Rotkäppchen - verschiedene Varianten

      Rotkäppchen - verschiedene Varianten

      Die Informatiker-Variante

      Es war einmal ein kleines, süßes Mädchen, das immer ein Käppchen aus rotem Samt trug. Aufgrund dieses Attributes erhielt es ein Assign unter dem symbolischen Namen Rotkäppchen.

      Eines Tages sprach die Mutter: "Rotkäppchen, die Gesundheit deiner Großmutter hat einen Interrupt bekommen. Wir müssen ein Pflegeprogramm entwickeln und zur Großmutter bringen, um das Problem zulösen. Verirre Dich jedoch nicht im Wald der alten Sprachen, sondern gehe nur strukturierte Wege. Nutze dabei immer eine Hochsprache der vierten Generation, dann geht es der Großmutter schnell wieder gut. Und achte darauf, dass Dein Pflegeprogramm transaktioniert wird, damit es die Großmutter nicht noch mehr belastet."

      Da der Weg zur Großmutter renetrant war, traf Rotkäppchen den Wolf. Er tat sehr benutzerfreundlich, hatte im Backround jedoch schon einen Abbruch programmiert.

      Während Rotkäppchen einen Go To ins Blumenfeld machte, ging der Wolf im Direktzugriff zur Großmutter und vereinnahmte Sie unverzüglich durch einen Delete. Ohne zu zögern gab er sich den Anschein kompatibel zu sein und nahm die logische Sicht der Grossmutter an. Dann legte er sich in Ihren Speicherplatz.

      Kurz danach lokalisierte auch Rotkäppchen die Adresse der Großmutter und trat in den Speicherraum. Vor der Installation des Pflegeprogramms machte Rotkäppchen sicherheitshalber einen Verify und fragte:

      "Ei Großmutter, warum hast Du so große Augen?"

      "Weil ich zufriedene Endbenutzer gesehen habe."

      "Ei, Großmutter warum hast Du so große Ohren?"

      "Damit ich die wünsche der User besser verstehen kann."

      "Ei, Großmutter warum hast Du so ein entsetzlich großes Maul?"

      "Damit ich Dich besser Canceln kann!"

      Sprach's und nahm das arme Ding als Input. Nach ein Logoff begab sich der Wolf zur Ruhe, schlief ein und begann laut zu schnarchen.

      Als der Jäger auf seiner Loop durch den Wald am Haus der Großmutter vorbeikam, sah er durch sein Window den Wolf im Bett liegen.

      "Finde ich Dich hier Du alter Sünder", sprach er, "ich habe Dich lange gesucht!" Als Kenner der Szene analysierte er sofort, dass nach den Regeln der Booleschen Algebra die Großmutter nur im Bauch des Wolfes sein konnte. Er nahm sein Messer, teilte den Bauch des Wolfes in mehrere Sektoren und machte, welch Freude, die Großmutter und das Rotkäppchen wieder zu selbstständigen Modulen.

      Als Input für den Bauch des Wolfes nahmen sie viele Kilobyte Steine und beendeten die Operation mit einem Close. Als der Wolf erwachte, verursachte ihm sein dermaßen aufgeblähter Hauptspeicher solche Schmerzen, dass er an einer Storage Violation jämmerlich zugrunde ging.

      Da waren alle vergnügt.

      Das Pflegeprogramm aktivierte die Großmutter. Rotkäppchen aber dachte: "Du willst den Lebtag nie wieder einen Go To machen, sondern nur noch strukturierte Wege gehen, wie Dir's die Mutter geboten hat."
      :o_linie3:


      Jede Reise hat zwei Höhepunkte:
      den einen, wenn man hinausfährt,
      erlebnishungrig und voller Erwartung -
      und den anderen, wenn man heimkehrt, gesättigt von den Eindrücken
      und in Vorfreude auf das eigene Zuhause.

      (Heinrich Spoerl, Auszug aus "Die Hochzeitsreise)
      Rotkäppchen auf Amtsdeutsch
      Autor unbekannt

      Im Kinderfall unserer Stadtgemeinde ist eine hierorts wohnhafte, noch unbeschulte Minderjährige aktenkundig, welche durch ihre unübliche Kopfbekleidung gewohnheitsrechtlich Rotkäppchen genannt zu werden pflegt.

      Der Mutter besagter R. wurde seitens ihrer Mutter ein Schreiben zustellig gemacht, in welchem dieselbe Mitteilung ihrer Krankheit und Pflegebedürftigkeit machte, der Großmutter eine Sendung von Nahrungsmittel und Genußmittel zu Genesungszwecken zuzustellen. Vor ihrer Inmarschsetzung wurde die R. seitens ihrer Mutter über das Verbot betreffs Verlassen der Waldwege auf Kreisebene belehrt.

      Dieselbe machte sich infolge Nichtbeachtung dieser Vorschrift straffällig und begegnete beim Übertreten des amtlichen Blumenpflückverbotes einem polizeilich nicht gemeldeten Wolf ohne festen Wohnsitz. Dieser verlangte in gesetzwidriger Amtsanmaßung Einsicht in das zu Transportzwecken von Konsumgütern dienende Korbbehältnis und traf in Tötungsabsicht die Feststellung, daß die R. zu ihrer verschwägerten und verwandten, im Baumbestand angemieteten Großmutter eilend war.

      Da wolfseits Verknappung auf dem Ernährungssektor vorherrschend war, faßte er den Entschluß, bei der Großmutter der R. unter Vorlage falscher Papiere vorsprachig zu werden. Weil dieselbe wegen Augenleidens krank geschrieben war, gelang dem in Freßvorbereitung befindlichen Untier die diesfallsige Täuschungsabsicht, worauf es unter Verschlingung der Bettlägerigen einen strafbaren Mundraub zur Durchführung brachte. Ferner täuschte das Tier bei der später eintreffenden R. seine Indentität mit der Großmutter vor, stellte ersterer nach und in der Folge durch Zweitverschlingung der R. seinen Tötungsvorsatz unter Beweis.

      Der sich auf einem Dienstgang befindliche und im Forstwesen zuständige Waldbeamte B. vernahm Schnarchgeräusche und stellt deren Urheberschaft seitens des Tiermaules fest. Er reichte bei seiner vorgesetzten Dienststelle ein Tötungsgesuch ein, das dortseits zuschlägig beschieden und pro Schuß bezuschußt wurde. Nach Beschaffung einer Pulverschießvorrichtung zu Jagdzwecken gab er in wahrgenommener Einflußnahme auf das Raubwesen einen Schuß ab. Dieser wurde in Fortführung der Raubtiervernichtungsaktion auf Kreisebene nach Empfangnahme des Geschosses ablebig.

      Die gespreizte Beinhaltung des Totgutes weckte in dem Schußgeber die Vermutung, daß der Leichnam Menschenmaterial beinhalte. Zwecks diesbezüglicher Feststellung öffnete er unter Zuhilfenahme eines Messers den Kadaver zur Totvermarktung und stieß hierbei auf die noch lebhafte R. nebst beigehefteter Großmutter.

      Durch die unverhoffte Wiederbelebung bemächtigte sich beiden Personen ein gesteigertes, amtlich nicht zulässiges Lebensgefühl, dem sie durch groben Unfug, öffentliches Ärgernis erregenden Lärm und Nichtbeachtung anderer Polizeiverordungen Ausdruck verliehen, was ihre Haftpflichtigmachung zur Folge hatte. Der Vorfall wurde von den kulturschaffenden Gebrüder Grimm zu Protokoll genommen und starkbekinderten Familien in Märchenform zustellig gemacht.

      Wenn die Beteiligten nicht durch Hinschied abgegangen und in Fortfall gekommen sind, sind dieselben derzeitig noch lebhaft.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Tommy_Senior“ ()

      @ Schnuppi + Tommy
      :tischhaun:

      Und weil ich gerade daher komme, wo man früher solche Sitten gepflegt hat - hier die DDR-Variante:

      Rotkäppchen war gerade dabei, ein frohes Jugendleben zu entfalten, da kehrte die Mutter von der Versammlung der Haus- und Hofgemeinschaft zurück.

      Sie begrüßte das Rotkäppchen mit der Losung Junger Pioniere: "Bildet Timur-Trupps und helft unseren Parteiveteranen bei der verlustlosen Einbringung der Gartenernte!" "Rotkäppchen" -schlussfolgerte sie "nimm in dein Aktionsprogramm auch einen Besuch bei der Großmutter, der verdienten Parteiveteranin, auf! Überreiche ihr aus Anlass des 15-jaehrigen Jubiläums der Rentenerhöhung ein Stück Obstkuchen mit Schlagcreme und eine Weinflasche mit Fassbrause. Sie werden die Großmutter stärken zu guten Taten für den Sozialismus und im Kampf um die allseitige Durchsetzung der Neurermethoden auf dem Gebiet einer kulturvollen Heimgestaltung.

      Weiche nicht vom Bitterfelder Weg ab, und wenn du in den Wald gehst, ermahne dich zu erhöhter Wachsamkeit gegenüber den parteifeindlichen Umtrieben des bösen Wolfes. Seinen satirischen und dogmatischen Einflüsterungen, die vom Klassenfeind diktiert sind, darfst du nicht zum Opfer fallen. Vergiss nicht das blaue Halstuch und die rote Kappe. "Seid bereit ! - Immer Bereit!" antwortete etwas traurig das Rotkäppchen, denn es hätte gern weiter ein frohes Jugendleben entfaltet.

      Aber eingedeckt der 10 Gebote der sozialistischen Moral und aufgrund seines kämpferischen Klassenbewusstsein schätzte es die Perspektiven seiner jugendlichen Entwicklung richtig ein und machte sich auf den Weg. Bei seiner Wanderung kam das Rotkäppchen an eine Wiese, die einen Ueberplanbestand schöner Blumen beinhaltete. Dem Rotkäppchen gelang es, diese ungenutzten Reserven aufzudecken und sie, unter Geringhaltung der Ausschussquote, für die Produktion eines Blumenstraußes zu erschließen.

      Als Rotkäppchen gerade dabei war, in ihr Produktionsprogramm auch die Einführung einer Pausengymnastik mit aufzunehmen, erschien der böse Wolf.

      "Freundschaft" -sagte der Wolf.

      "Was machst du denn hier?"

      "Ich entwickle Initiative zum Besuch der Großmutter und versuche neue Wege zu beschreiten."

      "Lass uns eine Plandiskussion führen über den komplexen Einsatz bei der Veteranin." antwortete der Wolf, "Wir wollen beide als Kollektiv ein Kulturprogramm aufstellen und in Kooperation ein agitatorisch-propagandistisches Programm erstellen. Es stürmt die Höhen der Kultur!"

      Doch im gleichen Augenblick wurde ihm ein Verbesserungsvorschlag bewusst. Er setzte den ökonomischen Hebel an und veränderte den Planentwurf dahingehend, dass er im programmatischen Vorgehen in Teilabschnitten erst die Großmutter und dann das Rotkäppchen seinen Versorgungsplänen einverleiben wollte. So verstieß er gegen die Richtlinien des Jugendförderungsprogramms, und Rotkäppchen sah sich allein gelassen.

      Kurz darauf stand der verbrecherische Wolf vor dem Wohnblock, in dem die Grossmutter durch Beziehung im Veteranenclub eine Parterrewohnung bekommen hatte. Eingedeckt der Devise "Jeder Mann an jedem Ort, einmal in der Woche Sport" sprang er durch das - entgegen den Vorschriften der staatlichen Versicherung der DDR - offenstehende Fenster.

      Mit der kranken Großmutter ließ er sich auf keine Diskussion ein, sondern diktierte der Großmutter unter Missachtung der Beratung durch die Führungsgremien einseitig seine Meinung, indem er sie einfach auffraß. Danach versuchte der gefährliche Agent sich zu tarnen. Er zog Großmutters Nachthemd aus Dederon an und legte sich mit dem Krankenschein der SVK in der Pfote ins Bett.

      Nach einer kurzen Weile, in dem Bestreben, die Wartezeit zu verkürzen, betrat auch Rotkäppchen die AWG-Wohnung der Großmutter. Als Rotkäppchen die unrealistische Großmutter erblickte, erschrak es sehr.

      "Großmutter, warum hast du so große Augen?"

      "Ich habe eine Halbtagsbeschäftigung als Güterkontrolleur angenommen!"

      "Aber Großmutter, warum hast du dann so große Ohren?"

      "Ich betätige mich als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit!"

      "Großmutter, warum hast du aber einen so großen Mund?"

      "Weißt du denn nicht, dass ich Chefkommentator beim demokratischen Rundfunk war?"

      Der Wolf beendete die kämpferische Auseinandersetzung durch positive Überzeugungsarbeit, indem er auch das Rotkäppchen mit Haut und Haaren auffraß. Dann legte er sich schlafen und produzierte Schnarchtöne der Güteklasse "Q" im Weltmaßstab.

      Mit einem "Spatz" vom VEB Simson-Suhl kam auf der Suche nach einer Vertragswerkstatt ein Mitglied des Jagdkollektivs daher. Zufällig führte der Jäger seine Thaelmannsuperflinte 2. Wahl mit sich. Dem Wolf wurde das zum Verhängnis, da er es an der nötigen Wachsamkeit hatte fehlen lassen. Mit Hilfe der Hinweise aus der Bevölkerung gelang es dem Jäger, den Wolf zu identifizieren und als Geheimagent der imperialistischen Ultras zu entlarven.

      Er realisierte die Tötung der scheußlichen Bestie und befreite das Rotkäppchen und die Großmutter aus dem Leibe des bösen Wolfes. Doch bevor sie den Tag der Befreiung mit Erstellung eines Kulturprogramms feierten, verfasste das Rotkäppchen einen Artikel für die "Junge Welt", mit dem sie Kritik ihrer falschen Verhaltensweise annahm und sich vom vertrauensseligen Versöhnlertum dem Wolf gegenüber distanzierte.

      Der Jäger hatte durch seine Befreiung der Großmutter und des Rotkäppchens 2 Arbeitskräfte aus der nacharbeitenden Bevölkerung zusätzlich erschlossen und damit einen Zuwachs um etwa 2000,63 Mark erzielt. Er erhielt eine Prämie von 300,- Mark, außerdem wurde ihm für seine Tat eine Aufbaustunde im Rahmen seiner Selbstverpflichtung im NAW angerechnet. Die Großmutter zeichnete freiwillig einen Betrag zugunsten der Volkssolidarität, und das Rotkäppchen ließ sich von der Großmutter die leere Weinflasche für die nächste Altstoffsammlung geben.

      Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben alle drei noch heute.
      :reg:
      :wechsel:
      Entspanne dich. Lass das Steuer los. Trudle durch die Welt. Sie ist so schön.
      - Kurt Tucholsky -