberland lass ich erstmal weg. Die ersten rund 150 Stufen dazwischen lassen sich bequem durch 60 Cent (für längere Aufenthalte empfehle ich die 12er-Karte) und einen Aufzug überbrücken. Ein kurzer Weg durchs Oberland-Dorf und schon sind wir am Klippenrand (der Weg ist durch eine Absperrung geschützt).



      Die größten Vögel sind die Basstölpel,

      die erst seit 1991, von Schottland kommend, hier in immer größerer Anzahl brüten.

      Das hier sind Dreizehenmöwen


      und hier die Trottellummen,



      wegen deren spektakulären Sprüngen ich gerade um diese Zeit gekommen bin.

      Der Vogeltourist ameist vor sich hin (frei nach Gerhard Polt),


      zumindestens von den Tölpeln auch gutmütig toleriert.

      An die anderen Piepmätze kommt man nicht so nah heran, Felsklettern ist strengstens verboten.

      Nein, das ist kein Vogelballett ("Alle Schnäbel hoch !") -

      diese Haltung dient der Gefiedertrocknung.

      Nach ca. 1500 Metern sind wir schon am Nordrand und bei der Langen Anna,

      die in dieser Form seit 1860 steht.

      Davor war sie Teil eines Torbogens, etwa so (von mir nachgemalt)

      der damals einstürzte.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Ein anregender Spaziergang durch die Natur.

      grizzly
      und hier die Trottellummen,......
      wegen deren spektakulären Sprüngen ich gerade um diese Zeit gekommen bin.

      Als ornithologisch interessierter Insel-Besucher schaust Du aus einem
      ganz anderen Blickwinkel auf die Brut- Kolonien. Mich müßte man erst mit
      der "Nase" drauf stoßen.
      Wenn am Abend noch das Feuer brennt hat der Schmied den Feierabend verpennt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „COOLmann“ ()

      20.6.2017

      Auf meinem heutigen Morgenprogramm steht eine Bootsrundfahrt um die Insel, und ich werde schon gewarnt, dass die Nordsee "etwas unruhig" sein könnte. Das ist sie dann auch, die Wellen sind zeitweise über zwei Meter hoch, und das ist für Ungewohnte schon eine gewissen Herausforderung an die Stabiltät der Verdauungsorgane bzw. für den Verbleib dessen Inhalts. Immerhin hat das nicht nur für seeuntürchtige Landratten Bedeutung, sondern auch für die Wartungsteams der Offschore-Anlagen, die bei Wellengang über zwei Meter nicht ausrücken.





      Der Wind kommt offensichtlich vom Osten, d.h. es wird schlagartig ruhig, als wir auf der Westseite der Insel angekommen sind. Interessanterweise wird mir bei ruhiger See noch flauer als vorher, anscheinend hatte sich mein Magen schon an das Geschaukel gewöhnt und vermisst es jetzt. Egal, das Frühstück bleibt drin, auch wenn das erst klar ist, als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.



      Hier sieht man erstmal gar nix ...


      ... erst in der Vergrößerung.



      Das sind Lummen, selbst als Junge schon gute und schnelle Schwimmer.



      Hafen in Sicht, Erleichterung bei meinen Innereien.
      :reg:
      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      20.6.2017, kurz vor Mittag

      Der Boden bebt nicht mehr, auch das Fischbrötchen ist dringeblieben, die Möwen haben mich verschont.



      Wobei ich die Viecher hier als weitaus weniger aggressiv empfinde als ihre schwedisch-finnischen Kollegen von den Åland-Inseln, deren Verhalten manchmal an Altmeister Hitchcock gemahnte:

      [youtube]_GUIciNs58o[/youtube]


      Mariehamn 2013

      Aber das ist vielleicht auch saisonal unterschiedlich.

      Die ca. 150 Stufen zum Oberland kann man für aktuell 60 Cent abkürzen, indem man den Aufzug nimmt - bei mehrtägigen Aufenthalten kann sich eine Zwölferkarte rentieren. Aber bevor wir da einsteigen, werfen wir noch einen Blick aufs Rathaus, das auch die Touristeninformation beherbergt, ausserdem bekommt man dort Tickets für Führungen und Fähren.



      So, aber jetzt sind wir oben.
      Der Maulbeerbaum ist ein Helgoländer Naturdenkmal, nämlich eines der wenigen Bäume, die die siebenjährige Bombardierung überstanden haben. Als die ersten Wiederaufbauer ihre Bestandsaufnahme machten, fanden sie die Reste dieses Baumes in den Trümmern - arg lädiert, aber er trieb. Und ist, wie man sieht, wieder wunderschön gewachsen und damit ein Symbol für den Helgoländer Überlebenswillen.



      Die Architekten haben lang diskutiert, wie man Helgoland wieder aufbauen soll. Eine Wiederherstellung der zuletzt zahlreichen Militärbauten verbot sich von selbst. So wie es früher war, wär schwierig geworden. So entschloss man sich zu einem Aufbau im aktuellen Stil der 50er Jahre, der inzwischen auch schon wieder denkmalschutzwürdig daher kommt,



      inclusive kleiner individueller Freiheiten.




      Auch die Kirchen wurden im zeitgenössischen Stil wieder erbaut
      hier die evangelische.









      In einer Vitrine steht das Modell der alten Kirche.


      Im Gegensatz zu dieser hat die katholische Kirche, zu der wir noch kommen, keinen Turm und keine Glocke. Dafür haben sie mit den Evangelischen eine Vereinbarung, wonach die das bei den Katholiken übliche 18-Uhr-Läuten übernehmen.
      :reg:
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      - Kurt Tucholsky -
      Am Nachmittag gibt's einen Ausflug zur Düne. Nachdem die Helgoländer 2011 in einer Bürgerabstimmung die Wiederherstellung der 1720 zerstörten Landverbindung abgelehnt hatten, muss man auch hier auf die Fähre warten, tagsüber fährt sie zeitweise alle 30 Minuten, und gegen 23 Uhr zum letzten Mal. Also keine wirkliche Hürde.



      Laut Wegweiser liegt ab Hafen der Friedhof der Namenlosen am nächsten, hinter dem vollkommen uninteressanten Bungalowdorf, in dem sich heut Nachmittag auch niemand aufzuhalten scheint, es sei denn zum Mittagsschlaf. Dazwischen geht's durch eine interessante Dünenlandschaft.





      Ein Sanddorngestrüpp - die Pflanze und v.a. das Produkt ist mir natürlich ein Begriff, aber in natura hab ich sie noch nie gesehen. Wenn kein Schild daneben gestanden hätte, wär ich dran vorbeigelatscht.



      Zu Beginn des kleinen Friedhofs steht ein Gedenkstein für die vier Seeleute des Seenotkreuzers "Adolph Bernpohl", die zusammen mit drei niederländischen Fischern, die sie eben geborgen hatten, 1967 im Orkan untergegangen sind.



      Einen "Friedhof der Namenlosen" für nicht identifizierte Seeopfer, die angeschwemmt wurden, gibt es auf mehreren Nordseeinseln. Wobei hier auf Helgoland mitunter auch namentlich erinnert wird.
      Mehr dazu: taz.de/!5172311/






      Rock'n Roll Butterfahrt ist ein Verein, der seit 2003 auf Helgoland Musikfestivals (meist Punk) veranstaltet, verbunden mit einer jährlichen Butterfahrt. Wobei man vorher nicht weiss, was gespielt wird. Die letzte Butterfahrt war ausverkauft.
      Die verstorbenen Mitstreiter, deren hier gedacht wird, waren meistens noch jung - was ihnen passiert ist, steht hier nicht.

      Nahe des Friedhofs findet man die erste Glocke, die nach der Rückkehr am 1. März 1952 auf Helgoland, geläutet hat, eine Spende aus Bockenem in Niedersachsen. Inzwischen ist sie auf dem Kirchturm ersetzt worden und wurde hier aufgestellt (und seit dem TAZ-Photo von 2008 auch ordentlich hergerichtet). Bis ich sie läuten lassen konnte (wie vorgeschrieben, nur einmal) musste ich sie ordentlich in Schwingung bringen.





      Man hört die Glocke auch noch, wenn man um eine größere Düne herumgegangen ist und nun vor einem breiteren Sandstrand steht, an dem Überraschungen warten ...


      Die meinte ich noch nicht.

      Aber die, an die hundert Tiere, oder mehr, liegen hier herum und sonnen sich.











      Mehr als 30 Meter darf man sich ihnen nicht nähern, angeblich können sie einen mit 20 km/h verfolgen (was man selber auf dem Sandboden nicht schafft). Wobei der Strandwächter, nachdem er mich wegen Abstandsunterschreitung abgemahnt hat, erklärt, das habe er noch nie erlebt, aber man würde, wenn man zu nah kommt, die Tiere erschrecken, was sie zur vorzeitigen Rückkehr ins Meer veranlasste. Und so mangelhaft vorgewärmt könnten sie zu Schaden kommen.
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      - Kurt Tucholsky -
      Zurück auf der Hauptinsel, mache ich mich nochmal auf zum Lummenfelsen, um evtl. doch mal einen Lummensprung zu sehen. Wobei die Chancen schlecht sind, denn das Ganze spielt sich innerhalb Sekunden ab, und auch nicht allzu oft.
      Ich hab in diesen Tagen mit Touristen gesprochen, die schon wochenland da waren, und noch keine Lumme haben springen sehen.


      Da sitzen sie friedlich und amüsieren sich wahrscheinlich über die dummen Touristen.


      Die Dreizehenmöwen haben mit der Springerei nix am Hut,

      ebensowenig wie die Basstölpel,





      bei denen offensichtlich Nachtruhe angesagt ist.

      Auf dem Rückweg


      mache ich einen Schlenker zum Gipfelkreuz



      und trag mich, wie sich das gehört, ins Gipfelbuch ein.



      Gute Nacht :winkewinke:
      :reg:
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      - Kurt Tucholsky -
      Heut geht's in die Unterwelt der Insel - Bunkerführung.

      Rückblick:
      Das gesamte Oberland war von den Militärs untertunnelt wie ein Schweizer Käse, unter der etwa 3 mal 1.5 km große Insel waren vor Kriegsende 13 km Tunnel ! Sie wurden, bis auf den einige hundert Meter langen Bunker, am 18. April 1947 mit 5000 Tonnen Sprengstoff in die Luft gejagt.





      Der Bunkereingang war neben der Schule, damit vor allem die Kinder dort schnell hinlaufen konnten - unser Bunkerführer war eins von ihnen. Es gab zwei gegenläufige Eingänge, um Gedränge zu vermeiden.








      Mutter- und Kind-Raum


      Die Authentizität dieses Schildes ist umstritten. Mehr zur Swing-Bewegung:
      de.wikipedia.org/wiki/Swing-Jugend


      Auch diese Plumpsklos sind nicht Original. Laut Führer und Zeitzeugen gab es Porzellanklobecken wie sonst auch,
      gespült wurde wie üblich mit Brackwasser.

      Nach einigen hundert Metern macht der Gang einen scharfen Knick, ab dann ist er so schmal, dass es nur noch Klappsitze gab. Die Schutzsuchenden mussten stehen, um durchlaufende Soldaten nicht zu behindern, und durften sich nur auf Befehl der Bunkerwarts hinsetzen.



      Die "Notschule" wurde nie als solche genutzt.

      Als die Helgoländer am 18. April 1945 in den Bunker gingen war das Oberland noch einigermaßen heil, das Unterland schon nicht mehr. So war's früher ...





      und so, als sie wieder aus dem Bunker kamen.



      Irgendwo hier stehen die Reste des Hauses des Helgoland-Photographen Franz Schensky,
      der sein brennendes Haus aufnahm.


      Als ich die Gasmaskenbrille (links unten) sehe, fällt mir meine Familiengeschichte wieder ein. Einer solchen, und dem fürsorglichen Kommandanten, der sie besorgte, verdankt unsere Familie ihre Existenz.

      Großvater Ernst (1886-1977), Landwirt in Pöcking, der bereits einen Einsatz im 1. Weltkrieg (Russland) überlebt hatte, musste im September 1918 noch einmal einrücken. Beim Appell stellte der Kommandant fest, dass es für den stark sehgeschwächten Brillenträger keine passende Gasmaskenbrille gab. Die Anfertigung dauerte 14 Tage, und während dieser Zeit, hatte Ernst Ausgang und nutzte dies, um mit seiner frisch angetrauten Anna intensiv beisammen zu sein.
      Ergebnis 1:
      Meine Tante, geboren am 3.6.1919.
      Ergebnis 2:
      Irgendwie überlebte Ernst im Gegensatz zum allergrößten Teil seiner Truppe diesen Einsatz und kam 1919 (?) wenngleich schwer herzkrank (Herzmuskelentzündung/Endocarditis infolge einer Frontinfektion ?) zurück. Was ihm unterwegs passiert ist, hat er nie erzählt. Wäre er nicht zurück gekommen, wäre mein Vater 1921 nie geboren und wir folglich auch nicht.
      Alles wegen einer Gasmaskenbrille.
      :reg:
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      - Kurt Tucholsky -
      Zurück nach Helgoland.
      Ein früherer Führer berichtete, die im Bunker befindlichen Helgoländer hätten zwei Tage graben müssen, um sich selbst aus dem Bunker zu befreien. Unserer, wie bekannt Zeitzeuge, bestreitet das. Er weiss zwar nicht mehr, wie das genau ablief (er war sechs), aber man hätte den Bunker relativ komplikationslos verlassen können.

      Im Bunker überlebt hatten auch die Männer der Widerstandsgruppe um Erich Friedrichs und Georg Braun. Die Gestapo hatte sie am Morgen des 18. April 1945 verhaftet, weil ihr Plan, Helgolang kampflos den Briten zu übergeben, verraten worden war. Sie wurden nach dem Angriff nach Cuxhaven gebracht, fünf von ihnen wurden am 21. April zum Tod verurteilt und sofort erschossen. Die Prozessunterlagen wurden danach vernichtet, so dass die Mörder nach der Befreiung straffrei ausgingen.

      Während der Bunkerführung haben wir das halbe Oberland durchquert ...



      und kommen durch diese unauffälligen Tür
      wieder an die Oberfläche, in der Nähe der katholischen Kirche.
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      :wechsel:
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      - Kurt Tucholsky -
      Die katholische Kirche St. Michael ist von aussen als Kirche kaum zu erkennen. Es gibt sie seit 1971, vorher hatten die etwa 150 Katholiken Asyl bei ihren evangelischen Glaubensbrüdern und -schwestern (!). Über die Glockenhilfe hatte ich schon geschrieben.





      Eine interessante Demonstration
      der helgoländischen Sprache.
      Heute lernen die Inselkinder Helgoländisch in der Schule, früher sprachen sie es im Alltag und lernten erst in der Schule Hochdeutsch. Was bei Kriegsende zu erheblichen Verständigungsproblemen evakuierter Vorschulkinder führte.

      Autos sind auf Helgoland verboten, die wenigen die fahren haben meist Elektroantrieb. Statt Fahrrädern mit Pedalantrieb transportieren die Insulaner ihren Einkauf etc. mit diesen Rollern.





      Das Mittelland gibt es erst seit 1947. Es entstand durch die Sprengung der zahlreichen Tunnels, wodurch ein (kleinerer) Teil des Oberlandes zusammenstürzte. Dort steht heute das Krankenhaus.





      Es wird Abend und Zeit, sich zum Lummenfelsen aufzumachen.







      Ein paar Vogeltouristen sind schon da.

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      - Kurt Tucholsky -
      21.6.2017, kurz vor Sonnenuntergang

      Bis ich oben bin, hat sich die Touristenschar noch vergrößert - kein Wunder, das NDR-Schledwig-Holstein-Magazin ist vor Ort. Die Lummentouris stehen mehrreihig. Das Dilemma ist ja, dass die Vögel zur Vermeidung von Fressfeindverlusten erst in der Dämmerung springen, und wenn's richtig dunkel ist, sieht man nix mehr.

      Offensichtlich sind die Herrschaften noch in Beratung.


      Spring ich jetzt oder spring ich nicht ?


      Nein, lieber doch nicht,


      für die blöden Touris mach ich doch nicht den Affen.


      Also, das ist jetzt zwar kein Sprung,

      sondern ein Flug, aber im Prinzip geht das so.

      Wenn man kein Hochleistungsgerät hat, hält man den Zoom der Kamera oder auch das Fernglas halswirbelsäulenmäßig nur zwei Minuten durch, ich jedenfalls. Und in dieser Zeit hat sich kein Jungvogel meiner erbarmt. Der NDR hat das passende Gerät, und die werden auch fündig.

      Dann schaun wir uns das Spektakel halt am Samstag vom heimischen Sofa aus an,
      Schleswig-Holstein-Magazin im NDR um 19:30:
      ndr.de/fernsehen/sendungen/sch…die-Tiefe,shmag46996.html
      :reg:
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      - Kurt Tucholsky -
      22.6.2017

      Es blitzt und kracht, und von oben kommt ordentlich etwas herunter.Wenn das vor dem Krieg, kombiniert mit einer ordentlichen Flut, passierte, bekamen die Unterländer machmal nasse Füße - beim Wiederaufbau hat man dem Unterland eine Schuttschutzschicht untergelegt, genug Bombenschutt war ja da, so passiert das heute nicht mehr. Und mein Zimmer ist im 1. Stock.

      Bis ich gefrühstückt und gepackt hab - heut ist ja Abreisetag, aber bis 15:00 darf ich das Zimmer nutzen - hat es sich ausgeschüttet. Zwischendurch tröpfelt es noch, aber heut ist eh Museumstag.

      Beim Anblick dieser Regenwasserrinne überleg ich mir mal wieder: Wo kriegen die Helgoländer eigentlich ihr Wasser her ? Quellen haben sie nicht. Es gibt ein bissl Grundwasser, da kommt so ein Regenguss natürlich gelegen.



      Daneben sind die Wasserwerke, und grad kommt ein freundlicher Mensch mit seinem Hund heraus (wie ich von meiner Wirtin erfahre, der Oberwasserwerker), der erklärt mir, dass dieses Regenwasser auf Rieselfeldern ausgebracht und, so gefiltert, vom Grundwasser wieder aufgenommen wird. Das deckt ca. ein Sechstel des Jahresbedarfs, 85% werden aus der Meerwasserentsalzungsanlage gewonnen.
      Meer- oder Brackwasser zur Toilettenstülung oder, wie schon beschrieben, zum Zähneputzen, darf heut nicht mehr verwendet werden, aufgrund irgendwelcher Vorschriften, wo das steht hab ich vergessen.

      So, jetzt aber ins Museum.








      Von der Hummerfischerei konnten früher viele Helgoländer leben.

      Der "Kolonialpolitiker" Carl Peters war ein brutaler Mörder, intern "Hänge-Peters" genannt. Da er durch Übervorteilen der örtlichen Stammesführer große Teile Tanganjikas in den Besitz gebracht hatte,
      Die Vertragsabschlüsse bestanden darin, dass Peters örtliche Häuptlinge aufsuchte und ihnen – oft nach reichlichem Alkoholgenuss – deutschsprachige Schriftstücke vorlegte, auf die sie dann Kreuze als Unterschrift zeichneten. Darin wurde ihnen Schutz vor Feinden zugesagt, umgekehrt wurden die Rechte der Kolonisationsgesellschaft so beschrieben, dass sie das alleinige und uneingeschränkte Recht, Zölle und Steuern zu erheben, hätten, eine Justiz und Verwaltung einzurichten, bewaffnete Truppen ins Land zu bringen und Siedlern, die „Berge, Flüsse, Seen und Forsten“ zur beliebigen Nutzung zu überlassen. Eine Prüfung, ob die afrikanischen Vertragspartner verstanden, was sie vorgelegt bekamen, oder ob sie überhaupt eine Vollmacht hatten, über die angesprochenen Befugnisse zu verfügen, wurde nicht vorgenommen.

      Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Carl_Peters



      ... betrachteten ihn rechte Politiker als deutschen Nationalhelden und den Menschen, dem Helgoland seine Zugehörigkeit zum Deutsch Reich verdankte, hatten seine "Erwerbungen" in Afrika doch den Geländetausch 1890 ermöglicht. So bekam er ein Denkmal, das ,bereits 1914 fertiggestellt, in Dar es-Salaam 1918 keine Verwendung mehr bekam, nach einer längeren Irrfahrt 1931 auf Helgoland aufgestellt wurde. Unter dem Trümmerschutt fand man noch die Büste - aber wohin damit ?
      Abgesehen davon, dass das Deutschtum für Helgoland auch erhebliche Nachteile gebracht hatte, v.a. den erwähnten Trümmerhaufen der 1945/1952 von der Insel übrig geblieben war, gab es keinen Grund, diesem Mörder ein Denkmal zu widmen. Einschmelzen wär unhistorisch gewesen, so liegt sein Kopf jetzt auf dem Boden vorm Museum, mit einem entsprechenden Kommentar.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -
      Neben Kolonialschurken gibt's vorm Museum noch interessantere Sachen zu sehen.



      Zum Beispiel einiges an Strand- und Bergungsgut,



      einen Strandkarren aus dem Beginn der Bädergeschichte, indem v.a. Damen sich umziehen und dann in schicklichem Badedress sich den Fluten hingeben konnten.



      Diese Bombe (hier ein Blindgänger) war sechs Meter hoch und konnte sich bis zu fünfzehn Meter tief in den Boden bohren. Die Bunkerdecke begann achtzehn Meter unterm Boden - das hätte auch schief gehen können.


      Der Vormittag ist fast zu Ende, der Kurzurlaub auch, irgendwo noch was futtern und das Gepäck aus dem Quartier abholen. Auf Helgoland tröpfelt es, in Hamburg, so höre ich, gibt's Starkregen und Sturm. Davon werde ich nachher auf dem Halunder Jet nichts mitbekommen, der gleitet ruhig über die Wllen und verursacht so wenig Erschütterungen wie etwa ein ICE.

      Vorbei an Kreuzfahrtschiffen,


      Tankern


      und Reparaturschiffen (oder was auch immer),
      ,

      vorbei an der Nordostseekanal-Einfahrt,


      an dem stillgelegten AKW Brünsbüttel


      und am AKW Brokdorf, das noch bis 2022 laufen soll.


      Mit einiger Phantasie sieht man, wie's strahlt - oder hoffentlich auch nicht.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -