Das Massaker dauerte nur 15 Minuten - und gilt schon jetzt als eines der blutigsten Gewaltverbrechen in der jüngeren Geschichte der Türkei: Binnen weniger Minuten löschte in der Nacht auf den Dienstag ein Killerkommando im südostanatolischen Bilgeköy, einem 250-Seelen-Dorf zwischen den Provinzstädten Diyarbakir und Mardin, das Leben von 44 Menschen aus, unter ihnen 6 Kinder und 17 - zum Teil schwangere - Frauen.
( ... )
Der ehemalige Dorfvorsteher Cemil Celebi, feierte an diesem Montag die Verlobung seiner Tochter Sevgi. Rund 200 Menschen aus dem Dorf versammelten sich vor seinem Haus, um zu essen und zu tanzen.
Als Cemil die Männer der Festgemeinschaft gegen 21.30 Uhr in einen Raum einlud, um zu beten, geschah es: Die Killer, je nach Augenzeugenberichten sollen es vier bis sechs Angreifer gewesen sein, eröffneten das Feuer zuerst auf die Männer, dann auf die Frauen und Kinder. Sie töteten jeden einzelnen mit einem Kopfschuss. Cemil Celebi, Sevgi Celebi, der künftige Bräutigam Habib Ari und der Imam wurden mehrfach getroffen, ihre Körper regelrecht durchlöchert.
Im Schutz eines Wüstensturms, so hieß es, seien die Täter dann geflohen - nachdem sie die Reifen der Autos zerschossen hatten.
Weil die dorfeigene Miliz - die sogenannten "Dorfschützer" - zum Zeitpunkt der Tat an drei anderen Orten stationiert gewesen sein soll, habe zunächst niemand die Verfolgung aufnehmen können. Es dauerte zwei Stunden, bis reguläre Sicherheitskräfte in Bilgeköy eintrafen und das Gebiet absperrten.
( ... )
Den "Dorfschützern" schlossen sich in den achtziger und neunziger Jahren jene regierungstreuen Kurden an, die sich dem staatlichen Kampf gegen die PKK verpflichteten. Rund 60.000 Bauernmilizionäre soll es in der Südosttürkei noch geben - aufgerüstet und entlohnt vom Staat. ( ... )
Für den Istanbuler Rechtsanwalt Abdülbaki Boga, der im Vorstand der größten türkischen Menschenrechtsvereinigung IHD sitzt, handelt es sich bei dem Massaker nicht um ein Eifersuchtsdrama oder gar Blutrache. "Bei Blutrache oder Ehrenmorden werden immer nur ein oder zwei Menschen getötet", sagt Boga. "Die Täter verstecken sich dabei nicht hinter Masken. Auch das Töten von Frauen und Kindern passt nicht in das Schema. Und noch nie, selbst in den brutalsten Zeiten, als im Südosten alle möglichen Milizen mordeten, hat es ein solches Abschlachten während des Gebets gegeben."
Für einen "üblichen" Fall von Blutrache stimmten die Dimensionen des Mordes nicht, sagt Boga. Seltsam sei auch, dass die "Dorfschützer" zur Tatzeit an einen weit entfernten Ort versetzt wurden. Um das Bilgeköy-Massaker aufzuklären, müsse erst geklärt werden, wer die Dorfschützer auf ihre Position geschickt habe.
Vieles spreche für einen "geplanten Anschlag", verübt von Tätern, über die der Staat schon vor längerem die Kontrolle verloren habe: ehemalige Sicherheitskräfte und Paramilitärs, die den kurdischen Südosten für ihre eigenen Interessen missbrauchten und dabei im sprichwörtlichen Sinne über Leichen gingen. Diese Leute hätten ein großes Interesse, den Friedens- und Demokratisierungsprozess der Türkei zu sabotieren, sagt Boga. Dass es diese Leute gibt, ist unter Beobachtern der politischen Szene in der Türkei weitgehend unumstritten.
Sollte an der sinistren Variante des Verbrechens von Bilgeköy ein Funken Wahrheit sein, könnte das Timing kaum besser sein. Für diesen Dienstag hatte der militärische PKK-Führer im Nordirak, Murat Karayilan angekündigt, eine "Roadmap" für die Entwaffnung seiner Organisation vorzustellen - eine Nachricht, die weitgehend ungehört verhallte.
[URL=http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,623043,00.html]Aus spiegel.de[/URL]
( ... )
Der ehemalige Dorfvorsteher Cemil Celebi, feierte an diesem Montag die Verlobung seiner Tochter Sevgi. Rund 200 Menschen aus dem Dorf versammelten sich vor seinem Haus, um zu essen und zu tanzen.
Als Cemil die Männer der Festgemeinschaft gegen 21.30 Uhr in einen Raum einlud, um zu beten, geschah es: Die Killer, je nach Augenzeugenberichten sollen es vier bis sechs Angreifer gewesen sein, eröffneten das Feuer zuerst auf die Männer, dann auf die Frauen und Kinder. Sie töteten jeden einzelnen mit einem Kopfschuss. Cemil Celebi, Sevgi Celebi, der künftige Bräutigam Habib Ari und der Imam wurden mehrfach getroffen, ihre Körper regelrecht durchlöchert.
Im Schutz eines Wüstensturms, so hieß es, seien die Täter dann geflohen - nachdem sie die Reifen der Autos zerschossen hatten.
Weil die dorfeigene Miliz - die sogenannten "Dorfschützer" - zum Zeitpunkt der Tat an drei anderen Orten stationiert gewesen sein soll, habe zunächst niemand die Verfolgung aufnehmen können. Es dauerte zwei Stunden, bis reguläre Sicherheitskräfte in Bilgeköy eintrafen und das Gebiet absperrten.
( ... )
Den "Dorfschützern" schlossen sich in den achtziger und neunziger Jahren jene regierungstreuen Kurden an, die sich dem staatlichen Kampf gegen die PKK verpflichteten. Rund 60.000 Bauernmilizionäre soll es in der Südosttürkei noch geben - aufgerüstet und entlohnt vom Staat. ( ... )
Für den Istanbuler Rechtsanwalt Abdülbaki Boga, der im Vorstand der größten türkischen Menschenrechtsvereinigung IHD sitzt, handelt es sich bei dem Massaker nicht um ein Eifersuchtsdrama oder gar Blutrache. "Bei Blutrache oder Ehrenmorden werden immer nur ein oder zwei Menschen getötet", sagt Boga. "Die Täter verstecken sich dabei nicht hinter Masken. Auch das Töten von Frauen und Kindern passt nicht in das Schema. Und noch nie, selbst in den brutalsten Zeiten, als im Südosten alle möglichen Milizen mordeten, hat es ein solches Abschlachten während des Gebets gegeben."
Für einen "üblichen" Fall von Blutrache stimmten die Dimensionen des Mordes nicht, sagt Boga. Seltsam sei auch, dass die "Dorfschützer" zur Tatzeit an einen weit entfernten Ort versetzt wurden. Um das Bilgeköy-Massaker aufzuklären, müsse erst geklärt werden, wer die Dorfschützer auf ihre Position geschickt habe.
Vieles spreche für einen "geplanten Anschlag", verübt von Tätern, über die der Staat schon vor längerem die Kontrolle verloren habe: ehemalige Sicherheitskräfte und Paramilitärs, die den kurdischen Südosten für ihre eigenen Interessen missbrauchten und dabei im sprichwörtlichen Sinne über Leichen gingen. Diese Leute hätten ein großes Interesse, den Friedens- und Demokratisierungsprozess der Türkei zu sabotieren, sagt Boga. Dass es diese Leute gibt, ist unter Beobachtern der politischen Szene in der Türkei weitgehend unumstritten.
Sollte an der sinistren Variante des Verbrechens von Bilgeköy ein Funken Wahrheit sein, könnte das Timing kaum besser sein. Für diesen Dienstag hatte der militärische PKK-Führer im Nordirak, Murat Karayilan angekündigt, eine "Roadmap" für die Entwaffnung seiner Organisation vorzustellen - eine Nachricht, die weitgehend ungehört verhallte.
[URL=http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,623043,00.html]Aus spiegel.de[/URL]